Die pharmazeutischen Unternehmerinnen wandten sich unter anderem gegen mehrere Regelungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, darunter den Herstellerabschlag, die Verlängerung des Preismoratoriums, die sogenannten Leitplanken für Preisabschläge bei neuen patentgeschützten Arzneimitteln, den Geltungsbeginn des Erstattungsbetrags bei erstmaligem Inverkehrbringen eines Arzneimittels mit neuem Wirkstoff und den Kombinationsabschlag. Sie sahen dadurch ihre Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.
Das Gericht erklärte, dass die Verfassungsbeschwerden teilweise unzulässig seien, da die Wahrung der Subsidiarität nicht ausreichend dargelegt und keine substantiierte Grundrechtsverletzung aufgezeigt worden sei. Soweit die Beschwerden zulässig waren, seien sie unbegründet. Die Maßnahmen zur Arzneimittelpreisregulierung seien gerechtfertigt, da das gesetzgeberisch angestrebte Gemeinwohlziel der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung in der vorzunehmenden Interessensabwägung überwiege, so die Richterinnen und Richter (Beschluss vom 07.05.2025 – 1 BvR 1507/23, 1 BvR 2197/23).
BVerfG: Regulierte Preise für Unternehmer zumutbar
Der Herstellerabschlag, der für das Jahr 2023 einen Abschlag von 12% des Abgabepreises ohne Mehrwertsteuer vorsieht (§ 130a Abs. 1b SGB V), sei geeignet, die Arzneimittelausgaben zu senken und damit zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung beizutragen. Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei verhältnismäßig, da es sich um einen mäßigen Eingriff handele und das Ziel von überragender Bedeutung sei. Das BVerfG verwies darauf, dass gesetzliche Kostendämpfungsmaßnahmen im solidarischen Gesundheitssystem grundsätzlich hinzunehmen seien. Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass insbesondere patentgeschützte Arzneimittel einen überproportionalen Beitrag zu den Ausgabensteigerungen leisten, sei nachvollziehbar und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Auch die Einbeziehung von Arzneimittelimporteuren in den Anwendungsbereich des Herstellerabschlags hält das BVerfG für sachlich gerechtfertigt. Denn auch Parallelimporte trügen zur Ausgabenentwicklung bei. Ein Ausschluss hätte die beabsichtigte Wirkung der Regelung, insbesondere den Preisabstand zwischen Originalarzneimitteln und Importen zu erhalten, beeinträchtigt.
Das verlängerte Preismoratorium (§ 130a Abs. 3a SGB V), das eine gesetzliche Preisobergrenze für Arzneimittel festlegt und bis Ende 2026 gilt, sei ebenfalls angemessen. Zwar handele es sich um einen erheblichen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit. Dieser sei jedoch durch das Gemeinwohlziel gerechtfertigt. Die Richterinnen und Richter betonten, dass pharmazeutische Unternehmerinnen und Unternehmer Teil eines beitragsfinanzierten Sachleistungssystems seien, das ihnen stabile Nachfrage sichere und sie zugleich einer sozialpolitischen Gesetzgebung in besonderem Maße unterwerfe. Nach Ansicht des BVerfG kann in einem weitgehend regulierten Versorgungssystem wie der gesetzlichen Krankenversicherung kein schutzwürdiges Vertrauen auf dauerhaft freie Preisbildung entstehen. Auch eine Erdrosselungswirkung sei nicht erkennbar – weder für einzelne Unternehmen noch für den Gesamtmarkt.
Fachgerichtliche Klärung vorrangig
Die Regelungen zu Preisabschlägen bei neuen patentgeschützten Arzneimitteln (§ 130b Abs. 3 SGB V), zum Geltungsbeginn des Erstattungsbetrags (§ 130b Abs. 3a Sätze 1 und 2 SGB V) und zum Kombinationsabschlag (§ 130e SGB V) sind laut Gericht teilweise unzulässig angegriffen worden. Die pharmazeutischen Unternehmerinnen hätten nicht ausreichend dargelegt, warum sie vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde keine fachgerichtlichen Verfahren geführt oder ein gesetzlich vorgesehenes Schiedsverfahren durchgeführt hätten (vgl. § 130b Abs. 4 SGB V).
Das BVerfG betonte, solche Verfahren könnten eine verbesserte Entscheidungsgrundlage bieten, insbesondere im Hinblick auf möglicherweise entscheidungserhebliche Tatsachenfragen. So sei unter anderem zu berücksichtigen, dass häufig Mischpreise verhandelt würden, weil die Nutzenbewertung für verschiedene Patientengruppen oder Anwendungsgebiete unterschiedlich ausfalle. Von der Praxis der Mischpreisbildung und einer sich daran anschließenden fachgerichtlichen Rechtsprechung könne es abhängen, inwieweit die pharmazeutischen Unternehmerinnen insgesamt durch die angegriffenen Regelungen tatsächlich beschwert seien.
Auch beim Kombinationsabschlag sei zunächst eine Auslegung durch Fachgerichte erforderlich, da die Auslegung und Anwendung der neuen Norm rechtlich noch nicht geklärt sei. Auch Arzneimittelimporteure müssten sich zunächst um fachgerichtlichen Rechtsschutz bemühen – selbst wenn die Rechtsschutzmöglichkeiten für sie bislang nicht gerichtlich geklärt seien.