Viel guter Wille und hehre politische Absichten helfen beim Erlass von Gesetzen nicht über fehlende Gesetzgebungskompetenz hinweg. Das musste das Land Berlin mit seinem "Mietendeckel", den das BVerfG am 25.3.2021 für nichtig erklärt hat, auf die harte Tour – und mit schmerzlichen Auswirkungen für viele Betroffene – erfahren. Die Lernkurve des Abgeordnetenhauses scheint leider flach zu sein: Mehr als ein Jahr nach dieser Entscheidung hat es ein Gesetz zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes erlassen, für das ihm schon im Vorfeld in etlichen sachverständigen Stellungnahmen u.a. die Gesetzgebungskompetenz abgesprochen und dem im Übrigen eine Verletzung der Wissenschaftsfreiheit attestiert wurde.
Nun hat das BVerfG dieses Gesetz für nichtig erklärt – auf Grund fehlender Gesetzgebungskompetenz und wegen eines daraus resultierenden Verstoßes gegen die Wissenschaftsfreiheit (Beschluss vom 25.06.2025 - 1 BvR 368/22). Man ist geneigt, Louis de Funès zu zitieren: "Nein! – Doch! – Oh!".
HU-Präsidentin trat wegen Hochschulgesetz zurück
Worum geht es? Dauerstellen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Hochschulen sind in Deutschland rar gesät. Eine dauerhafte berufliche Perspektive in der Wissenschaft setzt regelmäßig voraus, eine Professur zu erlangen. Im sogenannten akademischen Mittelbau ist die weit überwiegende Zahl der Stellen befristet; die maximale Dauer der Befristung wird durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) des Bundes begrenzt. Auf diese Weise soll bewusst personelle Fluktuation bewirkt werden, um erstens den kontinuierlichen Zufluss an neuen Ideen zu sichern und zweitens auch zukünftigen Generationen die Chance auf Promotions- oder Habilitationsstellen zu geben. Die Einwände gegen diese Entscheidung sind seit einigen Jahren lauter geworden, besonders durch die medial sehr wirksame "IchBinHanna"-Bewegung. Eine Reform des WissZeitVG ist seit längerer Zeit geplant, realisiert wurde sie bisher freilich nicht.
Das Land Berlin wollte das Problem daher auf eigene Faust lösen. Es hat 2021 eine später noch einmal geänderte Regelung (primär relevant: § 110 Abs. 6 S. 2 BerlHG) in sein Hochschulgesetz aufgenommen, nach der die befristete Beschäftigung in der sogenannten Postdoc-Phase – also nach der Promotion – bei Erreichen bestimmter weiterer Qualifikationen faktisch in einer Vielzahl von Fällen einen Anspruch auf eine unbefristete Stelle bewirkt hätte. Dagegen hatte die Humboldt-Universität zu Berlin Verfassungsbeschwerde zum BVerfG eingelegt. Später trat die Präsidentin der Humboldt-Universität, Sabine Kunst, aus Protest gegen diese Regelung zurück.
Niederlage vor BVerfG war absehbar
Die Nichtigerklärung dieser Regelung durch das BVerfG beruht im Kern auf der fehlenden Gesetzgebungskompetenz. Auf diese kommt es im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde allerdings erst an, soweit der Staat in ein Grundrecht eingreift: Dann führt die fehlende Kompetenz nach der sogenannten Elfes-Konstruktion dazu, dass die Rechtfertigung des Eingriffs misslingt.
So lagen die Dinge hier. Das BVerfG qualifiziert Personalentscheidungen mit Blick auf Hochschullehrer und wissenschaftliche Mitarbeiter – zu Recht – als wissenschaftsrelevant. Folglich greift die Pflicht, allen befristet eingestellten promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Dauerbeschäftigung anbieten zu müssen, in die Wissenschaftsfreiheit ein. Sie nimmt – in den Worten des Gerichts – "den Hochschulen die Möglichkeit, eigenverantwortlich zu entscheiden, ob und welche promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter sie nach erfolgreichem Abschluss der Qualifikationsphase weiter beschäftigen. Sie müssen vielmehr alle wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dauerhaft übernehmen, die dies möchten. Dies verkürzt unmittelbar die Freiheit der Hochschulen zur Auswahl des wissenschaftlichen Personals".
