"Deine Frau, sie ist der Mann im Haus, fliegt alleine in den Urlaub (sie bläst). Rappst von Carlo Koks und Nutten, aber gehst nur mit den Bullen raus." Diesen Vers aus seinem Track Noname durfte der Berliner Rapper Patrick Losensky, alias Fler, unverändert lassen. Der Song, in dem Fler seinen Erzfeind in der Rap-Welt Bushido verunglimpft, entstand 2019 als nächste Eskalationsstufe im jahrelangen Streit der beiden Musiker. Die Zeilen beziehen sich auch auf Bushidos Ehefrau Anna Ferchichi.
Anders lag die Sache allerdings aus Sicht des LG München I bei einigen Textzeilen aus Noname, die sich auf die vier gemeinsamen Kinder des Paars bezogen. Fler deutet darin an, sein Kontrahent Bushido sei nicht der leibliche Vater der Kinder. Vielmehr komme für diese Rolle jeder Fußballspieler aus dem Kader des SC Werder Bremen in Frage. Weil er damit die Persönlichkeitsrechte der Kinder verletzte, hatte das LG München I einstweilen das Verbreiten der entsprechenden Textzeilen untersagt (Urteil vom 11.12.2019 - 25 O 16530/19).
An dieses Verbot fühlte sich der Rapper allerdings nicht wirklich gebunden. Seine wiederholten Verstöße gegen das Unterlassungsgebot brachten Fler bereits in fünf Fällen ein Ordnungsgeld ein. Mit dem jüngsten Verstoß musste sich nun sogar das BVerfG befassen (Beschluss vom 19.12.2024 - 1 BvR 1425/24). Das jedoch befand, einen Grundrechtsverstoß habe Fler nicht ausreichend dargelegt und erließ einen Nichtzulassungsbeschluss.
LG: Rapper muss sich Fangesang zurechnen lassen
Der Fall lag insofern anders als die vorangegangen, als Fler dieses Mal die Textzeilen größtenteils nicht selbst gesungen hatte. Stattdessen hatte er bei mehreren Konzerten das Publikum zu Wort kommen lassen, indem er der Menge das Mikrofon entgegenstreckte. Später teilte er auf X ein Video, in dem die Fans inbrünstig die verbotenen Zeilen für ihn singen.
Das reichte dem LG München I als Verstoß gegen das Unterlassungsgebot. Es verhängte ein Ordnungsgeld von 65.000 Euro, das später vom OLG bestätigt wurde. Fler habe sein Publikum durch die Mikrofon-Geste zum Singen ermuntert und darüber hinaus darauf verzichtet, an der entsprechenden Stelle im Lied eine alternative Textzeile einzufügen. Auch wenn hier Dritte gegen das Unterlassungsgebot verstoßen hätten, sei dies Fler zuzurechnen. Ihn treffe ein Verschulden schon deshalb, weil er seine Fans nicht davon abgehalten hatte, die Passagen zu wiederholen.
BverfG sieht keinen Verstoß gegen Schuldgrundsatz
Mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen beide Beschlüsse war Fler nun nicht erfolgreich. Der Rapper machte geltend, die Münchener Gerichte hätten gegen den Schuldgrundsatz aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen. Sie hätten nicht gewürdigt, dass Fler selbst gerade nicht mitgesungen habe. Was das Publikum ohne eine konkrete Aufforderung seinerseits tue, sei kein schuldhaftes Verhalten des Rappers.
Das reichte dem BVerfG nicht, das den Vortrag für unsubstantiiert hielt. Fler hätte vielmehr darlegen müssen, warum seine Mikrofon-Geste keine Aufforderung gewesen sei. Ferner sah das Gericht auch nicht die Kunstfreiheit des Rappers nach Art. 5 Abs. 3 GG verletzt. Hier hatte Fler vorgetragen, dass das Publikum einzelne Passagen nicht mitsingen dürfe, käme einem Verbot des ganzen Musikstücks gleich.
Vorheriges Verfahren lief noch: Kein Verstoß gegen Doppelahndungsverbot
Schließlich hat Fler noch eine weitere Grundrechtsverletzung vorgebracht: Das Verbot der Doppelahndung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG sei verletzt worden. Denn gegen den Rapper läuft noch ein weiteres Ordnungsmittelverfahren wegen Verstoßes gegen dieselbe Unterlassungspflicht. Damals hatte Fler nämlich bereits ein Video eines anderen Nutzers auf Instagram geteilt, in dem die verbotenen Zeilen zu hören gewesen waren.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf derselbe Vorgang nicht mehrmals mit der gleichen Maßnahme bestraft werden. Hier sah das BVerfG jedoch kein Problem. Flers Verhalten bei den Konzerten stellten einen neuen, von dem vorherigen Ordnungsmittelverfahren zu unterscheidenden, Sachverhalt dar. Auch das Verbreiten des Videomitschnitts über X sei inhaltlich nicht mit dem Teilen auf Instagram identisch, da zwei verschiedene soziale Netzwerke genutzt worden seien und die Videos unterschiedliche Szenen gezeigt hätten. Es würden daher zwei voneinander unabhängige Verstöße geahndet, weshalb keine Doppelahndung vorliege.