Vor Abschiebehaft muss Vertrauensperson benachrichtigt werden
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Weil gegen sie Abschiebehaft angeordnet worden war, ohne einen Angehörigen oder eine Vertrauensperson zu benachrichtigen, zogen zwei Männer aus Afghanistan und ein Jordanier vor das BVerfG. Mit Erfolg – das BVerfG konstatierte eine Verletzung von Art. 104 Abs. 4 GG und rüffelte die Fachgerichte.

Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerden hatten sie bei den Fachgerichten ohne Erfolg die Feststellung beantragt, dass die Amtsgerichte gegen Art. 104 Abs. 4 GG verstoßen haben. Art. 104 Abs. 4 GG bestimmt, dass von jeder richterlichen Entscheidung über eine Freiheitsentziehung ein Angehöriger oder eine Vertrauensperson des Festgehaltenen zu benachrichtigen ist.

Die Verfassungsbeschwerden seien diesbezüglich offensichtlich begründet, so das BVerfG (Beschlüsse vom 18.12.2023 2 BvR 656/20, 2 BvR 1816/22, 2 BvR 1210/23). Die Fachgerichte hätten die Grundrechte der Männer aus Art. 104 Abs. 4 GG verletzt, der ein spurloses Verschwinden inhaftierter Personen verhindern soll. Laut BVerfG kann die Benachrichtigung nicht davon abhängen, ob der Festgehaltene die genaue Anschrift seiner Vertrauensperson parat habe. Nenne er Namen und Wohnort, sei das Gericht verpflichtet, eine Meldeauskunft einzuholen – deren Ergebnis hier auch eine Benachrichtigung ermöglicht hätte.

Dem BVerfG zufolge muss zu einer Vertrauensperson auch kein persönliches Näheverhältnis bestehen. In Betracht kämen etwa auch Behördenmitarbeiter oder Berufskollegen. Eine Benachrichtigung müsse auch erfolgen, wenn der Festgehaltene eine Einrichtung (hier: Rehaklinik) benennt, bei der er beschäftigt war. Denn dann liege es nahe, eine mit der Organisation des Personals oder mit der Arbeitseinteilung betraute Person in der Einrichtung zu benachrichtigen. Auf die Frage, ob eine Personengesellschaft oder juristische Person selbst Vertrauensperson sein könne, komme es hier nicht an.

Außerdem unterstreicht das BVerfG die Dokumentationspflicht: Sei niemand benachrichtigt und die Gründe hierfür nicht dokumentiert worden, sei von einem Verstoß gegen Art. 104 Abs. 4 GG auszugehen.

BVerfG, Beschluss vom 18.12.2023 - 2 BvR 656/20

Redaktion beck-aktuell, hs, 31. Januar 2024.