9 Nein-Stimmen und eine Enthaltung bei den Grünen
In namentlicher Abstimmung votierten 375 Abgeordnete für die Änderung des Atomgesetzes, dagegen stimmten 216, 70 enthielten sich. 661 Stimmen wurden abgegeben. In der Ampel gab es bei den Grünen 9 Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Die SPD- und FDP-Abgeordneten stimmten geschlossen für die Verlängerung der Laufzeiten. Der SPD-Abgeordnete Carsten Träger sagte mit Blick auf den 15.04.: "Ich werde an diesem Tag meine Kinder und meine Frau umarmen und mit einem Glas Sekt anstoßen." Die Entscheidung für einen vorübergehenden so genannten Streckbetrieb sei verantwortbar. Es bleibe beim Atomausstieg. "Dann können Sie von der Unionsfraktion sich auf den Kopf stellen, mit den Füßen wackeln, dann ist Schluss, ein für alle Mal." Seine Fraktionskollegin Nina Scheer warnte, mit einem längerfristigen Weiterbetrieb von Atomkraftwerken würden erneuerbare Energien verdrängt.
Union kritisiert Neuregelung als "Zu-wenig-Gesetzentwurf"
Scharfe Kritik kam von der Union. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sei "ein Minimalkonsens, Ergebnis einer zermürbenden monatelangen Debatte" innerhalb der Ampelkoalition. Eine nur kurzfristige Verlängerung der Laufzeiten bringe zu wenig Entlastung beim Preis und bei der Sicherheit der Energieversorgung. "Das Ganze ist ein Zu-wenig-Gesetzentwurf." Die CDU/CSU-Fraktion hatte in einem eigenen Antrag neben einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien eine Laufzeitverlängerung für die letzten drei deutschen Atomkraftwerke bis mindestens Ende 2024 vorgeschlagen. Die Abgeordneten begründeten das mit den hohen Strompreisen. Der CSU-Parlamentarier Andreas Lenz warf insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Fehlinformationen in der Debatte um den AKW-Weiterbetrieb vor. "Lügen haben kurze Laufzeiten!"
Grüne kritisieren Union: Sicherheitsrisiko wird "billigend in Kauf" genommen
Die Union nehme das Sicherheitsrisiko durch eine Laufzeitverlängerung "billigend in Kauf", erklärte der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner. Nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl in den 1980er Jahren sei vielen klar geworden: "Atomkraft ist keine Lösung, und sicher ist nur das Risiko." Die Frage der Endlagerung hoch radioaktiven Atommülls sei ungelöst. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Christian Kühn, sprach mit Blick auf 16 Jahre unionsgeführter Bundesregierungen von einem "energiepolitischen Fiasko". Einige Grünen-Abgeordnete hatten vor der Schluss-Abstimmung deutlich gemacht, dass sie der Verlängerung nicht zustimmen wollen. Carina Konrad von der FDP verteidigte den Beschluss als Entscheidung der Vernunft. Es sei kein "Selbstzweck der Ampel". Es gehe darum, die Stromversorgung im Winter zu sichern. Sie regte aber auch an, sich Gedanken über die Förderung von Schiefergas in Deutschland zu machen. Ihr Fraktionskollege Lukas Köhler sagte, es stelle sich die Frage, wie es 2023/24 weitergehe, aber da sei die Antwort nun Kohle und Gas.
AfD: "Irre Sanktionspolitik"
Der Linken-Abgeordnete Ralph Lenkert warnte insbesondere vor den Risiken der Atomkraft. "Menschliches Versagen beim Betrieb ist immer möglich, siehe Tschernobyl." Auch Naturkatastrophen und Materialversagen seien möglich. Seine Fraktion fordere eine Verstaatlichung der Übertragungsnetze und staatliches Geld zur Stabilisierung der Strompreise. Das größte Risiko für die Stromversorgung gehe von Spekulationen mit Strom aus. Thomas Ehrhorn von der AfD erklärte, die Grünen hätten schon lange geplant, die günstigen russischen Gaslieferungen zu sabotieren. Nicht Russland habe künstlich eine Preisknappheit geschaffen sondern die Regierung. Er sprach von einer "irren Sanktionspolitik". Deutschland sei auf dem Weg "in die Zerstörung unserer Industrienation".
Beschluss ist vorläufiger Schlusspunkt eines heftigen Streits
Der Beschluss des Bundestags ist der vorläufige Schlusspunkt eines heftigen Streits innerhalb der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Ende Oktober mit einem Machtwort entschieden, dass die verbliebenen drei Atomkraftwerke bis zum 15.04. weiter betrieben werden sollen. Vorangegangen war eine lange Auseinandersetzung zwischen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Habeck. Im letzten Schritt ist noch der Bundesrat am Zug, der sich in seiner Sitzung am 25.11. mit dem Vorhaben befassen könnte. Dass die Länderkammer die Pläne noch zu Fall bringt, ist aber sehr unwahrscheinlich.