Völkerrecht hilft nicht weiter
Solange die USA maßvoll agierten und sich auf den Schutz nationaler Sicherheitsinteressen und die negativen Auswirkungen auf die eigene Wirtschaft beriefen, "kann das Völkerrechts dem Ergreifen von extraterritorialen Sanktionen nur wenig entgegensetzen", heißt es in einem Gutachten, das die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen in Auftrag gegeben hatte und das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Trump kritisiert zweigleisiges Fahren Deutschlands
US-Präsident Donald Trump kritisiert die fast fertig gebaute Gasleitung zwischen Russland und Deutschland seit Jahren und bekämpft sie mit Sanktionen. Er wirft Deutschland vor, sich militärisch von den USA vor Russland schützen zu lassen, Moskau aber gleichzeitig hohe Einnahmen aus Gasexporten zu verschaffen. Kritiker Trumps meinen dagegen, dem US-Präsidenten gehe es nur um den Verkauf von amerikanischem Flüssiggas in Europa.
Extraterritoriale Sanktionen rechtlich umstritten
Rechtlich umstritten sind sogenannten extraterritoriale Sanktionen wie die gegen Nord Stream 2, weil sie nicht direkt dem Schutz des Gebietes, der Staatsbürger oder Unternehmen des sanktionierenden Staates dienen. Im August 2020 hatten US-Senatoren erstmals konkrete Sanktionsdrohungen gegen ein deutsches Unternehmen ausgesprochen, die Betreibergesellschaft des Hafens Mukran auf Rügen. Der Hafen gilt als wichtigster Umschlagplatz für den Bau der Pipeline, der allerdings im Dezember 2019 wegen der US-Sanktionen gestoppt wurde. Die Bundesregierung lehnt extraterritoriale Sanktionen ab, aus der EU-Kommission gab es sogar Äußerungen, die solche Sanktionen als völkerrechtswidrig einstuften.
Gutachten: Mittelbare Auswirkungen auf Sicherheit der USA denkbar
Nach Ansicht der Bundestagsgutachter ist die Argumentation der USA dagegen nicht von der Hand zu weisen. "Auch wenn eine direkte Auswirkung des Nord Stream 2-Projekts auf die nationale Sicherheit der USA fern liegt, so sind mittelbare Auswirkungen nicht auszuschließen", heißt es in dem Gutachten. "Den USA steht es bereits nach den Ausnahmeklauseln im Freundschaftsvertrag und in den WTO-Bestimmungen frei, ihre nationalen Sicherheitsbelange eigenständig zu definieren." Gemeint ist der Freundschaftsvertrag zwischen den USA und Deutschland von 1954.
Gutachten verweist auf politischen Ermessensspielraum der USA
Die von den USA vorgetragenen Argumente zur Gefährdung der nationalen Sicherheit könnten zwar als vorgeschoben empfunden werden, seien aber letztlich "Ausfluss eines politischen Ermessensspielraums, der sich praktisch kaum justitiabel machen lässt", heißt es in dem Gutachten weiter. "Auch existieren keine objektiven völkerrechtlichen Kriterien, um die Auslegung und Anwendung des Schutzprinzips rechtlich einzuhegen."
Diplomatische Lösung des Konflikt empfohlen
Die Gutachter empfehlen der Bundesregierung, eine diplomatische Lösung des Konflikts mit den USA anzustreben. Die Linken-Politikerin Dagdelen fordert die Bundesregierung dagegen auf, trotzdem vor den Internationalen Gerichtshof zu ziehen, falls die angedrohten Sanktionen gegen die Betreiber des Hafens auf Rügen umgesetzt würden. "Die Bundesregierung darf nicht vor US-Präsident Trump und seinen dreisten Sanktionsdrohungen einknicken", sagt sie.