11 Klima-Verfassungsbeschwerden gegen Länder gescheitert
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11 Verfassungsbeschwerden junger Menschen für mehr Klimaschutz durch die Länder sind vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Die Grundrechte schützten zwar vor unverhältnismäßigen Belastungen in der Zukunft durch Verschiebung der Last zur Reduktion der CO2-Emissionen, so das BVerfG. Konkret fehle es jedoch bereits an Reduktionsmaßgaben für die Landesgesetzgeber, denen sich wenigstens grob landesspezifische CO2-Restbudgets entnehmen ließen.

Klima-Verfassungsbeschwerden gegen Länder

Eine Reihe junger Menschen rügte einen unzureichenden Klimaschutz durch die Länder. Sie machten mit ihren Verfassungsbeschwerden geltend, dass ihre künftige Freiheit nicht hinreichend geschützt werde, weil enorme CO2-Reduktionslasten auf sie zukommen könnten, ohne dass die Landesgesetzgeber die erforderlichen Maßnahmen getroffen hätten, um die Belastung einzudämmen. Sie monierten unter Berufung auf den Klima-Beschluss des BVerfG (BeckRS 2021, 8946) die Verletzung von Grundrechten in ihrer die Freiheit über die Zeit sichernden Dimension sowie teilweise eine Verletzung von Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG.

BVerfG: Rüge unzureichender CO2-Begrgenzung setzt eingriffsähnliche Vorwirkung voraus

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Es lasse sich nicht feststellen, dass die angegriffenen Regelungen des Landesrechts gegen die verfassungsrechtliche Verpflichtung verstoßen, die grundrechtsgeschützte Freiheit über die Zeit zu sichern und verhältnismäßig zu verteilen. Die Grundrechte schützten davor, dass die durch das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG und die grundrechtlichen Schutzpflichten gegen Klimawandelfolgen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG) aufgegebene Treibhausgasminderungslast einseitig auf spätere Zeiträume verlagert wird, wenn dies in der Zukunft zu unverhältnismäßigen Belastungen durch dann erforderliche Klimaschutzmaßnahmen führt. Die Beschwerdeführenden könnten sich gegen Regelungen wenden, die festlegten, welche Menge an CO2 in näherer Zukunft insgesamt emittiert werden dürfe, wenn dadurch für anschließende Zeiträume die grundrechtlich geschützte Freiheit eingriffsähnlich eingeschränkt wird, indem schon jetzt - nicht bloß faktisch, sondern auch rechtlich vorwirkend - über künftig unausweichliche Grundrechtsrestriktionen in Gestalt dann erforderlicher staatlicher Klimaschutzmaßnahmen mitbestimmt wird. Die Verfassungsbeschwerde müsse sich dabei grundsätzlich gegen die Gesamtheit der durch den adressierten Gesetzgeber zugelassenen Emissionen richten, weil regelmäßig nur diese, nicht aber punktuelles Tun oder Unterlassen des Staates die Reduktionlasten unverhältnismäßig auf die Zukunft verschieben könnte.

Mangels grob landesspezifischen CO2-Restbudgets keine Vorwirkung

Laut BVerfG kann dahinstehen, inwiefern es sich bei den angegriffenen Landesregelungen um solche gesamthaften Regelungen handele. Denn jedenfalls sei nicht ersichtlich, dass die angegriffenen Regelungen eingriffsähnliche Vorwirkung entfalten. Das setzte voraus, dass die mit den Verfassungsbeschwerden adressierten Gesetzgeber selbst jeweils einem grob erkennbaren Budget insgesamt noch zulassungsfähiger CO2-Emissionen unterlägen. Nur dann zögen die hier angegriffenen Landesregelungen im Anschluss an den geregelten Zeitraum rechtlich zwangsläufig jeweils eine bestimmte Emissionsreduktionslast und damit verbundene Freiheitsbeschränkungen nach sich. Den einzelnen Landesgesetzgebern sei jedoch keine wenigstens grob überprüfbare Gesamtreduktiongröße vorgegeben, die sie - auch auf Kosten grundrechtlich geschützter Freiheit - einzuhalten hätten. Eine solche landesspezifische Reduktionsmaßgabe sei derzeit weder dem Grundgesetz noch dem einfachen Bundesrecht zu entnehmen. Eine Verletzung der gegenüber den Beschwerdeführenden bestehenden Schutzpflichten vor den Gefahren des Klimawandels aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG könne nach der Entscheidung des Senats angesichts der bereits existierenden gesetzlichen Regelung auf Bundesebene derzeit nicht festgestellt werden. Es sei nicht ersichtlich, dass das Fehlen eines Landesklimaschutzgesetzes hieran etwas ändern könnte.

Umwelthilfe fordert schnelle Festlegung der Länderpflichten

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte die "klarstellenden Hinweise". Das Gericht betone, dass die Klimaschutzziele des Bundes ohne Durchführungsmaßnahmen und eigene Gesetzgebung in den Ländern gar nicht zu erreichen wären. Die DUH forderte die Bundesregierung auf, "schnellstmöglich transparent festzulegen, welche Beiträge die Länder für die Einhaltung des Pariser Abkommens zu leisten haben". Geklagt hatten mit Unterstützung der DUH Kinder und Jugendliche aus Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die elfte Verfassungsbeschwerde, die sich ebenfalls auf das NRW-Gesetz bezog, war von einer Einzelperson in Eigenregie eingereicht worden. Erst in der vergangenen Woche hatte die DUH eine neue Verfassungsbeschwerde junger Klägerinnen und Kläger vorgestellt, die auf eine weitere Verschärfung der deutschen Klimaschutzpolitik abzielt. Die Nachbesserungen am Bundesgesetz seien nicht ausreichend. Deshalb sollen jetzt konkrete Maßnahmen wie Tempolimits, eine wirksame Sanierung öffentlicher Gebäude und der stärkere Schutz von kohlenstoffspeichernden Ökosystemen eingeklagt werden.

BVerfG, Beschluss vom 18.01.2022 - 1 BvR 1565/21

Redaktion beck-aktuell, 1. Februar 2022 (ergänzt durch Material der dpa).