AKW-Ab­riss: Auch be­herr­schen­des Un­ter­neh­men des Be­trei­bers in der Haf­tung

Un­ter­neh­men, die die Be­trei­ber­ge­sell­schaft eines Kern­kraft­werks be­herr­schen, haf­ten für die Abbau- und Ent­sor­gungs­kos­ten, wenn die Be­trei­ber­ge­sell­schaft sie nicht mehr stem­men kann. Eine gegen diese Nach­haf­tung ge­rich­te­te Kom­mu­nal­ver­fas­sungs­be­schwer­de war jetzt er­folg­los.

Das BVerfG nahm die auf eine Ver­let­zung der Selbst­ver­wal­tungs­ga­ran­tie aus Art. 28 Abs. 2 GG ge­stütz­te Be­schwer­de schon nicht zur Ent­schei­dung an. Diese sei be­reits un­zu­läs­sig (Be­schluss vom 01.04.2025 – 2 BvR 490/18).

Ein­ge­legt hat­ten sie ein Zweck­ver­band, zu dem sich neun Land­krei­se zu­sam­men­ge­schlos­sen hat­ten, sowie einer die­ser Land­krei­se. Der Zweck­ver­band soll die Elek­tri­zi­täts­ver­sor­gung der Land­krei­se si­cher­stel­len. Al­ler­dings ist er be­reits lange nicht mit mehr ope­ra­tiv tätig, son­dern nur noch mit­tel­bar an En­er­gie­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men be­tei­ligt. Unter an­de­rem hält er über ein 100%iges Toch­ter­un­ter­neh­men knapp 47% der Ak­ti­en des En­er­gie­ver­sor­gungs­un­ter­neh­mens E.​AG, zu dem – mit­tel­bar – fünf Kern­kraft­wer­ke ge­hör­ten.

Mit dem Atom­aus­stieg kam 2017 das Nach­haf­tungs­ge­setz, das für Un­ter­neh­men, die die Be­trei­ber­ge­sell­schaft eines Kern­kraft­werks be­herr­schen, eine sub­si­diä­re und zeit­lich be­grenz­te Nach­haf­tung be­grün­det, wenn die Be­trei­ber­ge­sell­schaft ihre Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen nicht er­füllt. Der Zweck­ver­band und – für sei­nen An­teil – der Land­kreis be­fürch­te­ten, bei einer wei­ten Aus­le­gung der Re­ge­lung als herr­schen­des Un­ter­neh­men zu haf­ten.

Zweck­ver­band fehlt Be­schwer­de­fä­hig­keit

Den Zweck­ver­band hält das BVerfG im Rah­men der Kom­mu­nal­ver­fas­sungs­be­schwer­de schon nicht für be­schwer­de­fä­hig. Be­schwe­ren dürf­ten sich nur Ge­mein­den oder Ge­mein­de­ver­bän­de. Der Zweck­ver­band sei weder noch. Ge­mein­de­ver­bän­de seien nur sol­che kom­mu­na­len Zu­sam­men­schlüs­se, die ent­we­der zur Wahr­neh­mung von Selbst­ver­wal­tungs­auf­ga­ben ge­bil­de­te Ge­biets­kör­per­schaf­ten sind oder mit die­sen Kör­per­schaf­ten nach dem Um­fang und Ge­wicht ihrer Selbst­ver­wal­tungs­auf­ga­ben ver­gleich­bar sind.

