Bundesverfassungsgericht prüft milliardenschweren EU-Corona-Fonds
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Mit gemeinsamen Schulden wollen die EU-Staaten nach der Pandemie wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen. Insgesamt geht es um ein Volumen von 750 Milliarden Euro zu Preisen von 2018 - das sind inzwischen knapp 807 Milliarden Euro. In Deutschland steht das Aufbauprogramm jedoch noch unter Vorbehalt. Etliche Menschen haben gegen die deutsche Beteiligung in Karlsruhe geklagt. Über zwei dieser Klagen verhandelt nun das Bundesverfassungsgericht.

Kritiker verweisen auf fehlende Rechtsgrundlage für Fonds

Die Klagen richten sich gegen das Gesetz, mit dem der Bundestag einer deutschen Beteiligung an dem Aufbauprogramm "Next Generation EU" zugestimmt hat. Eine Klage kommt von einem Bündnis um den einstigen AfD-Gründer Bernd Lucke und wird von knapp 2.300 Menschen unterstützt. Die zweite hat ein einzelner Kläger eingereicht. Wegen des Wiederaufbaufonds hatten auch mehrere CDU-Abgeordnete in Karlsruhe geklagt. Außerdem gibt es eine Organklage der AfD-Bundestagsfraktion. Nach Auffassung der Kritikerinnen und Kritiker hat der Fonds keine Grundlage in den europäischen Verträgen. Außerdem warnen sie vor unkalkulierbaren Haftungsrisiken für den Bundeshaushalt. Daher hätte der Bundestag einer deutschen Beteiligung niemals zustimmen dürfen.

"Zäsur für die europäische Finanzarchitektur"

Im Dezember 2020 hatten die Staats- und Regierungschefs die EU-Kommission zur Aufnahme der Schulden ermächtigt. Es ist das erste Mal, dass die EU-Kommission derart große Summen als gemeinsame Schulden aufnimmt - und die EU-Staaten dafür gemeinschaftlich haften. Der Bundesrechnungshof sprach im März 2021 von einer "Zäsur für die europäische Finanzarchitektur" und warnte vor den Risiken für den Bundeshaushalt. Deutschland sei mit voraussichtlich rund 65 Milliarden Euro der größte Nettozahler. Sollten Staaten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, müssten die anderen über ihren Anteil am EU-Haushalt dafür einstehen.

Milliarden sollen in Klimaprojekte fließen

Knapp die Hälfte des Geldes wird als Darlehen vergeben, eine etwas kleinere Summe fließt in Zuschüsse. Der Rest wird über Programme im EU-Haushalt ausgereicht. Die Schulden sollen über Jahrzehnte aus dem Unionshaushalt zurückgezahlt werden - bis spätestens Ende 2058. Die Förderung kommt vor allem Projekten zugute, die eine umweltfreundlichere und digitalere Wirtschaft voranbringen. Jeder Staat musste dafür einen Plan mit konkreten Vorhaben vorlegen. Die größten Summen gehen an besonders hart getroffene Länder wie Italien und Spanien. Deutschland rechnete mit Zuschüssen von fast 26 Milliarden Euro netto. 90% davon sollen in Klimaprojekte und die digitale Transformation fließen.

Urteil frühestens in einigen Monaten

Für eben jene "riesige Umverteilung" fehlt nach Ansicht der Kläger die Grundlage in den europäischen Verträgen. Das BVerfG hatte die deutsche Beteiligung jedoch im Eilverfahren zunächst ermöglicht. Denn ein Stopp hätte wirtschaftlich und politisch viel Schaden angerichtet. Aus der Entscheidung vom April 2021 geht aber hervor, dass die Möglichkeit eines Verfassungsverstoßes durchaus im Raum steht. Im Einzelnen wird das nun im Hauptverfahren geprüft. Sollte der Zweite Senat unter Vizegerichtspräsidentin Doris König die Bedenken der Kläger teilen, wäre er verpflichtet, als nächsten Schritt den EuGH in Luxemburg einzuschalten. Mit dem Urteil dürfte frühestens in einigen Monaten zu rechnen sein.

Gitta Kharraz, 26. Juli 2022 (dpa).