Keine wirksame Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips
Die EU und der Europäische Gerichtshof missachteten das Subsidiaritätsprinzip, nach dem möglichst die Mitgliedstaaten und nicht Brüssel zuständig sein sollten, moniert Müller. Tatsächlich friste das Subsidiaritätsprinzip in der EU ein völliges Schattendasein. Auch in der Rechtsprechung der Europarichter in Luxemburg spiele es nahezu keine Rolle. Die nationalen Parlamente könnten zwar nach den europäischen Verträgen Subsidiaritätsrügen und -klagen erheben, wenn sie sich übergangen glauben: "Beide Instrumente funktionieren aber ausgesprochen schlecht", so Müller. Angesichts der Fülle von Gesetzesvorlagen aus Brüssel sei kein Parlament in der Welt in der Lage, eine effektive Kontrolle auszuüben.
Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes im Interesse der europäischen Integration
Ein in Betracht zu ziehendes Europäisches Subsidiaritätsgericht könne fallweise aus Mitgliedern der nationalen Verfassungsgerichte gebildet werden, regte Müller an. Die Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes sei im Interesse der europäischen Integration, da es aufgrund der Flut europäischer Regelungen in den europäischen Bevölkerungen mittlerweile ein relevantes Empfinden sachlich nicht gebotener Fremdbestimmung gebe, das wesentlich zum Erfolg europafeindlicher Populisten beitrage.
Müller auch für "Entrümpelungsoffensive" im Grundgesetz
Auch in Deutschland sieht Müller ein Übermaß an Regelungen, vor allem weil der Bund auf Kosten der Länder zu viele Kompetenzen an sich gezogen habe: "Die Krise des Föderalismus auf nationaler Ebene ist unübersehbar." Überdies gibt es nach Müllers Ansicht im Grundgesetz zu viele überflüssige Regelungen, etwa zu Optionskommunen oder der Eisenbahnverwaltung: "Verfassungspolitisch wäre es daher an der Zeit für eine Entrümpelungsoffensive." Im Strafrecht habe die Politik ebenfalls eine Tendenz, unnötige Spezialtatbestände einzuführen – etwa kürzlich gegen das Doping im Sport oder, wie von der Regierungskoalition geplant, gegen den "Stallfriedensbruch".