Bundesrat versagt Bürgergeld die Zustimmung
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In seiner Sondersitzung am 14.11.2022 hat der Bundesrat dem Bürgergeld-Gesetz die Zustimmung versagt. In der Abstimmung erhielt der Bundestagsbeschluss nicht die erforderliche absolute Mehrheit von 35 Stimmen. Bundestag oder Bundesregierung können nun den Vermittlungsausschuss anrufen, um mit den Ländern über einen Kompromiss zu verhandeln.

Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitsuche

Mit dem vom Bundestag beschlossenen Bürgergeld sollen sich die über fünf Millionen Menschen, die in Deutschland Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitsuche konzentrieren können. Der Gesetzesbeschluss gestaltet zudem die Berechnung der Regelbedarfe neu – sie sollen künftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst werden. Die Regelbedarfe für das kommende Jahr sind bereits entsprechend berechnet. Ab 01.01.2023 soll etwa ein alleinstehender Erwachsener 502 Euro erhalten. Das sind 53 Euro mehr als bisher.

Karenzzeit für mehr Konzentration auf Arbeitssuche

Damit die Leistungsberechtigten sich auf die Arbeitsuche konzentrieren können, sieht der Gesetzesbeschluss für die ersten zwei Jahre des Bürgergeldbezugs eine sogenannte Karenzzeit vor: Die Kosten für die Unterkunft sollen in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen werden, die Heizkosten in angemessener Höhe. Vermögen soll nicht berücksichtigt werden, sofern es nicht erheblich ist. Leistungsberechtigte sollen eine Selbstauskunft erteilen müssen, um zu bestätigen, dass ihr Vermögen die Grenzwerte für das Schonvermögen nicht überschreitet. Für Bürgergeldbeziehende sind zudem höhere Freibeträge geplant als bislang. Die bisherige Eingliederungsvereinbarung soll durch einen Kooperationsplan abgelöst werden, den Leistungsberechtigte und Integrationsfachkräfte gemeinsam erarbeiten. Dieser Plan soll dann als "roter Faden" im Eingliederungsprozess gelten. Mit Abschluss des Kooperationsplans soll eine Vertrauenszeit gelten. In diesem Zeitraum soll ganz besonders auf Vertrauen und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesetzt werden.

Leistungsminderungen weiter möglich

Wer Termine nicht wahrnimmt, müsste nach dem Gesetz in der vom Bundestag beschlossenen Fassung auch weiterhin mit Sanktionen rechnen – allerdings nur im Wiederholungsfall. Leistungsminderungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse betragen dann höchstens 30% des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs. Kosten der Unterkunft und Heizung werden nicht gemindert. Es gibt keine Leistungsminderung, sollte sie im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen. Die verschärften Sonderregelungen für die unter 25-jährigen Hilfeempfänger sollen entfallen.

Arbeitsmarktzugang Geringqualifizierter verbessern

Geringqualifizierte sollen auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll Leistungsberechtigten helfen, die besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen. Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende könnten künftig mehr ihres selbstverdienten Geldes behalten, damit junge Menschen die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, einen Schüler- oder Studentenjob aufzunehmen. Die großzügigeren Freibeträge für Minijob-Verdienste sollen bis zu drei Monate nach Schulabschluss gelten. Außerdem sollen die Regelungen zum "Sozialen Arbeitsmarkt" unbefristet gelten. Deren Ziel ist es, besonders arbeitsmarktfernen Menschen soziale Teilhabe durch längerfristige öffentlich geförderte Beschäftigung zu ermöglichen und Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen. Bislang sollte die Regelung am 31.12.2024 auslaufen.

Heil verteidigt Bürgergeld

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte in der Sondersitzung nochmals vehement für das zentrale Reformprojekt der Ampel-Koalition geworben. Kritik der Opposition etwa an der zulässigen Vermögenshöhe und der erlaubten Wohnungsgröße für Leistungsbezieher wies er zurück. Hier werde mit Zerrbildern von Riesen-Villen oder großen Vermögen gearbeitet. "Das ist nicht die Realität. Die meisten Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, die haben keine dicken Rücklagen mehr." Es gebe genügend Gründe, schon im Bundesrat zuzustimmen, sagte Heil. "Für den Fall, dass heute im Bundesrat das Bürgergeld noch keine Mehrheit findet, wird die Bundesregierung noch am heutigen Tag den Vermittlungsausschuss anrufen." Für diesen Fall "ist meine Hand zur Lösung ausgestreckt", sagte Heil noch vor der Abstimmung. Ziel sei es, bis zur nächsten regulären Bundesratssitzung am 25. November zu einer Einigung zu kommen. Das Gesetzgebungsverfahren müsse noch bis Ende November abgeschlossen werden, damit das Gesetz am 01.01.2023 in Kraft treten könne.

Kritik aus der Union

Scharfe Kritik kam vor allem von Bayern, das in der Länderkammer dann mit Nein stimmte. "Das Gesetz ist und bleibt das falsche Signal zur falschen Zeit", sagte der Staatsminister für Bundesangelegenheiten, Florian Herrmann (CSU). Vom Grundsatz "Fördern und Fordern" der Hartz-IV-Reform, der richtig gewesen sei, bleibe nur wenig übrig. Sanktionsmöglichkeiten gegenüber unkooperativen Leistungsbeziehern seien fast völlig ausgeschlossen, das Schonvermögen sei völlig überhöht angesetzt. "Damit sendet die Ampelkoalition das Signal: Arbeiten lohnt sich immer weniger." Das Gesetz sei "von Grund auf sozial unausgewogen".

Vermittlungsausschuss

Nun muss vermutlich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat ran. Er besteht aus 32 Mitgliedern - je 16 von Bundestag und Bundesrat. Sie sind nicht an Weisungen gebunden. Erzielt der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss, was meistens der Fall ist, dann muss der Gesetzentwurf in seiner neuen Fassung nochmals vom Bundestag und anschließend auch vom Bundesrat beschlossen werden. Der Bundestag hatte den Gesetzentwurf am vergangenen Donnerstag mit der Mehrheit von SPD, Grünen und FDP verabschiedet. Einen Vorschlag der Union, die Erhöhung der Regelsätze aus dem Entwurf auszukoppeln und separat zum 1. Januar in Kraft treten zu lassen, lehnten die Ampel-Fraktionen ab.

Redaktion beck-aktuell, 14. November 2022.