Das BVerfG hatte schon 2016 zu den umfangreichen Befugnissen der Sicherheitsbehörden geurteilt - und sie teils für verfassungswidrig erklärt. Das BKA-Gesetz musste deshalb geändert werden. Die neue Fassung ist seit Mai 2018 in Kraft.
Diese musste das BVerfG nun einer Prüfung unterziehen. Unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hatten zwei Rechtsanwältinnen, ein politischer Aktivist und zwei Fußball-Fans Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie rügten mehrere Befugnisse zur Datenerhebung und -speicherung. Der Erste Senat des BVerfG hat den Verfassungsbeschwerden zum Teil stattgegeben (Urteil vom 01.10.2024 - 1 BvR 1160/19). Zwei der monierten Regelungen seien teilweise mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) unvereinbar.
Zum einen beanstandet das BVerfG eine Vorschrift, die dem BKA die heimliche Überwachung von Kontaktpersonen Terrorverdächtiger erlaubt (§ 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BKAG). Heimliche Überwachungsmaßnahmen hätten ein besonders schweres Eingriffsgewicht. Deshalb erfordere ihr Einsatz selbst gegenüber der verantwortlichen Person eine wenigstens konkretisierte Gefahr für ein hinreichend gewichtiges Rechtsgut. Richteten sich heimliche Überwachungsmaßnahmen nur gegen Kontaktpersonen, müsse "eine spezifische individuelle Nähe der Betroffenen zu der aufzuklärenden Gefahr" hinzutreten. Dem genüge die Regelung nicht. Es fehle bereits an der "notwendigen Gefahrnähe der in Bezug genommenen verantwortlichen Person". Denn wegen der Bezugnahme über § 39 Abs. 2 Nr. 2 BKAG auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 BKAG liege die Eingriffsschwelle viel niedriger als für die heimliche Überwachung des Verdächtigen nach § 45 Abs. 1 S. 1 bis 3 BKAG.
Die zweite Regelung, die das BVerfG beanstandet, erlaubt es dem BKA, bereits erhobene personenbezogene Grunddaten im "polizeilichen Informationsverbund", einer föderalen Datenplattform, zu speichern (§ 18 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 13 Abs. 3, § 29 BKAG). Es gebe keine hinreichende Speicherschwelle für diese vorsorgende Datenspeicherung, rügt der Senat. Die Regelung lasse die Beschuldigteneigenschaft genügen. Diese lasse aber für sich allein keinen belastbaren Schluss auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer relevanten Beziehung zu zukünftigen Straftaten zu. Insbesondere sei fachrechtlich keine sogenannte Negativprognose vorgesehen. Es fehle zudem eine genügend ausdifferenzierte Regelung zur Speicherdauer.
Gesetz muss bis Ende Juli 2025 nachgebessert werden
Das Gesetz muss nun erneut nachgebessert werden. Bis zu einer Neuregelung gelten die Vorschriften mit bestimmten Maßgaben fort - längstens aber bis zum 31. Juli 2025. Bis zur Neuregelung dürften Kontaktpersonen nur überwacht werden, wenn die verdächtige Person eine der in § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis 3 BKAG geregelten Voraussetzungen erfülle, entschieden die Karlsruher Richterinnen und Richter. Die Datenspeicherung auf der Datenplattform bindet das BVerfG an eine Negativprognose: Das heißt, es ist eine Prognose auf Basis genügender tatsächlicher Anhaltspunkte erforderlich, dass Betroffene hinreichend wahrscheinlich eine strafrechtlich relevante Verbindung zu möglichen Straftaten aufweisen werden und dass gerade die gespeicherten Daten helfen können, sie zu verhüten und zu verfolgen.
Die GFF feierte das Urteil als "Erfolg für die Freiheitsrechte". Die Entscheidung stärke das Recht, über die eigenen Daten zu bestimmen und sei zudem eine Aufforderung an die Gesetzgeber in Bund und Ländern, neue Überwachungsbefugnisse ausreichend bestimmt und präzise zu formulieren.
"Gerade liegt mit dem Sicherheitspaket erneut ein Gesetz im Bundestag, das tiefgreifende Verschärfungen im Sicherheitsrecht vorsieht - wieder einmal weit über die Grenzen des Grundgesetzes hinaus", sagte GFF-Rechtsanwalt Bijan Moini. "Aus Respekt vor der Verfassung müssen diese grundrechtswidrigen Verschärfungen dringend zurückgestutzt werden - bevor es das Bundesverfassungsgericht wieder tut."