Bundestag diskutiert über Feindeslisten, Stalking und Passrecht

Der Bundestag hat am Donnerstag jeweils in erster Lesung über drei neue Gesetze beraten, darunter unter anderem über einen neuen Straftatbestand für "Feindeslisten", eine Verschärfung des Gesetzes gegen Stalking und eine Vereinfachung des Passrechts von NS-Verfolgten und deren Nachkommen.

Bundestag berät über neuen Straftatbestand für "Feindeslisten"

Der Bundestag erwägt, die Verbreitung sogenannter Feindeslisten mit Namen und Daten vermeintlicher politischer Gegner explizit strafbar zu machen. "Damit gehen wir entschieden gegen ein Klima der Angst und der Einschüchterung vor, das von Hetzern geschürt wird", sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) in Berlin schon vor der ersten Lesung des Gesetzes in der Nacht zu Freitag. Den Plänen zufolge soll das Strafgesetzbuch um einen neuen Paragrafen zur "gefährdenden Verbreitung personenbezogener Daten" erweitert werden. Voraussetzung ist, dass die Verbreitung geeignet ist, die betroffene Person oder ihr nahestehende Menschen der Gefahr einer gegen sie gerichteten Straftat auszusetzen. Das können zum Beispiel Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die körperliche Unversehrtheit sein. Tätern droht dem Gesetzentwurf zufolge eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Falls die veröffentlichten Daten nicht allgemein zugänglich sind, gilt ein Strafrahmen von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Lambrecht erinnert an Ermordung Walter Lübckes

"Wir werden nicht vergessen, dass der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke auf einer Feindesliste stand, bevor ein Neonazi ihn ermordete", betonte Lambrecht. Der CDU-Politiker Lübcke hatte als Regierungspräsident bei einer Bürgerversammlung in Lohfelden (Kassel) Pläne zur Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft vorgestellt. Seine Äußerungen sollen Auslöser für die Ermordung gewesen sein. In der Nacht zum 02.06.2019 wurde er auf seiner Terrasse von dem Rechtsextremen Stephan Ernst erschossen. "Das zeigt das enorme Bedrohungspotenzial solcher Listen", sagte Lambrecht.

Verschärfung des Gesetzes gegen Stalking

Beraten wurde außerdem über eine Gesetzesverschärfung zur konsequenteren Bekämpfung von Stalking. Dem Gesetzentwurf zufolge sollen mehr Fälle von Stalking vor Gericht gebracht werden und Täter härter bestraft werden. In besonders schweren Fällen könnten demnach Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren drohen. "Stalkerinnen und Stalkern muss früh und engagiert die Rote Karte gezeigt werden", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministeriums, Christian Lange (SPD), in der ersten Lesung. Beispiele für Stalking sind laut Ministerium etwa Anrufe oder Nachrichten rund um die Uhr, das Erstellen von Fake-Profilen auf Single-Portalen, aber auch das Ausspähen mittels spezieller Software - so genanntes Cyberstalking. "Betroffen sind hier in der Regel Frauen", sagte Lange.

NS-Verfolgte und Nachkommen sollen leichter deutschen Pass bekommen

Mit einem dritten Gesetzesvorhaben sollen bisher benachteiligte frühere NS-Verfolgte und ihre Nachkommen künftig einen gesetzlichen Anspruch auf Einbürgerung erhalten und so einfacher einen deutschen Pass bekommen können. Der Bundestag beriet in erster Lesung einen entsprechenden Gesetzentwurf. Seit 2019 regeln zwei Erlasse des Innenministeriums, dass NS-Verfolgte und ihre Nachfahren leichter einen deutschen Pass bekommen. Vertreter von Betroffeneninitiativen fordern aber, dass eine echte Lösung des Problems nur eine Gesetzesänderung bringen könne. Laut Entwurf sollen diejenigen künftig einen gesetzlichen Anspruch auf Einbürgerung erhalten, die zuvor nach Artikel 116 GG benachteiligt worden waren. Der Grundgesetz-Artikel sieht zwar eine Einbürgerung in Deutschland vor, wenn die Staatsangehörigkeit zwischen 1933 und 1945 aus "politischen, rassischen oder religiösen Gründen" entzogen wurde - doch in vielen Fällen wurden Betroffene nicht formal ausgebürgert, sondern sie verloren die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Annahme eines anderen Passes.

Redaktion beck-aktuell, 23. April 2021 (dpa).