Bun­des­tag be­schlie­ßt Mil­li­ar­den-Um­schich­tung - Union will kla­gen
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© Bernd von Jutrczenka / dpa
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Die Bun­des­re­gie­rung be­kommt Mil­li­ar­den-Spiel­raum für In­ves­ti­tio­nen in den Kli­ma­schutz. Der Bun­des­tag be­schloss am Don­ners­tag den um­strit­te­nen, von Fi­nanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lind­ner (FDP) vor­leg­ten Nach­trags­haus­halt für 2021. Damit wer­den 60 Mil­li­ar­den Euro um­ge­schich­tet, die als Kre­di­te be­reits ge­neh­migt waren, 2021 aber nicht mehr ge­braucht wur­den. Die Union hält dies für ver­fas­sungs­wid­rig und un­ter­nahm erste Schrit­te für eine Klage.

Gel­der waren für die Be­wäl­ti­gung der Co­ro­na-Pan­de­mie ge­neh­migt

Lind­ner und die Ampel-Ko­ali­ti­on wol­len das Geld zweck­ge­bun­den für In­ves­ti­tio­nen in Kli­ma­schutz und die Trans­for­ma­ti­on der Wirt­schaft nut­zen. Dazu ge­hö­ren etwa en­er­gie­ef­fi­zi­en­te­re Ge­bäu­de und eine CO2-neu­tra­le Mo­bi­li­tät. Der Ge­bäu­de- und der Ver­kehrs­be­reich ge­hö­ren bis­her zu den grö­ß­ten Sor­gen­kin­dern beim Kli­ma­schutz. Au­ßer­dem will die Ampel die In­dus­trie bei In­ves­ti­tio­nen in neue Pro­duk­ti­ons­an­la­gen un­ter­stüt­zen. Strom­kun­den sol­len durch Ab­schaf­fung der EEG-Um­la­ge in der Strom­rech­nung ent­las­tet wer­den. Ur­sprüng­lich waren die Kre­di­te al­ler­dings zur Be­wäl­ti­gung der Co­ro­na-Pan­de­mie ge­neh­migt wor­den. 240 Mil­li­ar­den Euro neue Schul­den hatte der Bun­des­tag der Bun­des­re­gie­rung des­we­gen ge­stat­tet und dafür die Schul­den­brem­se außer Kraft ge­setzt.

Fast 85 Mil­li­ar­den Euro gar nicht auf­ge­nom­men

In­zwi­schen steht fest: Fast 85 Mil­li­ar­den Euro die­ser Kre­di­te wur­den im ver­gan­ge­nen Jahr gar nicht auf­ge­nom­men. Das liegt zum einen an hö­he­ren Steu­er­ein­nah­men als ge­plant. Doch es liege auch daran, dass viele Aus­ga­ben wegen der Pan­de­mie lie­gen­ge­blie­ben seien, sagte SPD-Haus­häl­ter Den­nis Rohde. Diese In­ves­ti­tio­nen soll­ten – mit einem Teil der nicht ge­nutz­ten Kre­di­te – jetzt nach­ge­holt wer­den. "Wir wol­len diese Pan­de­mie nach­hal­tig ver­las­sen. Wir wol­len ein Long Covid für die deut­sche Wirt­schaft ver­hin­dern", be­ton­te Rohde. 60 Mil­li­ar­den Euro wer­den nun also in den so­ge­nann­ten En­er­gie- und Kli­ma­fonds ver­scho­ben – darin ist vor­ge­schrie­ben, für wel­che In­ves­ti­tio­nen das Geld in den nächs­ten Jah­ren genau ge­nutzt wer­den darf. Die rest­li­chen 24,8 Mil­li­ar­den Euro ver­rin­gern die Ver­schul­dung des Bun­des, die er­laub­te Neu­ver­schul­dung wird also nicht kom­plett aus­ge­schöpft. Die Schul­den­quo­te steigt damit laut Fi­nanz­mi­nis­te­ri­um we­ni­ger stark als ge­plant auf rund 70% der Wirt­schafts­leis­tung. Sie liegt deut­lich unter dem Wert in der Fi­nanz­kri­se (82% in 2010).

