"Anom"-Daten als Beweis: BVerfG geht von Verwertbarkeit aus
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Das FBI verkaufte Kryptohandys an Kriminelle. Die Daten nutzen nun auch deutsche Ermittler. Ein Verurteilter will sich in Karlsruhe wehren – ohne Erfolg.

Das BVerfG sieht derzeit keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken bei der Verwertung sogenannter Anom-Chatdaten zur Aufklärung von Straftaten. Das Gericht nahm eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, mit der sich ein Mann gegen seine Verurteilung unter Verwendung solcher Daten gewandt hatte (Beschluss vom 23.09.2025 – 2 BvR 625/25).

Es geht dabei um Daten von Kryptohandys des Anbieters "Anom", die das FBI gezielt an Kriminelle verkaufen ließ. Die US-Polizeibehörde hatte Codes, um verschlüsselte Chat-Nachrichten mitlesen zu können. Lange war umstritten, ob die von den USA übermittelten Daten vor deutschen Gerichten als Beweismittel verwertbar sind. Im Januar klärte der BGH, dass Ermittler diese Chat-Daten nutzen dürfen, um schwere Straftaten aufzuklären.

Im konkreten Fall ging es um einen Mann, den das LG Mannheim wegen Drogenhandels zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt hatte. Grundlage waren fast ausschließlich Chatnachrichten aus einer "Anom"-Kommunikation. In seiner Beschwerde machte er geltend, sein Recht auf ein faires Verfahren sei verletzt. Nach seiner Auffassung hätten die Vorinstanzen nicht ausreichend geprüft, ob die Datenerhebung im Ausland verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügte. Außerdem habe er wegen der lückenhaften Informationen zur Überwachung keine wirksamen Einwendungen erheben können.

Ausführungen zu Grundrechtsverletzung nicht schlüssig

Das BVerfG sah die Einwände jedoch als nicht tragfähig an. Der Betroffene habe nicht schlüssig dargelegt, wie sein Recht auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt sein könnte. Soweit der Mann meine, die Fachgerichte hätten das Verfahren zur Erhebung der Anom-Daten nicht hinreichend überprüft, weil über die Beweismittelgewinnung "praktisch nichts bekannt" sei, werde dies bereits durch seinen eigenen Tatsachenvortrag widerlegt.

Das Gericht räumt zwar ein, dass über die Erhebung, Speicherung und Weitergabe der Daten nicht alle Details bekannt sind. Letzteres betreffe in erster Linie einen unbekannten Mitgliedstaat der EU, in dem ein Server stand, an den bei Versand einer Chat-Nachricht eine Kopie gesendet wurde. "Dies ist für die Frage eines Beweisverwertungsverbots in Deutschland aber gerade nicht von Bedeutung", so die Richterinnen und Richter.

Bekannt sei nach den Feststellungen der Fachgerichte, dass die Software auf den Geräten jede Nachricht automatisch und ohne Wissen der Nutzerinnen und Nutzer an einen sogenannten iBot-Server weiterleitete. Dort seien die Nachrichten vom FBI entschlüsselt, erneut verschlüsselt und nach einigen Tagen an einen Transferserver übermittelt worden. Ein unbekannter EU-Staat habe den Server auf Grundlage gerichtlicher Beschlüsse betrieben und die Daten an die USA weitergegeben, ohne sie selbst auszuwerten.

Unklare Datenerhebung führt nicht zu Beweisverwertungsverbot

Auch die Behauptung, die US-Behörden hätten mit der Auslagerung des Servers in die EU gezielt Beschränkungen des vierten Zusatzes zur US-amerikanischen Verfassung (Schutz der Privatsphäre) und des Wiretap Act umgangen, überzeugte das BVerfG nicht. Es stellte klar, dass diese Vorschriften nur bei Nutzung amerikanischer Telekommunikationsnetze gelten. Da die Nachrichten direkt auf einen Server in einem EU-Staat umgeleitet wurden, sei deren Anwendungsbereich von vornherein nicht eröffnet gewesen.

Das Gericht halten auch das Vorbringen, die Überwachung im EU-Staat habe schon keinen legitimen Zweck verfolgt und damit gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen, für nicht tragfähig. Die Verfassungsbeschwerde habe nicht substantiiert aufgezeigt, warum die Daten für Strafverfahren in den USA unbrauchbar gewesen sein sollten.

Auch über den konkreten Fall hinaus lägen bislang keine Erkenntnisse über die Erhebung der Anom-Daten vor, die Anhaltspunkte dafür bieten könnten, dass die gewonnenen Daten von Verfassungs wegen grundsätzlich einem Beweisverwertungsverbot unterlägen, so die Richterinnen und Richter.

BVerfG, Beschluss vom 23.09.2025 - 2 BvR 625/25

Redaktion beck-aktuell, cil, 1. Oktober 2025 (ergänzt durch Material der dpa).

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