Bundesrat stimmt Corona-Ausnahmeregelungen und weiteren Gesetzen zu
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In seiner 1004. Sitzung hatte der Bundesrat ein umfangreiches Programm. Er stimmte heute zahlreichen Gesetzen zu. Darunter den Corona-Ausnahmeregelungen für Geimpfte und Genesene, der TKG-Novelle, der Reform der Kinder- und Jugendhilfe und einem besseren Schutz für Gerichtsvollzieher.

Corona: Ausnahmen für Geimpfte und Genesene

Einen Tag nach dem Bundestag hat heute in einem Eilverfahren auch der Bundesrat einer Verordnung zugestimmt, die Erleichterungen und Ausnahmen von Corona-Schutzmaßnahmen für vollständig Geimpfte und Genesene bundesweit vorsieht. Diese Personengruppen können künftig ohne vorherige Tests einkaufen, zum Friseur, zur Fußpflege, in Zoos oder botanische Gärten gehen. Sie gelten also rechtlich wie Personen, die einen aktuellen negativen Test nachweisen können. Außerdem zählen sie bei Kontaktbeschränkungen für private Zusammenkünfte oder Sportausübung nicht mit und die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen gelten für sie nicht. Schließlich entfällt für sie auch die Quarantänepflicht, wenn sie aus Corona-Risikogebieten zurückkehren oder im Kontakt mit Corona-Infizierten waren.

Weiterhin Maskenpflicht

Unberührt bleiben allerdings die Vorgaben zum Tragen einer Schutzmaske oder zum Abstandhalten im Rahmen von Hygieneschutzkonzepten. Eine Öffnungsklausel gibt den Ländern die Möglichkeit, weitere Ausnahmen für vollständig geimpfte, genesene und getestete Personen vorzusehen, wo sie selbst noch Regelungskompetenzen für Gebote und Verbote haben. Die Sperrwirkung des Bundesrechts wird insoweit aufgehoben. Sofern das aktuelle Infektionsgeschehen sich verändert, etwa neue besorgniserregende Virusvarianten entstehen, zu denen keine ausreichenden Erkenntnisse über die Wirksamkeit einer Immunisierung durch Impfungen oder überstandene Erkrankung gibt, könne der Bedarf für weitere Änderungen der bundesweiten Verordnung entstehen, betont die Bundesregierung.

Zusätzliche Milliarden für die Pandemie-Hilfe

Der Bundesrat hat weiter den vom Bundestag am 23.04.2021 verabschiedeten Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan für das laufende Haushaltsjahr 2021 gebilligt. Er macht damit den Weg frei für eine Erhöhung des Bundeshaushalts um 50 Milliarden Euro. Von den zusätzlichen Mitteln sind 25,5 Milliarden Euro für Unternehmenshilfen eingeplant. Mit weiteren Geldern sollen beim Bundesministerium für Gesundheit zusätzliche Ausgaben ausgeglichen werden, die seit Jahresbeginn geleistet wurden. Allein auf die Impfstoffbeschaffung entfallen rund 6,2 Milliarden Euro. Berücksichtigt werden auch Steuermindereinnahmen in Höhe von rund neun Milliarden Euro für Hilfen wie den Kinderbonus und weitere steuerliche Entlastungen. Die Nettokreditaufnahme steigt damit auf 240 Milliarden Euro.

Höhere Strafen für Kindesmissbrauch

Der Bundesrat hat den Gesetzesbeschluss des Bundestages zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder gebilligt. Das Gesetz sieht ein Bündel von Maßnahmen vor, insbesondere Verschärfungen des Strafrechts. Der Grundtatbestand des Kindesmissbrauchs wird künftig als Verbrechen mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Verbreitung, Besitz und Besitzverschaffung von Kinderpornografie sollen ebenfalls zum Verbrechen hochgestuft werden. Dementsprechend sollen auch dort höhere Strafen drohen. Weiter erfassen die Strafvorschriften über den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen und in Abhängigkeitsverhältnissen künftig auch Handlungen mit oder vor Dritten. Schließlich soll die Verjährungsfrist bei der Herstellung kinderpornografischer Inhalte, die ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, erst mit Vollendung des 30. Lebensjahrs des Opfers beginnen.

