Bundestagspräsidentin will Wahlrechtsreform nach Regierungsbildung

Die neue Bundestagspräsidentin Bärbel Bas will schnell nach der Regierungsbildung einen neuen Anlauf für die bislang weitgehend gescheiterte Wahlrechtsreform unternehmen. "Ich spüre in den Fraktionen, auch in der Union, die Einsicht und den ernsthaften Willen, dass das Parlament in Zukunft nicht weiter wachsen kann", sagte die SPD-Politikerin der "Rheinischen Post" (Samstag).

Wahlrechtsreform bislang gescheitert

Unterstützung erhält sie aus dem Kreis ihrer Stellvertreter. Schon in ihrer Antrittsrede nach der Wahl zur Nachfolgerin von Wolfgang Schäuble (CDU) am vergangenen Dienstag in Bundestag hatte Bas zu einer Wahlrechtsreform aufgerufen. Schäuble wie auch dessen Vorgänger Norbert Lammert (CDU) waren damit vor allem am Widerstand aus der Union gescheitert. Bas sagte nun: "Ich warte das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ab. Dann würde ich zeitnah nach der Regierungsbildung die Fraktionen zu Gesprächen einladen." Auch die Wiedereinsetzung der Wahlrechtskommission sei eine Option.

Anwachsen durch Überhang- und Ausgleichsmandate

Die Sollgröße des Bundestags liegt nach dem Bundeswahlgesetz bei 598 Abgeordneten. Diese vergrößert sich aber dadurch, dass eine Partei, die mehr Direktmandate gewinnt als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, diese Sitze behalten darf. Die anderen Parteien bekommen dafür Ausgleichsmandate, was zu einer weiteren Vergrößerung des Parlaments führt. Die Zahl der Abgeordneten stieg so bei der jüngsten Wahl von 709 auf 736. Größer war der Bundestag nie.

Union und SPD einigten sich nur auf Mini-Reform

In der vergangenen Legislaturperiode hatten Grüne, FDP und Linke einen gemeinsamen Gesetzentwurf für eine Reform vorgelegt, sich damit aber nicht durchsetzen können. Union und SPD einigten sich dann lediglich auf eine Minireform mit sehr begrenzter Wirkung. Sie beschlossen mit ihrer Mehrheit im Bundestag auch die Einsetzung einer Reformkommission, die aber kaum tagte und deren Mandat mit dem Ende der Wahlperiode auslief. Sie müsste erneut eingesetzt werden. "Im Grunde liegen alle Ideen fertig auf dem Tisch. Nun gilt es zu entscheiden", sagte Bas. Auch ihre Stellvertreter Claudia Roth (Grüne), Petra Pau (Linke) und Wolfgang Kubicki (FDP) mahnten eine schnelle Wahlrechtsreform an.

Kubicki: Novelle mit SPD möglich

"Parteipolitische Egoismen müssen jetzt zurückstehen, stattdessen müssen die Parteien sofort über eine gesetzeskonforme Lösung sprechen", sagte Pau sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Spätestens 2022 sollte eine hoffentlich breit akzeptierte Gesetzesnovelle beschlossen werden. Kubicki sagte den Funke-Zeitungen, auf der Grundlage des Vorschlags von FDP, Linke und Grünen aus der vergangenen Wahlperiode werde wahrscheinlich eine Novelle mit der SPD möglich sein. Roth betonte: "Es geht nicht zuletzt um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments."

Bas auch für Senkung des Wahl-Mindestalters

Bas legte sich nicht auf eine künftige Größenordnung des Parlaments fest. Mit Blick auf die Sollzahl von 598 Mandaten sagte sie: "Ich vertrete nicht den Standpunkt, dass wir den Bundestag unbedingt auf diese Größe eindampfen müssen." Die Bundestagspräsidentin unterstützt auch den Vorschlag der an einer Ampelkoalition arbeitenden Parteien SPD, Grüne und FDP, das Mindestalter bei der Bundestagswahl von 18 auf 16 Jahre zu senken.

Redaktion beck-aktuell, 3. November 2021 (dpa).