Bun­des­tag be­schlie­ßt "Turbo" für wich­ti­ge Ver­kehrs­pro­jek­te

Für viele Pend­ler ist es eine Ge­dulds­pro­be: Wie lange dau­ert es noch, bis eine ma­ro­de Brü­cke sa­niert ist, die ihren Zug Tag für Tag aus­bremst? Und wann wird die neue Stra­ßen­bahn­li­nie ge­baut? Aus­bau und Er­halt des Ver­kehrs­net­zes in Deutsch­land sind oft gar nicht ein­mal eine Frage des Gel­des. Um mehr Tempo in lang­wie­ri­ge Pla­nungs­ver­fah­ren zu be­kom­men, hat der Bun­des­tag am 31.01.2020 ein Ge­set­zes­pa­ket von Ver­kehrs­mi­nis­ter An­dre­as Scheu­er (CSU) be­schlos­sen. Für ein gutes Dut­zend Pro­jek­te soll eine Ge­neh­mi­gung über Ge­set­ze mög­lich wer­den, die der Bun­des­tag di­rekt be­schlie­ßen kann.

Scheu­er: Ge­neh­mi­gungs- und Pla­nungs­ver­fah­ren zu kom­pli­ziert

Scheu­er sagte, es gelte, wich­ti­ge Bau­pro­jek­te von der "Stand­spur auf die Be­schleu­ni­gungs­spur" zu brin­gen. Dies sei ein ent­schei­den­der Punkt, um die In­fra­struk­tur aus­zu­bau­en. "Geld al­lei­ne reicht nicht." Viele Mit­tel wür­den bis­her nicht ab­ge­ru­fen, weil es kom­pli­zier­te und lange Ge­neh­mi­gungs- und Pla­nungs­ver­fah­ren gebe. Daher solle nun ein "Turbo" ein­ge­legt wer­den. 

Ge­neh­mi­gung für aus­ge­wähl­te Vor­ha­ben di­rekt vom Bun­des­tag

Kon­kret soll für aus­ge­wähl­te wich­ti­ge Vor­ha­ben auf der Schie­ne und für Was­ser­stra­ßen künf­tig ein neues Ver­fah­ren mög­lich sein: Statt von Be­hör­den soll die Ge­neh­mi­gung di­rekt vom Bun­des­tag kom­men, der das per Ge­setz re­gelt. Das soll auch die Ak­zep­tanz stei­gern, er­war­tet das Mi­nis­te­ri­um – denn das Par­la­ment sei de­mo­kra­tisch le­gi­ti­miert. Vor einem Ge­setz soll es wei­ter­hin Um­welt­prü­fun­gen und eine Be­tei­li­gung der Öf­fent­lich­keit geben. Wel­che Pro­jek­te in­fra­ge kom­men, ist ei­gens fest­ge­legt – zu­erst soll­ten es zwölf sein, zwei Er­gän­zun­gen kamen dann noch dazu. Dar­un­ter sind Bahn­stre­cken von Mag­de­burg nach Halle, von Han­no­ver nach Bie­le­feld und vom Fest­land nach Sylt sowie zum Bei­spiel die Ver­tie­fung des Nord-Ost­see-Ka­nals.

Zu­sätz­li­che Mil­li­ar­den für Bun­des­bahn

Die Be­schleu­ni­gung steht auch im Zu­sam­men­hang mit dem Kli­ma­schutz­pro­gramm der Bun­des­re­gie­rung. Ge­ra­de die Bahn spielt darin eine zen­tra­le Rolle, damit mehr Bür­ger vom Auto in Züge um­stei­gen. Der bun­des­ei­ge­ne Kon­zern be­kommt zu­sätz­li­che Mil­li­ar­den für den Aus­bau des Net­zes, denn an vie­len Stel­len gibt es Eng­päs­se.

