Bundestag beschließt zahlreiche Gesetze
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BRAO-Reform, Pflegereform, Lieferkettengesetz, Reform des Patentrechts, Gesetz gegen Steueroasen, Mindestanteil von Frauen in Vorständen, Reisesicherungsfonds, höhere Tabaksteuer, mehr Verbraucherschutz bei Kaffeefahrten und auf Online-Marktplätzen: Der Bundestag hat am Donnerstag und am Freitag zahlreiche Gesetze beschlossen.

BRAO-Reform

Der Bundestag hat am Donnerstag die Reform des anwaltlichen Berufsrechts (BT-Drs. 19/27670)  beschlossen. Mit der Annahme des Gesetzentwurfs wurde das Recht der Berufsausübungsgesellschaften in der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und dem Steuerberatungsgesetz umfassend neu geregelt. Dabei wurden die Einzelfallentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt. Ziel ist es, der Anwaltschaft und den Steuerberatern gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit zu gewähren, weitgehend einheitliche und rechtsformneutrale Regelungen für alle anwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften zu schaffen und die interprofessionelle Zusammenarbeit zu erleichtern. Außerdem wird die Berufsausübungsgesellschaft als zentrale Organisationsform anwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Handelns anerkannt. Über die Neuregelung des Gesellschaftsrechts hinaus wurde das Berufsrecht mit den beschlossenen Änderungen modernisiert.

Pflegereform mit Pflicht zur Tarifbezahlung 

Pflegekräfte sollen bessere Löhne bekommen und dafür künftig generell nach Tarif bezahlt werden müssen. Das sieht eine Pflegereform von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, die der Bundestag am Freitag mit den Stimmen der Koalition beschlossen hat. Greifen soll dies ab September 2022. Zugleich sollen Pflegebedürftige von Zuzahlungen im Heim entlastet werden. Dafür sollen sie ab Januar 2022 Zuschläge bekommen, die den Eigenanteil für die reine Pflege senken. Zur Finanzierung gibt der Bund ab 2022 eine Milliarde Euro als Zuschuss in die Pflegeversicherung. Zudem wird der Pflegebeitrag für Kinderlose von 3,3 auf 3,4 Prozent des Bruttolohns angehoben.

Lieferkettengesetz

Große Unternehmen in Deutschland sollen keine Kinder- oder Zwangsarbeit und keine Umweltzerstörung in ihren internationalen Lieferketten mehr dulden. Der Bundestag beschloss am Freitag einen Gesetzentwurf der Regierung für neue Sorgfaltspflichten. Das Gesetz soll vom 01.01.2023 an gelten, und zwar erst einmal für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern – von 2024 an dann auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.

Reform des Patentrechts

Die Reform des Patentrechts soll Unternehmen vor einer missbräuchlichen Verwendung des Patentschutzes bewahren. Die in der Nacht zum Freitag verabschiedete Gesetzesnovelle beschränkt das Recht von Patentinhabern, einen Unterlassungsanspruch gegen Patentverletzer durchzusetzen. Bislang konnten Patentinhaber gegen mutmaßliche Patentverstöße eine Unterlassung beanspruchen - noch bevor in dem eigentlichen Rechtsstreit ein Urteil gesprochen wurde. Künftig können Gerichte nun entscheiden, ob es verhältnismäßig ist, dass der Inhaber eines Patents einen Unterlassungsanspruch durchsetzen will - oder ob dem Hersteller des beanstandeten Produkts durch den drohenden Produktionsstopp eine unverhältnismäßige Härte droht.

Erhöhung der Tabaksteuer

Der Bundestag beschloss am frühen Freitagmorgen zudem, dass die Tabaksteuer für eine Packung mit 20 Zigaretten im kommenden Jahr um durchschnittlich 10 Cent steigt. Ein Jahr später werden weitere 10 Cent aufgeschlagen, in den Jahren 2025 und 2026 kommt noch einmal jeweils 15 Cent pro Packung hinzu. Besonders stark dreht der Gesetzgeber bei E-Zigaretten und Tabakerhitzern an der Steuerschraube - diese Produkte waren bisher nur schwach besteuert, das ändert sich künftig. Für ein 10-Milliliter-Liquid, das derzeit rund 5 Euro kostet, soll 2022 1,60 Euro mehr Steuern anfallen, bis 2026 soll dieser Wert auf 3,20 Euro steigen.

Mehr Verbraucherschutz bei "Kaffeefahrten" und Online-Marktplätzen

Der Bundestag hat die Regeln für "Kaffeefahrten" verschärft, um Verbraucher besser vor Abzocke zu schützen. Mit dem in der Nacht zum Freitag verabschiedeten Gesetzespaket wird bei solchen Veranstaltungen der Verkauf von Versicherungen, Bausparverträgen, Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln grundsätzlich verboten. Zudem müssen die Teilnehmer solcher Fahrten vom Veranstalter besser über ihre Rechte aufgeklärt werden. Das Bußgeld bei Verstößen wird von 1.000 Euro auf 10.000 Euro angehoben. Verschärft werden ferner die Vorschriften für Online-Marktplätze, um die Angebote für Verbraucher transparenter zu machen. So müssen Vergleichsplattformen im Internet künftig angeben, nach welchen Kriterien sie Waren und Dienstleistungen bewerten. Rankings in Suchergebnissen dürfen nicht durch versteckte Werbung oder versteckte Zahlungen beeinflusst werden

