Wohnung einer Hochschwangeren darf vorläufig nicht zwangsgeräumt werden
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Die Wohnung einer hochschwangeren, kurz vor einem Kaiserschnitt stehenden Frau und ihrer Familie sollte zwangsgeräumt werden, die Familie in eine Container-Notunterkunft. Das hat das BVerfG vorläufig gestoppt. Das AG hätte das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit berücksichtigen müssen.

Die Familienwohnung sollte vier Tage vor dem geplanten Kaiserschnitt zwangsgeräumt werden. Nach der Räumung sollte die Familie in einer Notunterkunft der Gemeinde in Containern untergebracht werden. Die Familie beantragte Räumungsschutz nach § 765a ZPO. Sie wies unter Vorlage eines Krankenhausberichts auf den bevorstehenden Kaiserschnitt hin und monierte die Notunterkunft mangels ausreichender medizinischer und hygienischer Versorgung als unzumutbar.

Das AG sah allerdings keine sittenwidrige Härte und versagte Räumungsschutz. Dabei bezweifelte es zunächst trotz des Krankenhausberichts die Schwangerschaft, klärte das aber nicht weiter auf. Denn es meinte, die neuerliche Schwangerschaft sei aufgrund der finanziellen Lage der Familie "geradezu fahrlässig". Die Familie könne sich deshalb nicht auf staatliche Schutzpflichten berufen. Eine sofortige Beschwerde der Familie brachte keine Abhilfe durch das AG.

Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht genügend berücksichtigt

Ein isolierter Eilantrag der Familie beim BVerfG bringt jetzt Aufschub. Das BVerfG kritisiert das AG scharf und hat die Zwangsräumung vorläufig, höchstens für sechs Monate, ausgesetzt (Beschluss vom 18.05.2025 2 BvQ 32/25). Es betont das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, aus dem sich auch eine staatliche Schutzpflicht ergebe. Die Vollstreckungsgerichte seien zu einer genauen Aufklärung verpflichtet, wenn drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren durch die Zwangsräumung substantiiert geltend gemacht werden.

Das BVerfG beanstandet, dass das AG die erforderliche Abwägung zwischen dem Räumungsinteresse des Vermieters und den Interessen der Familie zu Unrecht unterlassen (Ablehnungsbeschluss) bzw. die gesundheitliche Situation der Hochschwangeren und die Versorgungslage für die Frau und das ungeborene Kind in der Notunterkunft nicht genügend berücksichtigt habe (Nichtabhilfeabschluss).

Keine Verweisung auf Zuständigkeit der Ordnungsbehörden

Es kritisiert ferner, dass das AG auf die Zuständigkeit der Ordnungsbehörden für den Schutz der Familie verwiesen habe. Zwar führt eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr durch Zwangsräumung laut BVerfG nicht automatisch zu Räumungsschutz. Könne die Gefahr durch geeignete Maßnahmen gebannt werden, müsse die Zwangsräumung nicht gestoppt werden. Allerdings müssten die Fachgerichte das genau geprüft und dafür gesorgt haben, dass die Maßnahmen vorgenommen werden.

Das BVerfG moniert auch, dass das AG es nicht als seine Aufgabe angesehen habe, eine Zwangsvollstreckung trotz drohender menschenunwürdiger Bedingungen im Fall der Unterbringung vorläufig zu stoppen. Das AG hätte aus Sicht der Karlsruher Richterinnen und Richter prüfen müssen, ob die Notunterkunft mit Blick auf die Bedürfnisse der Frau nach der Entbindung und die des ungeborenen Kindes dem Mindestmaß an menschenwürdiger Unterbringung entspricht.

Eine noch einzulegende Verfassungsbeschwerde wäre daher weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet, so das BVerfG. Im Rahmen der Folgenabwägung überwögen die der Familie drohenden Nachteile die Nachteile für den Vermieter, für den sich die Zwangsräumung lediglich um wenige Monate verzögere. Es liege nicht fern, dass die Zwangsräumung vier Tage vor dem Kaiserschnitt die körperliche Unversehrtheit der Frau und des ungeborenen Kindes erheblich gefährde. 

BVerfG, Beschluss vom 18.05.2025 - 2 BvQ 32/25

Redaktion beck-aktuell, hs, 11. Juni 2025.

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