Das BVerfG schlie­ßt schnell aus, dass der Zweck­ver­band eine Ge­biets­kör­per­schaft ist, ge­steht ihm aber zu, dass die von ihm wahr­ge­nom­men Auf­ga­ben eine ge­wis­se Re­le­vanz haben, da sie die Da­seins­vor­sor­ge be­tref­fen. Al­ler­dings müsse er sich ent­ge­gen­hal­ten las­sen, dass er nicht selbst ope­ra­tiv in der Strom­ver­sor­gung tätig, son­dern nur mit­tel­bar an einem pri­vat­recht­li­chen En­er­gie­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men be­tei­ligt sei. Daher sei nicht er­sicht­lich, dass die Strom­ver­sor­gung der Ein­woh­ner ge­fähr­det wäre, wenn er sein En­ga­ge­ment auf­ge­ben würde. Au­ßer­dem sei sein Auf­ga­ben­be­reich auch nicht von er­heb­li­chem Um­fang, son­dern be­tref­fe nur einen klei­nen Aus­schnitt von Auf­ga­ben des ge­meind­li­chen und über­ge­meind­li­chen Wir­kungs­krei­ses. Letzt­lich ver­neint das BVerfG die Ver­gleich­bar­keit mit einer Ge­biets­kör­per­schaft.

Aus­füh­run­gen zu Ver­let­zung kom­mu­na­ler Selbst­ver­wal­tungs­ga­ran­tie un­zu­rei­chend 

Was den Land­kreis an­geht, sehen die Karls­ru­her Rich­te­rin­nen und Rich­ter eine Ver­let­zung des Rechts auf kom­mu­na­le Selbst­ver­wal­tung nicht hin­rei­chend dar­ge­legt. Das Nach­haf­tungs­ge­setz re­ge­le nicht die Rechts­ver­hält­nis­se zwi­schen dem Land­kreis und dem Bund oder Drit­ten. Schon des­halb grei­fe es nicht in das Recht auf Selbst­ver­wal­tung ein. Der Land­kreis würde erst auf­grund der sat­zungs­mä­ßi­gen Haf­tungs­vor­schrif­ten des Zweck­ver­ban­des haf­ten und in sei­ner wirt­schaft­li­chen Exis­tenz ge­fähr­det. Diese ver­bands­in­ter­nen Re­ge­lun­gen be­rüh­re das an­ge­grif­fe­ne Nach­haf­tungs­ge­setz aber nicht.

Der Land­kreis habe auch nicht vor­ge­tra­gen, dass die an­ge­grif­fe­ne Re­ge­lung nach ihrer Be­deu­tung und Ziel­rich­tung auch auf Be­rech­tig­te der Selbst­ver­wal­tungs­ga­ran­tie wie ihn ge­rich­tet ist. Das ver­neint das BVerfG auch: Die Ein­stands­pflicht des Land­krei­ses sei ge­ra­de nicht Ziel­rich­tung der an­ge­grif­fe­nen Re­ge­lung, son­dern viel­mehr Folge sei­ner nur mit­tel­ba­ren Be­tei­li­gung an einem En­er­gie­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men.

Zudem lege der Land­kreis auch nur un­zu­rei­chend dar, wel­chen Ge­samt­um­fang seine Fi­nanz­aus­stat­tung hat und in­wie­weit diese durch die an­ge­grif­fe­ne Re­ge­lung ge­min­dert wird, so­dass er die ihm ob­lie­gen­den Auf­ga­ben nicht mehr an­ge­mes­sen oder im er­for­der­li­chen Min­dest­maß er­fül­len kann. Er be­haup­te zwar, dass eine fi­nan­zi­el­le Min­dest­aus­stat­tung bei Ein­tritt des Nach­haf­tungs­falls "of­fen­sicht­lich" nicht mehr vor­han­den wäre und er die ihm ob­lie­gen­den Selbst­ver­wal­tungs­auf­ga­ben nicht mehr an­ge­mes­sen er­fül­len könn­te. Al­ler­dings lege er über diese Pau­schal­an­ga­be hin­aus weder die Höhe der von ihm be­fürch­te­ten fi­nan­zi­el­len Be­las­tung noch seine Haus­halts­si­tua­ti­on nach­voll­zieh­bar dar.

BVerfG, Beschluss vom 01.04.2025 - 2 BvR 490/18

Redaktion beck-aktuell, bw, 1. April 2025.

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