Erweitertes Transparenzregister gegen Geldwäsche und Terrorismus

Um Geldwäsche und Terrorfinanzierung effektiver zu bekämpfen, wird das deutsche Transparenzregister erweitert und international besser verknüpft. Ein entsprechendes Gesetz hat der Bundestag am späten Donnerstagabend verabschiedet. Durch zusätzliche Meldepflichten für die Wirtschaft soll es einfacher werden, Briefkastenfirmen aufzuspüren und die Hintermänner verschachtelter Firmenskonstrukte zu identifizieren. Gleichzeitig soll dies seriöse Unternehmen davor schützen, mit fragwürdigen Geschäftspartnern und kriminellen Machenschaften in Verbindung zu kommen.

Neuverteilung der EU-Zahlungen für die Landwirtschaft

Die Verteilung der EU-Zuschüsse für die deutschen Landwirte orientiert sich in den kommenden Jahren verstärkt an Kriterien wie Umweltschutz und Tierwohl. Nach dem Gesetzespaket, das der Bundestag am Donnerstagabend verabschiedet hat, wird vom übernächsten Jahr an ein Viertel der Brüsseler Direktzahlungen an bestimmte ökologische Vorgaben geknüpft. So gibt es etwa zusätzliches Geld für den Verzicht auf Pestizide oder für mehr Naturschutz auf Wiesen und Weiden. Zudem gibt es künftig eine Prämie für Weidetierhalter, die bislang nur wenig von der Flächenprämie profitierten.

Gesetz gegen Steueroasen 

Deutschland verschärft außerdem die Gangart gegen Steuerhinterzieher, die ihr Vermögen im Ausland verstecken. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstagabend ein Gesetz, das die Kapitalflucht in sogenannte Steueroasen unattraktiver machen soll. Wenn der Bundesrat der Neuregelung ebenfalls zustimmt, können Betriebs- und Werbungskosten bei grenzüberschreitenden Geschäften nur noch dann steuerlich geltend gemacht werden, wenn sich die jeweiligen Staaten an internationale Steuerstandards halten. Zudem werden Regelungen zur Quellensteuer verschärft, die bei Kapitalerträgen im Ausland anfällt.

Entschädigung für Atomausstieg 

Der Bundestag hat zudem den Weg für die milliardenschwere Entschädigung freigemacht, die die Stromkonzerne als Ausgleich für den deutschen Atomausstieg erhalten. Die Abgeordneten stimmten am Donnerstagabend für den Vertrag, den die Bundesregierung nach einem jahrelangen Rechtsstreit mit RWE, Vattenfall, Eon und EnBW ausgehandelt hatte. Danach erhalten die Betreiber von Atomkraftwerken eine Summe von insgesamt 2,4 Milliarden Euro. Sie soll den Schaden ausgleichen, der durch den vorzeitigen Atomausstieg und die zuvor noch beschlossene Laufzeitverlängerung entstanden ist.

Bundestag stimmt für Reform des europäischen Rettungsfonds ESM

Der Bundestag hat am Freitag außerdem einer Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zugestimmt. Mit der Reform will sich die Eurozone besser gegen künftige Finanzkrisen wappnen. Dazu gehört etwa auch ein neues gemeinsames Sicherheitsnetz für die Abwicklung von Pleitebanken. Sieben Bundestagsabgeordnete der FDP kündigten an, als Privatpersonen Verfassungsbeschwerde gegen die Ratifizierung der ESM-Reform beim Bundesverfassungsgericht einzureichen, wie der FDP-Politiker Frank Schäffler mitteilte.

Neuer Fonds zur Absicherung von Pauschalreisen 

Pauschalurlauber sollen über einen millionenschweren Fonds besser gegen eine Pleite des Reiseveranstalters abgesichert sein. Der Bundestag beschloss in der Nacht zum Freitag die Einrichtung eines Sicherungsfonds, in den die Veranstalter selbst einzahlen müssen. Hintergrund ist die Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook im September 2019. Die Versicherung hatte damals nur einen Bruchteil der Kosten ersetzt, weshalb schließlich der Staat einsprang.

Recht auf Ganztag für Grundschüler beschlossen

Kinder, die ab dem Sommer 2026 eingeschult werden, sollen in den ersten vier Schuljahren einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung bekommen. Der Bundestag hat am Freitag das entsprechende "Ganztagsförderungsgesetz" der großen Koalition beschlossen.

Mindestanteil von Frauen in Vorständen 

Große Unternehmen in Deutschland müssen künftig bei der Besetzung von Posten der höchsten Management-Ebene Frauen stärker berücksichtigen. Der Bundestag hat am Freitag das "zweite Führungspositionen-Gesetz" beschlossen. Das Vorhaben der großen Koalition sieht vor, dass in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten und mehr als drei Vorständen künftig mindestens eine Frau im Vorstand sitzen muss.

Redaktion beck-aktuell, 11. Juni 2021 (dpa).