BVerfG soll zu rechtlicher Anerkennung von "Mit-Müttern" entscheiden
Lorem Ipsum
© Jenny Sturm / stock.adobe.com

Das Oberlandesgericht Celle hält die gesetzliche Regelung des Abstammungsrechts in § 1592 BGB für verfassungswidrig. Die gleichgeschlechtliche Partnerin einer Mutter kann danach die Rechte und Pflichten des zweiten Elternteils nicht von Gesetzes wegen mit der Geburt des Kindes, sondern allenfalls über eine Adoption erlangen. Das OLG hat dem Bundesverfassungsgericht den Fall zur Entscheidung vorgelegt.

Erklärung zu Absicherung des Kindes abgegeben

Die Antragstellerinnen des Verfahrens vor dem OLG leben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und sind verheiratet. Eine der beiden Partnerinnen wurde mittels einer grundsätzlich anonymen Keimzellenspende schwanger. Die andere Partnerin erkannte vor der Geburt des Kindes in einer notariell beurkundeten Erklärung an, "Mit-Mutter" zu sein. Sie bekräftigte dort, "dass sie unbedingt, uneingeschränkt und von Geburt an die Eltern-Verantwortung für das Kind (…) übernehmen" wolle. Die Erklärung diene der Absicherung des Kindes.

Feststellung der "Mit-Mutterschaft" abgelehnt

Nach der Geburt lehnten das zuständige Standesamt und das Amtsgericht Hildesheim es unter Verweis auf die geltende Rechtslage ab, diese "Mit-Mutterschaft" festzustellen. Hiergegen haben sich die Antragstellerinnen mit der Beschwerde an das OLG gewandt. Sie wollen damit erreichen, dass die Ehefrau der Mutter als "Mit-Mutter" rechtlich anerkannt wird.

Geltende Rechtslage lässt keine andere Entscheidung zu

Das OLG hat in seinem Beschluss vom 24.03.2021 zunächst aufgezeigt, dass die begehrte Feststellung nach der geltenden Gesetzeslage nicht getroffen werden kann. Nach § 1591 BGB sei Mutter eines Kindes die Frau, die das Kind geboren hat. Nach § 1592 BGB sei Vater eines Kindes der Mann, der mit der Mutter verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.

Genetische Verwandtschaft als Voraussetzung

Auf die Ehefrau der Mutter könnten diese Grundsätze trotz der zwischenzeitlich erfolgten Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Ehen nicht übertragen werden. Diese Regelung basiere gemeinsam mit der Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung vielmehr auf der grundlegenden gesetzlichen Wertung, dass der rechtliche Vater mit dem Kind genetisch verwandt ist. Diese genetische Verwandtschaft fehle der "Mit-Mutter".

Gerichte an gesetzgeberische Entscheidung gebunden

Darüber hinaus habe der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, mit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe auch die abstammungsrechtlichen Fragen neu zu regeln. An diese gesetzgeberische Entscheidung seien die Gerichte gebunden und dürften sie nicht durch ihre eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzen. Insoweit stimmt das OLG mit der Auffassung des Bundesgerichtshofs überein, der
 in einem vergleichbaren Fall entschieden hatte, dass die Ehefrau der Mutter nicht mit der Geburt des Kindes dessen Mit-Elternteil wird (BeckRS 2018, 26815).

Verletzung verfassungsrechtlich geschützten Elternrechts

Im Gegensatz zum BGH geht das OLG Celle aber davon aus, dass die fehlende gesetzliche Regelung einer "Mit-Mutterschaft" die mit der Mutter verheiratete Antragstellerin in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt. Nach dieser Verfassungsnorm sind "die Pflege und Erziehung der Kinder (…) das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht." Diese Verpflichtung beruhe nach der Rechtsprechung des BVerfG darauf, dass die Eltern dem Kind das Leben gegeben haben und ihm sozial und familiär verbunden sind.

Wille zu unauflöslicher Übernahme von Verantwortung

Nach Ansicht des OLG Celle folgen aus diesen Gesichtspunkten nicht nur die Rechte und Pflichten leiblicher Eltern, sondern – in Fällen der Zeugung des Kindes im Wege einer anonymen Keimzellenspende – auch die Berechtigung und Verpflichtung der Partnerin der Mutter. Auch diese wolle im Einverständnis mit der Mutter für das aus der künstlichen Befruchtung hervorgehende Kind dauerhaft und unauflöslich Verantwortung übernehmen. Der gemeinsame Entschluss beider Partnerinnen sei in diesen Fällen die Voraussetzung dafür, dass neues Leben entstehe. Der hierdurch gegenüber dem Kind begründeten Verpflichtung folge zugleich das Recht, die Pflege und Erziehung des Kindes wahrnehmen zu können. Die Spender der Keimzelle brächten durch die anonyme Spende demgegenüber zum Ausdruck, diese Elternstellung gerade nicht einnehmen zu wollen. "Wie für leibliche Eltern gilt auch für Wunscheltern, dass gerade ihnen das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person, auch den Spendereltern", fasst das OLG seine Erwägungen zusammen.

OLG: Gesetzgeber verfassungsrechtlich zu Handeln verpflichtet

Aus denselben Gründen sei unter anderem auch das Grundrecht des betroffenen Kindes auf Gewährleistung von Pflege und Erziehung durch seine Eltern verletzt, meint das OLG. Es sieht hiernach eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers, die Elternstellung für solche "Mit-Eltern" gesetzlich zu begründen und näher auszugestalten. Es wies abschließend darauf hin, dass sich vergleichbare Fragen auch im Fall einer gleichgeschlechtlichen Ehe von zwei Männern stellen, die in dem vorliegenden Verfahren aber nicht zu bewerten seien.

OLG Celle, Beschluss vom 24.03.2021 - 21 UF 146/20

Redaktion beck-aktuell, 24. März 2021.