Gericht hält gesetzliche Mindeststrafe für verfassungswidrig: BVerfG ist anzurufen

Das BayObLG hielt § 184b Abs. 3 StGB a.F., der für den Besitz von Kinderpornografie eine Mindeststrafe von einem Jahr vorsah, für verfassungswidrig, rief aber nicht das BVerfG an, weil es die Gültigkeit der Norm als nicht entscheidungsrelevant ansah. Damit verletzte es das Recht auf den gesetzlichen Richter, so das BVerfG.

Ein Mann wurde 2023 wegen Besitzes kinderpornografischer Inhalte rechtskräftig zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt. Einschlägiger Tatbestand ist § 184b Abs. 3 StGB. Der wurde in kurzer Zeit zweimal geändert: 2021 wurde der Strafrahmen deutlich auf ein bis zu fünf Jahren verschärft, 2024 wurde die Mindeststrafe dann durch eine erneute Änderung auf drei Monate abgesenkt, um besonderen, weniger gravierenden Fallkonstellationen Rechnung zu tragen. Die Verurteilung des Mannes basierte auf der Verschärfung von 2021.

Das BayObLG, das die Revision des Mannes verwarf, war von der Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Normfassung überzeugt, hielt eine Richtervorlage an das BVerfG aber nicht für erforderlich, weil es der Gültigkeit der Norm keine Entscheidungsrelevanz beimaß. Es meinte, die LG-Kammer wäre – vor allem wegen einer einschlägigen Vorstrafe des Mannes – auch im Fall einer geringeren Mindeststrafe zu keiner niedrigeren Strafe gelangt.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Mann unter anderem eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG). Mit Erfolg – das BVerfG hat den Beschluss des BayObLG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen (Beschluss vom 25.07.2025 2 BvR 618/24). Das BayObLG hätte die Norm dem BVerfG vorlegen müssen, nachdem es von deren Verfassungswidrigkeit überzeugt gewesen sei.

Mit seiner Annahme, auf die Gültigkeit der Norm komme es nicht an, habe es die Grenzen der vertretbaren Rechtsanwendung überschritten, rügt das BVerfG. Das BayObLG habe missachtet, dass der gesetzlich vorgegebene Strafrahmen als Orientierungsrahmen für die richterliche Abwägung nach Tatunrecht und Schuldmaß diene. Es sei nicht nachvollziehbar, wie es ein anderes Ergebnis der Berufungskammer bei Einordnung der Tat in einen Strafrahmen mit einer anderen Untergrenze habe ausschließen können. Unklar sei außerdem auch, auf welche "geringere Mindeststrafe" sich das BayObLG beziehe.

BVerfG, Beschluss vom 25.07.2025 - 2 BvR 618/24

Redaktion beck-aktuell, hs, 1. Oktober 2025.

Mehr zum Thema