Bundestag beschließt weitreichendes Verbot sogenannter Konversionstherapien
mann_therapie_homosexualität
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Medizinische Interventionen, die darauf gerichtet sind, die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken (sogenannte Konversionstherapien) und das Werben hierfür sollen künftig verboten werden. Das ist Ziel des "Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen", das der Bundestag heute in zweiter und dritter Lesung beschlossen hat. Verstöße sollen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einem hohen Bußgeld geahndet werden.

Gesetz soll Mitte 2020 in Kraft treten

Homosexualität sei keine Krankheit, daher sei schon der Begriff Therapie irreführend, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). "Wir wollen sogenannte Konversionstherapien soweit wie möglich verbieten. Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperliches und seelisches Leid. Diese angebliche Therapie macht krank und nicht gesund. Das Verbot ist auch ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität hadern: es ist ok, so wie du bist." Das Gesetz soll voraussichtlich Mitte 2020 in Kraft treten. Der Bundesrat muss nicht zustimmen.

Generelles Verbot von Konversionsbehandlungen an Minderjährigen

Generell verboten werden sollen Konversionsbehandlungen an Minderjährigen sowie an Volljährigen, deren Einwilligung auf einem Willensmangel (zum Beispiel Zwang, Drohung, Täuschung, Irrtum) beruht, wenn zum Beispiel der Behandler sie nicht über die Schädlichkeit der Behandlung aufklärt. Auch das Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher Behandlungen soll untersagt werden. Verstöße gegen das Verbot von Konversionsbehandlungen werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft. Verstöße gegen das Verbot der Werbung, des Anbietens und Vermittelns werden mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet.

Auch Eltern und Seelsorger können erfasst sein

Das Verbot gilt nicht nur für Personen, die berufsmäßig handeln, sondern für alle. Auch Eltern oder andere Fürsorge- oder Erziehungsberechtigte können bei gröblicher Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht bestraft werden. Für seelsorgerische und psychotherapeutische Gespräche gilt das Verbot nur dann, wenn der Gesprächspartner zielgerichtet Einfluss zu nehmen versucht auf die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität eines Betroffenen.

Behandlungen bei Störungen der Sexualpräferenz nicht verboten

Das Verbot gilt laut Bundesgesundheitsministerium nicht für Behandlungen bei Störungen der Sexualpräferenz (zum Beispiel Exhibitionismus, Pädophilie) und Behandlungen, die der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität einer Person oder ihrem Wunsch nach einem eher weiblichen oder eher männlichen Körperbild zum Ausdruck verhelfen. 

Bund will Beratungsangebot starten

Der Gesetzentwurf sieht neben dem Verbot ein Beratungsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für alle betroffenen Personen, Angehörige und zum Beispiel Personen vor, die sich beruflich mit dem Thema befassen und dazu beraten. Die Beratung soll kostenfrei, mehrsprachig und anonym erfolgen – als Telefon- und Onlineberatung.

Konversionstherapien werden in Deutschland noch immer angeboten

Wie das Gesundheitsministerium betont, ist das Verbot erforderlich, weil es in Deutschland Organisationen gibt, die immer noch die Überzeugung vertreten und verbreiten, nicht heterosexuelle Orientierungen (zum Beispiel Homo- oder Bisexualität) oder abweichende Geschlechtsidentitäten (zum Beispiel Transgeschlechtlichkeit) seien eine "Krankheit" und behandlungsbedürftig. Sie böten Konversionstherapien an, die darauf abzielten, die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken. 

Depressionen und Angsterkrankungen als Folgeerscheinungen möglich

Auf die Frage, warum Konversionstherapien gefährlich sind, antwortet das Gesundheitsministerium, keine der bekannten Studien lasse den Schluss zu, dass die sexuelle Orientierung dauerhaft verändert werden kann. Wissenschaftlich nachgewiesen seien aber schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch solche "Therapien" wie Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko. Nachgewiesen seien zudem Stigmatisierungs- und Diskriminierungseffekte auf Dritte in Form von Minderheitenstress.

Regelung in eigenem Gesetz

Das Verbot sei in einem eigenständigen Gesetz und nicht im StGB geregelt worden, weil das spezifische Unrecht der Konversionstherapien vor allem in der Beeinträchtigung der sexuellen und geschlechtlichen Selbstbestimmung und der Gesundheit der Betroffenen, meistens durch psychische Einwirkungen, liege. Das gegenwärtige Strafrecht trage dem nicht ausreichend Rechnung. Ein eigenständiges Gesetz ermögliche, die Straf- und Bußgeldvorschriften und das Beratungsangebot in einem Gesetz zu bündeln. Andernfalls hätten die Regelungen auf verschiedene Gesetze verteilt werden müssen.

Redaktion beck-aktuell, 8. Mai 2020.