Für Veranlagungszeiträume bis zum 31. Dezember 2013 bleibt der strittige § 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. aber weiter anwendbar, verfügten die Verfassungsrichter und -richterinnen.
Nach der Vorschrift kann die Kirchensteuer in Form eines besonderen Kirchgelds von Kirchensteuerpflichtigen erhoben werden, deren Ehegatten keiner steuererhebenden Kirche angehören (besonderes Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe). Auf eingetragene Lebenspartnerschaften wurde die Regelung erst für die Veranlagungszeiträume ab 2016 erstreckt.
Eine Frau war in den Jahren 2014 und 2015 – anders als ihr Ehemann – Mitglied einer die Kirchensteuer erhebenden Landeskirche. Das Finanzamt setzte deshalb die Kirchensteuer in Form des besonderen Kirchgelds fest und legte das zu versteuernde Einkommen beider Eheleute zugrunde. Die Steuerpflichtige rief das FG an. Dieses setzte das Verfahren aus, um die Sache mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG dem BVerfG vorzulegen.
Mittelbare Ungleichbehandlung wegen sexueller Orientierung
Dieses verwies zunächst auf sein Grundsatzurteil vom Mai 2013. Danach seien die einkommensteuerlichen Vorschriften zum Ehegattensplitting nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, soweit sie eingetragenen Lebenspartnern anders als Ehegatten nicht die Möglichkeit der Zusammenveranlagung und die damit verbundene Anwendung des Splittingverfahrens eröffneten.
In Reaktion auf diese Entscheidung wurden noch im Jahr 2013 auf Bundesebene die Regelungen des Einkommensteuergesetzes zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften erstreckt. Dies betraf insbesondere die Möglichkeit der Zusammenveranlagung und die damit verbundene Anwendung des Splittingverfahrens.
Sämtliche Länder mit Ausnahme Sachsen-Anhalts und des Freistaats Sachsen änderten infolge der neuen Rechtslage noch im Jahr 2014 ihre jeweiligen Kirchensteuergesetze mit Wirkung schon für den damals laufenden Veranlagungszeitraum 2014. Danach konnten auch eingetragene Lebenspartner zum besonderen Kirchgeld herangezogen werden. Doch in Sachsen kam eine entsprechende Änderung erst für Veranlagungsräume ab 2016.
Das BVerfG bejaht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (Beschluss vom 15.10.2024 – 2 BvL 6/19). Der Umstand, dass Ehegatten zum besonderen Kirchgeld herangezogen werden konnten, Lebenspartner jedoch nicht, stelle eine rechtfertigungsbedürftige, mittelbare Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung dar. Die Entscheidung einer Person für eine Ehe oder eine ein getragene Lebenspartnerschaft sei nämlich kaum trennbar mit ihrer sexuellen Orientierung verbunden, so die Karlsruher Richter.
Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt
Das BVerfG sah auch keine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung. Die Ehe und die eingetragene Lebenspartnerschaft seien in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich verfasste Lebensformen und wiesen in ihren Grundstrukturen bereits seit Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 nur wenige Unterschiede auf. So treffe der dem besonderen Kirchgeld zugrunde liegende Gedanke, dass sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einer Kirche angehörenden Ehegatten durch ein hohes Einkommen seines keiner Kirche angehörenden Ehegatten erhöht, auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften zu.
Da inzwischen auch Lebenspartner bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Zusammenveranlagung wählen können, stehe nunmehr – wie bei Ehegatten – das gemeinsam zu versteuernde Einkommen als Hilfsmaßstab für die Bemessung des Lebensführungsaufwands zur Verfügung. Für eine Schlechterstellung der Ehe seien damit keine hinreichend gewichtigen Sachgründe ersichtlich, so die Richterinnen und Richter.
Die Ungleichbehandlung könne auch nicht im Hinblick auf eine etwaige Typisierungsbefugnis des Landesgesetzgebers gerechtfertigt werden. Typisierung bedeute, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Sähe man in den von § 4 Abs. 1 Nr. 5 SächsKiStG a.F. erfassten Sachverhalten aber eine Typisierung, so müssten die dort allein aufgeführten Ehen als gesetzliches Leitbild einer institutionalisierten Verantwortungsgemeinschaft verstanden werden, an deren Bestehen die Besteuerung anknüpfe. Dies sei indes nicht der Fall, so das Verfassungsgericht. Auch könne eine so verstandene Typisierung nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden, weil sie mittelbar an die sexuelle Orientierung anknüpfe.
Zeit zur Änderung bis Mitte Juni 2025
Das BVerfG hat die Regelung explizit nur für die Zeiträume von 2014 und 2015 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber muss den festgestellten Verfassungsverstoß nun für die Veranlagungszeiträume 2014 und 2015 rückwirkend beseitigen – und zwar bis zum 30. Juni 2025.
Für die Veranlagungszeiträume bis zum 31. Dezember 2013 bleibt die Vorschrift dagegen weiter anwendbar. Denn erst mit der Einführung der Möglichkeit der Zusammenveranlagung auch für eingetragene Lebenspartnerschaften durch den Bundesgesetzgeber sei ersichtlich gewesen, dass die bislang nur bei zusammenveranlagten Ehegatten vorgesehene Erhebung des besonderen Kirchgelds gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Erst dann sei es dem Landesgesetzgeber möglich gewesen, die gesetzliche Grundlage für die Einbeziehung der Lebenspartner in die Erhebung des besonderen Kirchgelds zu schaffen. Hierbei sei ihm eine Frist zur Anpassung der Rechtslage bis zum 31.12.2013 einzuräumen gewesen.