Das BVerfG hat eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die verspätete Zustellung schriftlicher Entscheidungsgründe durch das LG Hamburg richtete. Nach § 315 Abs. 2 S. 3 ZPO ist es Gerichten erlaubt, die schriftlichen Entscheidungsgründe "alsbald" nach der Verkündung zu übermitteln – in der Praxis kann das bis zu fünf Monate dauern.
Nach Ansicht des Journalisten und des Verlags habe die verspätete Nachreichung ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) verletzt, weil sie ihre Berufung gegen das Urteil, in dem sie unterlegen waren, ohne Urteilsgründe nicht begründen könnten. Das BVerfG beschied hingegen, dass der fehlende Zugang zu den Entscheidungsgründen zwar ein gewichtiger Umstand sei, sie ihre Berufung aber anders hätten begründen können - und müssen (Beschluss vom 10. April 2025 - 2 BvR 468/25).
Hintergrund ist ein zivilrechtlicher Konflikt um presserechtliche Äußerungen: Das LG hatte im Wege einer einstweiligen Verfügung die weitere Berichterstattung untersagt. Nach mündlicher Verhandlung bestätigte es diese Entscheidung – allerdings ohne zunächst Urteilsgründe vorzulegen. Der daraufhin gestellte Antrag der Betroffenen, die Vollstreckung bis zur Berufungsentscheidung auszusetzen, blieb erfolglos. Die Begründung des OLG: Ohne Urteilsbegründung fehle eine Grundlage zur Einschätzung der Erfolgsaussichten.
"Alsbald" heißt nicht automatisch fünf Monate
Auch vor dem BVerfG kamen der Journalist und der Verlag nun nicht weiter, sie scheiterten an "Substantiierungsmängeln", wie das BVerfG schreibt. Sie hätten nicht ausreichend dargelegt, weshalb sie ihre Berufung nicht anderweitig hätten begründen können. Schließlich liege ihnen der ursprüngliche Verfügungsbeschluss vor und auch in der mündlichen Verhandlung sei die Sach- und Rechtslage erörtert worden.
Die Kammer äußerte allerdings Zweifel daran, ob das Ausschöpfen der fünfmonatigen Frist mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz vereinbar war. Ein derart langes Warten auf Urteilsgründe könne durchaus verfassungsrechtlich problematisch sein, vor allem in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Frist von bis zu fünf Monaten ergebe sich nicht direkt aus dem Gesetz, sondern aus der Auslegung des unbestimmten Begriffs "alsbald" in § 315 Abs. 2 S. 3 ZPO. Diese solle Gerichten Flexibilität gewähren, dürfe aber die Rechtsweggarantie der unterlegenen Partei nicht unterlaufen. Sie sei das Ergebnis einer Auslegung, die verschiedene Interessen berücksichtigt, also auch die Belange der unterlegenen und an der Einlegung eines Rechtsmittels interessierten Partei, nicht erst nach einem unzumutbar langen Zeitraum die detaillierten Gründe zu erfahren, die zu ihrem Unterliegen geführt haben. Im Einzelfall könne das Ausschöpfen dieser Frist dem Schutzbedürfnis von Berufungsklägern zuwiderlaufen – etwa, wenn schnelles Handeln geboten ist, so das BVerfG. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken müssten aber wegen der Mängel in der Substantiierung im klägerischen Vortrag außer Betracht bleiben.