Die Rechtfertigung dieses Eingriffs scheitert bereits an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz. Die Regelung gehört zur Materie Arbeitsrecht und damit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zur konkurrieren Gesetzgebung. Regelungsbefugnisse der Länder bestehen nur, soweit der Bund von diesem Titel keinen Gebrauch macht (Art 72 Abs. 1 GG). Eine solche abschließende Regelung erblickt das BVerfG – wiederum zu Recht – in § 2 Abs. 1 S. 2 WissZeitVG, der eine Befristung nach abgeschlossener Promotion ausdrücklich für zulässig erklärt. Für die angegriffene Regelung war daher schon kompetenziell kein Raum. Ihre Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz war absehbar, die Nichtigerklärung folgerichtig.
Eine Reform ist nötig, aber mit Augenmaß
Eine Änderung der bestehenden Regeln schließt das nicht aus. Handeln müsste aber (zumindest zunächst) der Bund – sei es durch eine Öffnung seiner Regeln für landeseigene Lösungen, sei es durch eine Reform des WissZeitVG. Darüber, dass es hier Änderungsbedarf gibt, dürfte mittlerweile weitgehende Einigkeit bestehen. Zu der von einigen politischen Akteurinnen und Akteuren offenbar gewünschten mehr oder weniger flächendeckend angelegten Schaffung von Dauerstellen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber sollte bzw. wird es dabei nicht kommen. Eine solche Lösung hätte gewichtige Nachteile – und sie wäre mit der Wissenschaftsfreiheit nicht vereinbar.
Will man weitere Lebenszeitstellen schaffen, sollte man im Hinblick auf die Chancen nachfolgender Absolventengenerationen auf Qualifikationsstellen mit Augenmaß vorgehen. Anders als in Fächern mit einem relevanten Arbeitsmarkt außerhalb der Hochschule, in denen andere Möglichkeiten bestehen, als dauerhaft auf einer Mittelbaustelle zu verharren, existiert in Fächern mit geringer Marktgängigkeit die reale Gefahr, vorhandene und nicht vermehrbare Stellen auf Jahrzehnte hinaus zu belegen. Nachfolgenden Absolventinnen und Absolventen stehen diese Stellen als Qualifikationsstellen dann nicht mehr zur Verfügung. Das ist nicht allein ein Problem der Generationengerechtigkeit.
Das BVerfG verweist in seiner aktuellen Entscheidung zum Berliner Hochschulgesetz ausdrücklich auf seine schon 1996 getätigten Aussagen zur Bedeutung einer Befristung von Mitarbeiterstellen für die Wissenschaftsfreiheit. Damals hatte es formuliert, Arbeitsverhältnisse, die Gelegenheit zur wissenschaftlichen Weiterbildung nach Beendigung eines Studiums gäben, seien zur sachgerechten Förderung des akademischen Nachwuchses unentbehrlich. Professionelle wissenschaftliche Arbeitsweisen könnten schwerlich anders als in täglicher Berufsarbeit erlernt und eingeübt werden. Dieser Sinn verflüchtige sich, wenn das Arbeitsverhältnis über einen gewissen Zeitraum hinaus andauere. Der Einübungseffekt nutze sich ab; jede vorberufliche Lernphase müsse einmal zu Ende gehen. Kontinuierliche Nachwuchsförderung in Arbeitsverhältnissen könne zudem nur betrieben werden, wenn die beschränkt vorhandenen Stellen immer wieder frei würden.
Darauf nimmt das Gericht nun Bezug und spricht die schon seinerzeit naheliegende Schlussfolgerung ausdrücklich aus: Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erfordere "die Möglichkeit zur generellen Befristung der Beschäftigungsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals auf Qualifikationsstellen".
Diese Aussage sollte man bei der Interpretation der jüngsten Entscheidung und bei den weiteren Überlegungen zur Reform des WissZeitVG nicht übersehen. Zwar wurde die Berliner Regelung vom BVerfG letztlich nur aus formellen Gründen für nichtig erklärt. Einer materiellen Prüfung wurde sie in Karlsruhe nicht unterzogen. Das sollte aber nicht im Sinne eines inhaltlichen Freibriefs für den Gesetzgeber missverstanden werden.
Prof. Dr. Dr. h.c. (TSU Tiflis) Christian von Coelln ist Direktor des Instituts für Deutsches und Europäisches Wissenschaftsrecht der Universität zu Köln.