Bundestagswahl: 15 Vereinigungen nicht als vorschlagsberechtige Partei anerkannt, was nun?
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Der Bundeswahlausschuss hat gesprochen: 41 Parteien dürfen vorläufig an der Wahl teilnehmen. Doch was ist mit den 15 Vereinigungen, die nicht anerkannt wurden? Auch sie haben noch eine Chance, wenn sie schnell sind und gute Argumente haben. Eine Vereinigung hat es schon versucht.

Wer darf an der Bundestagswahl teilnehmen? Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen, sich wählen lassen? Das dürfen Parteien. Was zuerst profan klingt, war auch vor der bevorstehenden Bundestagswahl am 23. Februar wieder für 15 Vereinigungen eine unüberwindbare Hürde. Der Bundeswahlausschuss hat sie nicht als wahlvorschlagsberechtigte Parteien anerkannt. Noch 2012 wäre diese Entscheidung endgültig gewesen, doch inzwischen gibt es Rechtsschutzmöglichkeiten – nur müssen die Vereinigungen dafür schnell sein.

Bundeswahlausschuss prüft: Wer darf Wahlvorschläge machen?

Anfang der Woche hatten die Bundeswahlleiterin, Ruth Brand, und ihr aus acht Beisitzern und zwei Mitgliedern des Bundesverwaltungsgerichts* bestehender Bundeswahlausschuss getagt. In einer öffentlichen Sitzung sichteten sie alle Beteiligungsanzeigen von Vereinigungen, die an der Bundestagswahl teilnehmen wollen und stellten fest, ob es sich bei ihnen um Parteien nach § 2 Abs. 1 PartG handelt – denn gemäß § 18 Abs. 1 BWahlG müssen sie diese Eigenschaft erfüllen (oder Wahlberechtigte sein), um Kandidaten für die Bundestagswahl vorschlagen zu dürfen.

Bei vielen ist das unstreitig. So hat der Bundeswahlausschuss etwa festgestellt, dass 10 Parteien im Deutschen Bundestag oder in einem Landtag seit deren letzter Wahl ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind (§ 18 Absatz 4 Nummer 1 BWahlG). Dazu zählen etwa SPD, CDU oder Die Grünen, aber auch das BSW und die Freien Wähler. Diese Parteien haben nun bis kommenden Montag Zeit, um Wahlvorschlage für die Bundestagswahl einzureichen.

Zu unbekannt, zu klein – keine Partei

Etwas kniffliger ist es bei kleinen oder neuen Vereinigungen. 31 von ihnen hat der Ausschuss als wahlvorschlagsberechtigt anerkannt. Das heißt: Sie haben sowohl die formellen Anforderungen an die Beteiligungsanzeige erfüllt als auch ihre Parteieigenschaft gemäß § 2 PartG nachgewiesen, den Ausschuss also überzeugt, dass sie etwa Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen und in der Öffentlichkeit auftreten, dabei ausreichend Mitglieder und eine gefestigte Struktur haben. Umstritten ist das übrigens nur selten: So war der Cannabis Social Club, eine Partei mit nur 42 Mitgliedern, neben der Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands dieses Mal die Einzige, die im Ausschuss auch eine Nein-Stimme bekommen hat. Im Ergebnis reichte es aber bei beiden für die Anerkennung. Die 31 müssen bis Montag neben den Wahlvorschlägen gemäß § 20 Abs. 2 S. 3, § 27 Abs. 1 S. 2 BWahlG auch ausreichend Unterstützungsunterschriften vorlegen, um an der Wahl teilnehmen zu können.

Doch was ist mit den 15 Vereinigungen, die nicht anerkannt wurden? Bei den meisten scheiterte es an den formellen Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 BWahlG. So hat etwa die Partei für Motorsport ihre Beteiligungsanzeige per Mail eingereicht, viele andere Vereinigungen haben es nicht geschafft, ihre Anzeige von den erforderlichen drei Vorstandsmitgliedern unterschreiben zu lassen oder haben kein Programm angefügt. So zum Beispiel auch die Identitäre Bewegung e.V. Die Partei der Rentner war dem Ausschuss dagegen zu unbekannt, Die Guten nicht ernsthaft genug und die Döner Partei hat nur 15 Mitglieder. An der Bundestagswahl dürfen sie deshalb nach der Entscheidung des Wahlausschusses nicht als Partei teilnehmen, sondern höchstens als Wählergruppe, die keine Landeslisten aufstellen darf.

Letzte Chance: Nichtanerkennungsbeschwerde

Das letzte Wort ist hier aber noch nicht unbedingt gesprochen. Die abgelehnten Vereinigungen haben noch eine Chance: Sie können vor das BVerfG ziehen, das gemäß Art. 94 Abs. 1 Nr. 4c GG über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei entscheidet (bis Ende 2024 noch Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG). Näheres regeln die §§ 96a bis 96d BVerfGG in Verbindung mit § 18 Abs. 4a BWahlG.