Union plant Nor­men­kon­troll­kla­ge

Die op­po­si­tio­nel­le Union stimm­te dem Nach­trags­haus­halt im Bun­des­tag wie auch Linke und AfD nicht zu – statt­des­sen zieht sie vor Ge­richt. So­bald die Haus­halts­plä­ne im Bun­des­rat be­schlos­sen sind, soll eine Nor­men­kon­troll­kla­ge ein­ge­reicht wer­den. "Das Ver­fas­sungs­ge­richt wird sich damit aus­ein­an­der­set­zen und wir gehen davon aus, dass es dann auch mög­li­cher­wei­se im Rah­men einer einst­wei­li­gen Ver­fü­gung die­sen Haus­halt für ver­fas­sungs­wid­rig er­klä­ren wird", sagte CSU-Lan­des­grup­pen­chef Alex­an­der Dobrindt. Er sprach von einem "Be­trug an der Schul­den­brem­se". Es wür­den jetzt Schul­den auf­ge­nom­men, die man nicht brau­che, nur um Aus­ga­ben in der Zu­kunft zu fi­nan­zie­ren, die man noch gar nicht kenne. Uni­ons-Haus­häl­ter Ma­thi­as Mid­del­berg spe­ku­lier­te, Lind­ner werde wahr­schein­lich auch den Haus­halt 2022 noch nut­zen, "um sich die Ta­schen vol­ler Geld zu laden" und dann nicht Pan­de­mie­be­kämp­fung, son­dern Kli­ma­wen­de­po­li­tik zu be­trei­ben. "Sie wol­len die Schul­den­brem­se um­ge­hen", sagte er an den Fi­nanz­mi­nis­ter ge­rich­tet. Auch der Bun­des­rech­nungs­hof hält den Nach­trags­haus­halt für "ver­fas­sungs­recht­lich zwei­fel­haft". Denn der Zu­sam­men­hang zwi­schen der 60-Mil­li­ar­den-Euro-Um­schich­tung und der Be­kämp­fung der Co­ro­na-Pan­de­mie werde nicht schlüs­sig er­läu­tert. Der Kli­ma­wan­del müsse mit den nor­ma­len Haus­halts­re­geln be­wäl­tigt wer­den.

Lind­ner will Schul­den­brem­se ein­hal­ten

Lind­ner hat zu­letzt immer wie­der be­tont, dass er ab 2023 die Schul­den­brem­se im Grund­ge­setz wie­der ohne Aus­nah­me­re­gel ein­hal­ten will. Damit wären nur noch Kre­di­te in ganz ge­rin­gem Rah­men mög­lich. Für die im Ko­ali­ti­ons­ver­trag ge­plan­ten In­ves­ti­tio­nen unter an­de­rem in den Kli­ma­schutz braucht die Bun­des­re­gie­rung aber viel Geld – mehr vor­aus­sicht­lich als sie ein­nimmt. Auch im ver­gan­ge­nen Jahr hat­ten Union und SPD, die da­ma­li­ge Bun­des­re­gie­rung, eine ähn­li­che Um­schich­tung nicht ge­nutz­ter Kre­di­te im Haus­halt be­schlos­sen. FDP-Frak­ti­ons­vi­ze Chris­toph Meyer warf der Union des­we­gen Schi­zo­phre­nie vor: Sie kri­ti­sie­re jetzt ein Vor­ge­hen als ver­fas­sungs­wid­rig, das sie selbst vor we­ni­gen Mo­na­ten noch un­ter­stützt habe. Der Grü­nen-Haus­häl­ter Sven-Chris­ti­an Kind­ler sprach von Dop­pel­mo­ral und Schein­hei­lig­keit der Union. Wenn der Bund seine Ver­pflich­tun­gen für die Zu­kunft ernst nehme, müsse er pan­de­mie­be­ding­te In­ves­ti­tio­nen mit Kli­ma­schutz ver­bin­den.

Redaktion beck-aktuell, Theresa Münch, 28. Januar 2022 (dpa).

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