Bundestag will an Verfahren des Europäischen Gerichtshofs mitwirken

Der Bundestag pocht auf Mitwirkung an bestimmten Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, bei denen er bislang außen vor ist. Er beschloss am 10.12.2020, sich an einer Stellungnahme der Bundesregierung zu einem vom Landgericht Stuttgart angestoßenen Vorabentscheidungsverfahren zu beteiligen. Dieses Vorgehen soll nicht einmalig bleiben.

An sich keine Mitwirkungsmöglichkeit der nationalen Parlamente vor dem EuGH

Das Problem: Dem Bundestag wird zwar bei bestimmten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt - nicht aber vor dem EuGH. Hier ist keine eigenständige Mitwirkungsmöglichkeit der nationalen Parlamente vorgesehen. Vielmehr gibt die Bundesregierung die Stellungnahme für die Bundesrepublik Deutschland zu EuGH-Verfahren ab. In dem konkreten Verfahren geht es unter anderem um eine Richtlinie zum Einbau von Thermofenstern in Kraftfahrzeugen.

Bundestag will EuGH-Verfahren genauer beobachten

Bei jüngsten EuGH-Entscheidungen habe das Bundesverfassungsgericht wiederholt die Frage nach dem Umfang der Integrationsverantwortung des Deutschen Bundestages aufgeworfen, so der kommissarische Vorsitzende des Rechtsausschusses, Heribert Hirte (CDU). Prominente Beispiele seien die Entscheidungen zum Staatsanleihenkaufprogramm der EZB oder zur Europäischen Bankenunion gewesen. Immer wieder sei die Frage gestellt worden, ob der Bundestag die Maßnahmen auf europäischer Ebene ausreichend begleitet habe. Damit vor einer Entscheidung des EuGH auch das breite Meinungsspektrum des Bundestages Gehör finden könne, würden auf Initiative des Rechtsausschusses die Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH nun systematischer beobachtet. Rechtspolitiker aller Fraktionen achteten künftig darauf, dass eine Stellungnahme der Bundesregierung durch den Bundestag begleitet werde, wenn dies politisch geboten erscheine. Damit nehme der Bundestag in einem weiteren europarechtsgestaltenden Bereich seine Integrationsverantwortung aktiv wahr.

Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH

Laut Rechtsausschuss machen Vorabentscheidungsverfahren rund 70% der jährlich mehr als 800 neu beim EuGH eingehenden Rechtssachen aus. Mit diesen Verfahren können die Gerichte der EU-Mitgliedstaaten für bei ihnen laufende Verfahren den EuGH um Vorabentscheidung insbesondere über die Auslegung von EU-Recht ersuchen. Deutsche Richter und Richterinnen nutzen dieses Verfahren den Angaben zufolge überproportional häufig, um sich bei der Anwendung von EU-Recht abzusichern.

Redaktion beck-aktuell, 11. Dezember 2020 (dpa).