Klagen auch ohne beSt: BVerfG hilft Steuerberatern in der Übergangszeit
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Das BVerfG hat zwei Entscheidungen aufgehoben, die eine Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) bereits ab dem 1. Januar 2023 annahmen. Zu diesem Zeitpunkt war der Zugang jedoch noch nicht flächendeckend verfügbar.

Ein Steuerpflichtiger hatte im Januar 2023 – innerhalb der laufenden Klagefrist – vertreten durch seine Steuerberaterin auf dem Postweg Klage beim FG erhoben. In einem beigefügten Anschreiben wies die Bevollmächtigte darauf hin, dass ihr eine elektronische Einreichung der Klage über das beSt nicht möglich sei, da ihr der erforderliche Registrierungsbrief noch nicht vorliege.

Das Gericht wies die Klage jedoch trotzdem als unzulässig ab. Denn seit dem 1. Januar 2023 sei die Klage über das beSt zwingend in elektronischer Form einzureichen. Das habe die Steuerberaterin nicht getan und daher innerhalb der Klagefrist keine Klage wirksam eingereicht. Das Gericht lehnte auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist ab und verwies darauf, dass die Steuerberaterin die Möglichkeit gehabt hätte, über das sogenannte "Fast Lane"-Verfahren eine vorgezogene Versendung des Registrierungsbriefs zu erwirken. Ihr habe auch klar sein müssen und ihr sei es ausweislich ihres Anschreibens zur Klageschrift auch klar gewesen, dass sie ab dem 1. Januar 2023 nur noch in elektronischer Form werde Klage erheben können. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung blieb vor dem BFH erfolglos (Beschluss vom 28.04.2023 - XI B 101/22).

Nach einer Neuregelung im Steuerberatungsgesetz muss die Bundessteuerberaterkammer ab dem 1. Januar 2023 für alle Steuerberaterinnen und Steuerberater ein elektronisches Postfach empfangsbereit zur Verfügung stellen. Im Herbst 2022 gab die Kammer allerdings bekannt, dass sie es nicht schaffen werde, alle Steuerberater bereits zum 1. Januar 2023 mit einem beSt-Zugang auszustatten. Der Versand der Briefe mit dem Registrierungscode beginne erst im Januar 2023. 

Nutzungspflicht setzt tatsächlich verfügbaren Zugang voraus

Die Richterinnen und Richter des BVerfG sahen in der Entscheidung des FG eine Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG. Das Gericht habe die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist überspannt und dem Beschwerdeführer die Wahrnehmung seiner Rechte in unzumutbarer Weise erschwert (Beschluss vom 23.06.2025 – 1 BvR 1718/24).

Es hätte berücksichtigen müssen, dass zum Jahreswechsel 2022/2023 eine komplexe Übergangssituation bestand, in der die flächendeckende Freischaltung der beSt-Zugänge nicht möglich war. Zudem habe es nicht beachtet, dass die Bundessteuerberaterkammer die Verwendung des "Fast Lane"-Verfahrens bis Ende Januar 2023 stets als freiwillig bezeichnet hatte, so das Gericht.

Aus dem Anschreiben zur Klageschrift lasse sich auch nicht herauslesen, dass die Steuerberaterin eindeutige Kenntnis einer bereits bestehenden Nutzungspflicht gehabt habe. Vielmehr könnten ihre Worte auch die Rechtsauffassung beschreiben, dass die Pflicht zur Nutzung des beSt erst mit dem Erhalt des persönlichen Registrierungsbriefs beginnt.

Rechtliches Gehör des Steuerpflichtigen verletzt

Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH verletzte nach Ansicht des BVerfG auch das rechtliche Gehör des Steuerpflichtigen gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Der Steuerpflichtige hatte in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ausführlich dargelegt, warum die Interpretation des Finanzgerichts zum Inhalt des Anschreibens fehlerhaft sei. Dieser Vortrag habe eine zentrale Frage des Verfahrens betroffen, erklärte das BVerfG. Der BFH habe sich jedoch inhaltlich nicht mit diesem Kernvortrag auseinandergesetzt und keine Entscheidung hierzu getroffen.

Das BVerfG hob daher sowohl das Urteil des FG als auch den Beschluss des BFH auf und verwies die Sache zur weiteren Entscheidung zurück an das FG.

BVerfG, Beschluss vom 23.06.2025 - 1 BvR 1718/24

Redaktion beck-aktuell, cil, 18. Juli 2025.

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