Bahn­über­gän­ge sol­len er­setzt wer­den

An­set­zen will Scheu­er auch bei Bahn­über­gän­gen. Sie sol­len schnel­ler durch Brü­cken oder Un­ter­füh­run­gen er­setzt wer­den, damit Züge und Autos nicht aus­ge­bremst wer­den. Das schei­tert aber oft an klam­men Kom­mu­nen. Denn bis­her tra­gen der Bund, die Bahn als Netz­be­trei­be­rin und die Kom­mu­nen je­weils ein Drit­tel der Kos­ten – viele Städ­te haben aber kein Geld dafür. Künf­tig soll der Bund des­we­gen die Hälf­te der Kos­ten tra­gen, die Bahn ein Drit­tel und das Land, in dem die Ver­kehrs­kreu­zung liegt, ein Sechs­tel. Das soll auch Im­pul­se dafür set­zen, Über­gän­ge mit er­höh­tem Ge­fähr­dungs­po­ten­zi­al oder einer hohen Ver­kehrs­be­las­tung auf Stra­ße und Schie­ne zü­gi­ger zu be­sei­ti­gen.

We­ni­ger auf­wen­di­ges Ver­fah­ren bei we­sent­lich un­ver­än­der­ten Neu­bau­ten

Bei Er­satz­bau­ten für ma­ro­de Stra­ßen und Schie­nen­stre­cken sol­len Ge­neh­mi­gungs- und Pla­nungs­ver­fah­ren ver­ein­facht wer­den. Bis­her seien auch dafür neue Ver­fah­ren nötig, das daue­re dann oft Jahre, sagte Scheu­er. Wenn sich der Neu­bau nicht we­sent­lich än­dert, soll es daher künf­tig nicht mehr zwin­gend ein auf­wen­di­ges Ver­fah­ren geben müs­sen. Auch Li­ni­en für Stra­ßen­bah­nen und U-Bah­nen sol­len künf­tig schnel­ler ge­baut wer­den kön­nen. Dabei sol­len auch "Pro­jekt­ma­na­ger" hel­fen, die Ämter bei An­hö­run­gen un­ter­stüt­zen. Ins­ge­samt sind die Mit­tel für Ver­kehrs­pro­jek­te in den ver­gan­ge­nen Jah­ren deut­lich er­höht wor­den. Eine schnel­le Um­set­zung schei­tert aber auch an feh­len­den Pla­nungs­ka­pa­zi­tä­ten, teils gibt es in be­trof­fe­nen Kom­mu­nen An­woh­ner­pro­tes­te.

Grü­nen-Ver­kehrs­ex­per­te: Feh­len­des Be­hör­den­per­so­nal Grund für lange Ver­fah­ren

An den "Turbo"-Ge­set­zen wurde denn auch prompt Kri­tik laut. Der Grü­nen-Ver­kehrs­ex­per­te Ste­phan Kühn warn­te, Rech­te von Bür­gern und Ver­bän­den ein­zu­schrän­ken. So werde keine Ak­zep­tanz ge­schaf­fen. Haupt­grund für lange Ver­fah­ren sei feh­len­des Per­so­nal, die Be­hör­den seien in den ver­gan­ge­nen Jah­ren "ka­putt­ge­spart" wor­den. Nötig sei eine Ein­stel­lungs­of­fen­si­ve: "Nur dann kom­men wir schnel­ler voran." Der Bund für Um­welt und Na­tur­schutz Deutsch­land warn­te, ein­zel­ne Pro­jek­te per Ge­setz zu er­las­sen, be­deu­te eine "Aus­höh­lung des Rechts­staats". Das be­schnei­de Bür­ger und Um­welt­ver­bän­de er­heb­lich in Mög­lich­kei­ten, etwa gegen Ar­ten­schutz-Vor­stö­ße vor­zu­ge­hen.

FDP for­dert di­gi­ta­li­sier­te­res Pla­nungs­recht

Die Ei­sen­bahn- und Ver­kehrs­ge­werk­schaft be­grü­ß­te es da­ge­gen, bei Er­satz für alte Brü­cken auf auf­wen­di­ge Ver­fah­ren zu ver­zich­ten. "Das hilft, die jetzt zur Ver­fü­gung ge­stell­ten Mit­tel schnel­ler zu ver­bau­en." Aus Sicht der FDP sind die Ge­set­ze nur ein ers­ter Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung. Nötig gegen den Sa­nie­rungs­stau seien eine per­so­nel­le Stär­kung der Pla­nungs­be­hör­den und mehr Di­gi­ta­li­sie­rung im Pla­nungs­recht, sagte Frak­ti­ons­vi­ze Frank Sitta.

Redaktion beck-aktuell, Sascha Meyer und Andreas Hoenig, 3. Februar 2020 (dpa).

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