Geschaffen wurde die sogenannte Nichtanerkennungsbeschwerde erst 2012 durch das "Gesetz zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen". Sie war eine Reaktion des Gesetzgebers auf eine Rüge der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die den mangelnden Rechtsschutz vor Entscheidungen der Wahlorgane betraf. Denn bis dato gab es Rechtsschutz nur nach der Wahl – im Weg der Wahlprüfungsbeschwerde gemäß Art. 41 GG.

Damit kommt der Nichtanerkennungsbeschwerde Seltenheitswert zu, denn sie durchbricht den Grundsatz des nachgelagerten Rechtsschutzes in Wahlsachen. Sie soll Parteien, die zu Unrecht nicht anerkannt wurden, die Teilnahme an der Wahl ermöglichen und ist somit auf vorgelagerten Rechtsschutz – noch vor der Wahl – ausgelegt.

Kein Eilrechtsschutz, trotzdem ist Tempo angesagt

Dementsprechend muss alles sehr schnell gehen. Wollte etwa die Döner Partei eine Nichtanerkennungsbeschwerde einlegen, hätte sie dafür nur noch bis Samstag Zeit. Gemäß § 18 Abs. 4a BWahlG muss die Beschwerde binnen vier Tagen nach der Entscheidung des Wahlausschusses kommen. Ambitioniert, gerade für Kleinstparteien.

Doch auch das BVerfG muss sich ranhalten. Das Ergebnis seiner Prüfung muss normalerweise bis zum neunundfünfzigsten Tag vor der Wahl stehen. Kommt es nach einer Anhörung zu dem Schluss, dass der Wahlausschuss falsch lag, gilt die Vereinigung als wahlvorschlagsberechtigte Partei. Doch obwohl alles so flott geht, handelt es sich nicht um einstweiligen Rechtsschutz. Vielmehr spricht man bei der Nichtanerkennungsbeschwerde von einem "beschleunigten Hauptsacheverfahren". Deshalb prüft das Gericht auch nur die richtige Anwendung einfachen Rechts, nicht aber dessen Verfassungsmäßigkeit (Beschluss vom 22. Juli 2021 - 2 BvC 10/21).

Bis zur vorgezogenen Bundestagswahl sind es noch 37 Tage. Weil der Zeitplan seit der verlorenen Vertrauensfrage vom 16. Dezember erheblich gestrafft ist, hat das Bundesinnenministerium eine Verordnung erlassen, nach der die Fristen im BWahlG deutlich verkürzt werden. Danach muss die Entscheidung über eine eventuelle Nichtanerkennungsbeschwerde bis einen Monat vor der Wahl stehen, also bis zum 23. Januar.

Faktisch hat das BVerfG dadurch trotzdem weniger Zeit für seine Entscheidung, nämlich im Zweifel nur fünf (ab Einreichungsfrist am 18.1.), statt wie üblich 16 Tage. Deswegen hat das Gericht auf seiner Website auch die Bitte an Parteien und Vereinigungen gerichtet, "Ihre Erreichbarkeit auch außerhalb üblicher Geschäftszeiten, insbesondere auch am Wochenende" einzurichten.

VPD hat schon Beschwerde eingelegt

Bisher ist es Vereinigungen allerdings nur sehr vereinzelt gelungen, das BVerfG von ihrer Parteieigenschaft zu überzeugen. 2021 schaffte es zum Beispiel die Deutsche Kommunistische Partei (DKP). Sie hatte es lediglich versäumt, ihre Rechenschaftsberichte gemäß § 23 PartG rechtzeitig einzureichen, was laut BVerfG nicht zum Verlust der Parteieigenschaft führt (Beschluss vom 22.07.2021 - 2 BvC 8/21).

Nach Angaben des BVerfG hat eine Vereinigung bereits Nichtanerkennungsbeschwerde eingelegt: Die Volksstimmen-Partei-Deutschland (VPD). Sie war nicht anerkannt worden, weil sie an Wahlen noch nicht teilgenommen habe, bisher in der Öffentlichkeit kaum hervorgetreten sei und (nach eigener Angabe) lediglich über fünf Mitglieder verfüge. Diese fünf haben aber jedenfalls Kampfgeist.

(* In der ersten Version dieser Meldung hieß es versehentlich, dass zwei Mitglieder des BVerfG Teil des Bundeswahlausschusses sind. Korrekt ist, dass es zwei Mitglieder des BVerwG sind. Geändert am 20.01.2025, 10:13h, jvh)

Redaktion beck-aktuell, Denise Dahmen, 17. Januar 2025.