Bundestag beschließt härtere Strafen gegen Hass und Hetze im Netz
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Der Bundestag hat am 18.06.2020 das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität beschlossen. Danach müssen soziale Netzwerke künftig bestimmte Posts nicht nur löschen, sondern sofort dem Bundeskriminalamt (BKA) melden. Um Täter schnell zu identifizieren, müssen sie auch IP-Adressen weitergeben. "Wer hetzt und droht, muss mit Anklagen und Verurteilungen rechnen", betonte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD).

Strafbarkeit bei Bedrohung und Beleidigung wird ausgeweitet

Bislang ist nach § 241 StGB nur die Bedrohung mit einem Verbrechen – meist die Morddrohung – strafbar. Künftig werden nach Mitteilung des Bundesjustizministeriums auch Drohungen mit Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen Sachen von bedeutendem Wert, die sich gegen die Betroffenen oder ihnen nahestehende Personen richten, strafbar sein. Der Strafrahmen wird nach der Neuregelung bei Drohungen im Netz bei bis zu zwei Jahren – und bei der Drohung mit einem Verbrechen, die öffentlich erfolgt, bei bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe liegen. Bislang ist der Strafrahmen bei Bedrohungen bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Wer öffentlich im Netz andere beleidigt, kann künftig mit bis zu zwei statt mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden (§ 185 StGB). Der besondere Schutz des § 188 StGB vor Verleumdungen und übler Nachrede soll ausdrücklich auf allen politischen Ebenen gelten, also auch für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, und auch auf den Schutz vor Beleidigungen ausgedehnt werden.

Auch Billigung künftiger schwerer Taten einbezogen

Bei der Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) soll auch die Billigung künftiger schwerer Taten erfasst werden, wenn diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Dies richte sich gegen Versuche, ein Klima der Angst zu schaffen. Das öffentliche Befürworten der Äußerung, jemand gehöre "an die Wand gestellt" sei ein Beispiel für die künftige Strafbarkeit, heißt es in der Mitteilung des Justizministeriums. Bei der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB) werde in Zukunft auch die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung und von schweren Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung umfasst sein. Antisemitische Tatmotive sollen ausdrücklich als strafschärfende Beweggründe in das Strafgesetzbuch aufgenommen (§ 46 Abs. 2 StGB) werden. Vorgesehen ist zudem ein besserer Schutz von Notdiensten (§ 115 StGB). Rettungskräfte im Einsatz sind erst vor zwei Jahren strafrechtlich besser vor Attacken geschützt worden. Dieser Schutz wird nun auf Personal in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen ausgedehnt.

Pflicht sozialer Netzwerke zur Meldung an das Bundeskriminalamt

Soziale Netzwerke werden strafbare Postings nach dem neuen Gesetz künftig nicht mehr nur löschen, sondern in bestimmten schweren Fällen auch dem Bundeskriminalamt (BKA) melden müssen, damit die strafrechtliche Verfolgung ermöglicht wird. Um Täter schnell identifizieren zu können, müssen soziale Netzwerke dem BKA auch die IP-Adresse und Port-Nummer, die dem Nutzerprofil zuletzt zugeteilt war, mitteilen. Die Meldepflicht soll folgende Straftaten umfassen: Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a StGB), Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§§ 89a, 91 StGB) sowie Bildung und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen (§§ 129 bis 129b StGB), Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen (§§ 130, 131 StGB) sowie Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB), Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB), Bedrohungen mit Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit (§ 241 StGB), Verbreitung kinderpornografischer Aufnahmen (§ 184b StGB). Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung sind dagegen nicht von der Meldepflicht umfasst. Soziale Netzwerke sollen allerdings künftig Nutzerinnen und Nutzer darüber informieren, wie und wo sie Strafanzeige und erforderlichenfalls Strafantrag stellen können.

Auskunftssperre bei von Anfeindungen oder Angriffen betroffene Personen

Künftig werden nach den Plänen des Bundestags von Bedrohungen, Beleidigungen und unbefugten Nachstellungen Betroffene leichter eine Auskunftssperre im Melderegister eintragen lassen können und so davor geschützt sein, dass ihre Adressen weitergegeben werden. Dazu werde § 51 des Bundesmeldegesetzes geändert. Die Meldebehörden müssten berücksichtigen, ob die betroffene Person einem Personenkreis angehört, der sich aufgrund beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeiten in verstärktem Maße Anfeindungen oder Angriffen ausgesetzt sieht. Bei einer melderechtlichen Auskunftssperre werde (wie bisher) bei Kandidatinnen und Kandidaten auf Wahllisten nicht mehr die Wohnanschrift angegeben.

Opposition hat Datenschutz-Bedenken

Es sei gut, dass es dieses Gesetz gibt und die vorgesehene Meldepflicht sei gut, aber "dass massenhaft Benutzerdaten, ohne vorherige rechtliche Prüfung (...) ans BKA gehen und da erstmal bleiben (...), das ist nicht in Ordnung", sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast in der Debatte im Bundestag. Deswegen habe ihre Fraktion einen Änderungsantrag gestellt. Auch der Linken-Abgeordnete Niema Movassat kritisierte: "Das ist eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür." Durch die vorgesehene Herausgabe der IP-Adressen würden massenhaft Daten an das BKA weitergeleitet – "und zwar immer schon dann, wenn eventuell eine Straftat vorliegt". Die Netzwerke würden kaum genau juristisch prüfen, was eine Straftat ist und was nicht. Der FDP-Abgeordnete Benjamin Strasser kritisierte die aus seiner Sicht "rechtsstaatlich höchst bedenkliche" Herausgabepflicht von Passwörtern von Telemedienanbietern: "Das lehnen wir ab."

AfD sieht Meinungsfreiheit bedroht - Union kontert

Die AfD hingegen sieht die Meinungsfreiheit durch das Gesetz massiv bedroht, wie der Abgeordnete Stephan Brandner sagte. "Durch Begriffe wie Hasskriminalität oder Hassrede wird die Grenze der Meinungsfreiheit bewusst verwischt." Bürger bekämen Angst, sich zu äußern. "Die Verrohung im Netz bedroht unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, weil Menschen sich nicht mehr trauen, ihre Meinung frei und offen zu äußern", betonte dagegen der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Jan-Marco Luczak. Der Staat dürfe nicht zusehen, wenn versucht wird, Menschen mundtot zu machen und einen offenen Diskurs zu ersticken. "Deswegen steuern wir heute energisch entgegen. Wer im Netz hetzt und droht, wird künftig härter bestraft und effektiver verfolgt", sagte er. Nicht hinnehmbare Strafbarkeitslücken würden geschlossen.

Jung: Kompetenz zur IP-Adressabfrage für BKA erforderlich

"Endlich können wir auch die Betreiber sozialer Netzwerke mit in die Verantwortung nehmen und dazu verpflichten, die gemeldeten und strafbaren Inhalte an die Strafverfolgungsbehörden auszuleiten", sagte auch der zuständige Berichterstatter Ingmar Jung (CDU). Wichtig sei auch hier die Zentralstellenfunktion des BKA in Wiesbaden. Dort würden die gemeldeten Inhalte gesammelt, geprüft und an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergeleitet. So bleibe das Verfahren effektiv und gleichzeitig werde der Prüfungs- und Bürokratieaufwand bei den sozialen Netzwerken auf ein Mindestmaß begrenzt, erläuterte er. Zur Sicherung der Strafverfolgung müsse das BKA dann aber auch die eigene Kompetenz zur IP-Adressabfrage haben, so Jung.

Redaktion beck-aktuell, 19. Juni 2020 (ergänzt durch Material der dpa).