Bun­des­tag ver­län­gert Aus­set­zung des Fa­mi­li­en­nach­zugs für Flücht­lin­ge

Der Fa­mi­li­en­nach­zug für Flücht­lin­ge mit ein­ge­schränk­tem Schutz­sta­tus bleibt bis Ende Juli 2018 aus­ge­setzt. Der Bun­des­tag be­schloss am 01.02.2018 nach hit­zi­ger De­bat­te einen Ge­set­zes­vor­stoß, auf den sich Union und SPD vorab bei den Ko­ali­ti­ons­ver­hand­lun­gen ver­stän­digt hat­ten.

Kri­tik von Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen

Eine große Zahl von Ab­ge­ord­ne­ten vo­tier­te gegen die Re­ge­lung: Unter den 678 ab­ge­ge­be­nen Stim­men waren 298 Nein-Stim­men; 376 Par­la­men­ta­ri­er stimm­ten mit Ja, vier ent­hiel­ten sich. Das Vor­ha­ben stößt bei Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen und So­zi­al­ver­bän­den auf enor­me Kri­tik, eben­so bei Grü­nen und Lin­ken.

Frist um vier­ein­halb Mo­na­te ver­län­gert

So­ge­nann­te sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­te – dar­un­ter viele Syrer – dür­fen seit März 2016 keine An­ge­hö­ri­gen mehr nach Deutsch­land nach­ho­len. Die große Ko­ali­ti­on hatte den An­spruch dar­auf da­mals für zwei Jahre aus­ge­setzt, also bis Mitte März 2018. Nun bleibt den Be­trof­fe­nen diese Mög­lich­keit auch für vier­ein­halb wei­te­re Mo­na­te ver­wehrt.

De­tails der Neu­re­ge­lung noch un­klar

Ab 01.08.2018 soll einer be­grenz­ten Zahl von bis zu 1.000 Be­trof­fe­nen pro Monat der Nach­zug wie­der er­laubt wer­den. Zu­sätz­lich sol­len Här­te­fäl­le be­rück­sich­tigt wer­den. De­tails der Neu­re­ge­lung müs­sen noch ge­klärt wer­den. Dazu ist ein wei­te­res Ge­setz ge­plant.

Kom­pro­miss im Rah­men der Ko­ali­ti­ons­ver­hand­lun­gen

Union und SPD hat­ten sich bei ihren Ko­ali­ti­ons­ver­hand­lun­gen auf die­sen Kom­pro­miss ver­stän­digt, um kurz vor Ab­lauf der Frist Mitte März 2018 eine Über­gangs­re­ge­lung zum Fa­mi­li­en­nach­zug auf den Weg zu brin­gen.

De Mai­ziè­re hält Re­ge­lung für an­ge­mes­sen

Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Tho­mas de Mai­ziè­re (CDU) ver­tei­dig­te die wei­te­re Be­gren­zung des Fa­mi­li­en­nach­zugs. "Unser Kom­pro­miss steht für Hu­ma­ni­tät und Ver­ant­wor­tung, für In­te­gra­ti­on und Be­gren­zung, für Gro­ß­zü­gig­keit und Rea­lis­mus", sagte er bei der ab­schlie­ßen­den Be­ra­tung im Bun­des­tag. "Man­che Idea­lis­ten hal­ten die Re­ge­lung für zu streng." Die ge­fun­de­ne Lö­sung sei aber an­ge­mes­sen. Das ge­plan­te Kon­tin­gent von 1.000 Men­schen pro Monat be­gren­ze den Fa­mi­li­en­nach­zug, Här­te­fäl­le wür­den aber wei­ter be­rück­sich­tigt. "Ein biss­chen Barm­her­zig­keit" sei schlie­ß­lich auch nötig.

Mayer: Über­for­de­rung der Kom­mu­nen ver­hin­dern

Der CSU-In­nen­po­li­ti­ker Ste­phan Mayer be­zeich­ne­te die Lö­sung als ver­ant­wor­tungs­voll und an­ge­mes­sen. Er mahn­te, die Kom­mu­nen wür­den über­for­dert, wenn eine "un­ge­zü­gel­te Fa­mi­li­en­zu­sam­men­füh­rung" bei sub­si­di­är Ge­schütz­ten er­laubt würde.

