Bundestag stimmt Ehe für alle zu

In einer historischen Entscheidung hat der Bundestag Ja zur Ehe für alle gesagt. Bei 623 abgegebenen Stimmen sprach sich eine Mehrheit von 393 Abgeordneten am 30.06.2017 für eine völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare aus. 226 Parlamentarier stimmten mit Nein, vier enthielten sich.

Bislang keine Adoption von Kindern möglich

Bislang dürfen Homosexuelle eine Lebenspartnerschaft amtlich eintragen lassen, aber nicht heiraten. Der wichtigste Unterschied ist, dass Lebenspartner gemeinsam keine Kinder adoptieren dürfen.

Mindestens 70 Unionsabgeordnete dafür

SPD, Grüne und Linke hatten die Abstimmung gegen den Willen von CDU/CSU durchgesetzt. Aber auch mindestens 70 Unionsabgeordnete – fast jeder Vierte – votierten am Ende für den Gesetzentwurf aus dem rot-grün dominierten Bundesrat zur Öffnung der Ehe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmte gegen die Ehe für alle, wie sie nach der Abstimmung im Bundestag sagte. Eine Ehe sei für sie laut Grundgesetz Mann und Frau vorbehalten. Eine Lockerung beim Adoptionsrecht befürworte sie aber.

Unionsfraktion war gegen Abstimmung

Vor der Debatte hatte eine Mehrheit der Abgeordneten gegen den erklärten Willen der Unionsfraktion dafür votiert, die Tagesordnung entsprechend zu erweitern. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) forderte anschließend von den Abgeordneten "wechselseitigen Respekt, den beide Positionen zweifellos verdienen". In der emotionalen, gut halbstündigen Debatte griff der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs die Kanzlerin scharf an. "Sie haben sich hier verstolpert. Das war Ihr Schabowski-Moment", sagte er in Anspielung auf die überraschende oder versehentliche DDR-Grenzöffnung durch Günter Schabowski 1989.

Kanzlerin sprach sich für "Gewissensentscheidung" aus

Merkel hatte das Thema der völligen rechtlichen Gleichstellung homosexueller Paare zum Wochenanfang in die politische Debatte gebracht und sich für eine Abstimmung ohne sogenannten Fraktionszwang – als "Gewissensentscheidung" - ausgesprochen. Daraufhin hatte sich die SPD für eine Abstimmung noch in dieser Woche und vor der Bundestagswahl stark gemacht. CDU und CSU nannten dies einen Vertrauensbruch des sozialdemokratischen Koalitionspartners, der mit der Opposition stimmen wollte. Grüne und Linke unterstützen die Ehe für alle schon lange.

Letzte konservative Bastion

Das Nein zur Ehe für Homosexuelle galt als letzte konservative Bastion der Union. Unter Merkel als Parteivorsitzender hat die CDU schon mehrere Positionen geräumt, für die es in der Gesellschaft keine Mehrheit mehr gab wie das Festhalten an der Atomenergie und der Wehrpflicht.

Klage vor dem BVerfG wird geprüft

Unions-Abgeordnete prüfen derweil den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Die Ehe für alle sei grundgesetzwidrig und bedürfe einer Verfassungsänderung, sagte der Justiziar der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, der "Passauer Neuen Presse" (Ausgabe vom 30.06.2017). "Das Bundesverfassungsgericht knüpft die Ehe an zwei Bedingungen", sagte der CSU-Politiker: "Sie ist eine dauerhafte Verantwortungsgemeinschaft. Und sie ist darauf ausgerichtet, Kinder hervorzubringen. Das geht nur mit Mann und Frau."

Maas: Keine Grundgesetzänderung erforderlich

Justizminister Heiko Maas hält eine Grundgesetzänderung hingegen für unnötig. "Wir sehen einen Wandel des traditionellen Eheverständnisses, der angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung der Ehe für alle verfassungsrechtlich zulässt", sagte der SPD-Politiker der "Bild"-Zeitung (Ausgabe vom 30.06.2017). "Die Zeit ist längst mehr als reif für diesen Fortschritt."

Redaktion beck-aktuell, 30. Juni 2017 (dpa).

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