SPD für gro­ß­zü­gi­ge­re Här­te­fall-Re­ge­lun­gen

SPD-Frak­ti­ons­vi­ze Eva Högl kün­dig­te an, ihre Par­tei wolle auf eine gro­ß­zü­gi­ge­re Aus­le­gung der Här­te­fall-Re­ge­lun­gen zum Fa­mi­li­en­nach­zug für Flücht­lin­ge mit ein­ge­schränk­tem Schutz­sta­tus po­chen. 2017 hät­ten nur ein paar Dut­zend Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge davon pro­fi­tiert, sagte sie. "Es ist un­se­re ge­mein­sa­me Auf­ga­be, diese Här­te­fäl­le an­ders aus­zu­le­gen und an­ders aus­zu­ge­stal­ten, dass unter diese Här­te­fäl­le mehr als 66 Per­so­nen kom­men", sagte Högl. Zudem müsse die Re­ge­lung im Sinne des Kin­des­wohls und unter Be­rück­sich­ti­gung der UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on in­ter­pre­tiert wer­den.

Kri­tik von Lin­ken

Aus den üb­ri­gen Frak­tio­nen kam hef­ti­ge Kri­tik. "Die­ses Ge­setz ist will­kür­lich, mo­ra­lisch frag­wür­dig und un­mensch­lich", sagte Links­frak­ti­ons­chef Diet­mar Bartsch. Aus einem Rechts­an­spruch auf Fa­mi­li­en­nach­zug werde rei­nes Er­mes­sen ge­macht. Die Vor­ga­be laute künf­tig, dass der Staat pro Monat bis zu 1.000 An­ge­hö­ri­gen den Nach­zug er­lau­ben könne. "Es kön­nen auch zwei sein oder einer." Die Fest­le­gung auf 1.000 Men­schen sei "reine Will­kür". Dass die SPD noch dazu eine Här­te­fall­re­ge­lung feie­re, von der im Jahr 2017 we­ni­ger als 100 Men­schen pro­fi­tiert hät­ten, sei un­fass­bar. Die Union habe sich bei dem Thema kom­plett durch­ge­setzt.

Gö­ring-Eckar­dt wirft SPD "Um­fal­le­rei" vor

Grü­nen-Frak­ti­ons­che­fin Kat­rin Gö­ring-Eckar­dt warf der SPD Um­fal­le­rei vor. "Sie kni­cken ein in der Fa­mi­li­en­fra­ge", sagte sie an die Adres­se der So­zi­al­de­mo­kra­ten. "Wie klein will sich die SPD ei­gent­lich noch ma­chen? Sie sind noch in kei­ner Ko­ali­ti­on." Jeder Po­li­ti­ker müsse sich den Schre­cken vor­stel­len, vom ei­ge­nen Kind ge­trennt zu sein und sich über­le­gen, "was wäre, wenn es Ihr Kind wäre".

FDP: Ge­setz "kein gro­ßer Wurf"

Ste­phan Tho­mae von der FDP sagte, der Kom­pro­miss kom­pro­mit­tie­re die SPD. "Die Union hat sich durch­ge­setzt auf gan­zer Linie." Er sei ge­spannt, wie die SPD-Spit­ze dies nun der Par­tei­ba­sis schmack­haft ma­chen wolle. Das Ge­setz sei "kein gro­ßer Wurf".

AfD spricht sich ge­ne­rell gegen Fa­mi­li­en­nach­zug aus

Der AfD-Ab­ge­ord­ne­te Chris­ti­an Wirth sprach sich ge­ne­rell gegen Fa­mi­li­en­nach­zug aus. Fa­mi­li­en­zu­sam­men­füh­rung solle nicht in Deutsch­land statt­fin­den, "son­dern zum Bei­spiel in Schutz­zo­nen in Sy­ri­en, wel­ches zum grö­ß­ten Teil be­frie­det ist".

Redaktion beck-aktuell, 1. Februar 2018 (dpa).

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