Verbrechensprävention und bessere Verfolgung

Ein zweiter Schwerpunkt des Vorhabens liegt in den Bereichen Prävention und Qualifizierung der Justiz. So wird die persönliche Anhörung von Kindern in Kindschaftsverfahren grundsätzlich Standard sein - unabhängig von deren Alter. Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sind erheblich längere Fristen für die Aufnahme von relevanten Verurteilungen ins erweiterte Führungszeugnis vorgesehen. Schließlich regelt das Gesetz Qualifikationsanforderungen für die Richter- und Staatsanwaltschaft in Familien- und Jugendverfahren sowie für Verfahrensbeistände von Kindern gesetzlich und fasst sie damit konkreter und verbindlicher. Weiteres Ziel ist eine effektivere Strafverfolgung. So sollen Verdächtige leichter in Untersuchungshaft kommen. Das Gesetz erlaubt Telekommunikationsüberwachung künftig auch bei Ermittlungen wegen Sichverschaffens oder Besitzes von Kinderpornografie. Zudem kann häufiger eine Onlinedurchsuchung angeordnet werden.

Kinder- und Jugendhilfe reformiert

Der Bundesrat hat auch der Reform der Kinder- und Jugendhilfe zugestimmt. Sie soll Minderjährige aus einem belastenden Lebensumfeld, die in Heimen oder Pflegefamilien leben, besser schützen und ihnen mehr Chancen auf Teilhabe geben. So werden Heime und ähnliche Einrichtungen einer strengeren Aufsicht und Kontrolle unterstellt. Kinder in Pflegefamilien verbleiben auf Anordnung des Familiengerichts dauerhaft dort, wenn dies zum Schutz und Wohl des Kindes erforderlich ist. Alle beteiligten Stellen sollen besser miteinander kooperieren, etwa bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. In Notsituationen können sich die Betroffenen an eine Erziehungsberatungsstelle in ihrer Umgebung wenden und dort unbürokratisch Hilfe erhalten. In den Ländern soll eine bedarfsgerechte Struktur von unabhängigen Ombudsstellen entstehen. Die Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien werden erweitert.

Kostenbeteiligung sinkt auf 25%

Junge Menschen in Pflegefamilien und Einrichtungen der Erziehungshilfe, die Einkommen aus Schülerjobs, Praktika oder einer Ausbildung haben, müssen sich künftig nur noch mit 25% an den Kosten beteiligen - bislang waren es 75%. Dabei bleibt ein Freibetrag von 150 Euro des Einkommens von der Kostenbeteiligung ausgenommen. Einkommen aus kurzfristigen Ferienjobs und ehrenamtlicher Tätigkeit sind gänzlich freigestellt. Die Reform bündelt staatliche Leistungen und Hilfen für Kinder- und Jugendliche mit Behinderungen in den kommenden Jahren im SGB VIII. Prinzipiell soll die Inklusion als Leitgedanke in der Kinder- und Jugendhilfe und die grundsätzlich gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung verankert werden. In einer begleitenden Entschließung weist der Bundesrat darauf hin, dass das Gesetz mit erheblichen Kostenfolgen für die Länder verbunden sind, die diese nicht tragen können. Er fordert die Bundesregierung daher auf, dauerhaft einen vollständigen Kostenausgleich für Länder und Kommunen zu schaffen.

Mehr Schutz für Gerichtsvollzieher

Nur einen Tag nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat einem Gesetz zugestimmt, das Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher besser vor Gewalt schützen soll und die Pfändungsfreigrenzen bei der Zwangsvollstreckung erhöht. Gerichtsvollzieher sollen im Vorfeld von Vollstreckungseinsätzen leichter Informationen über mögliche Gefahrenlagen erhalten: Sie dürfen künftig bei der Polizei Auskünfte über Schuldnerinnen und Schuldner oder weitere an der Vollstreckung beteiligte Personen einholen und polizeiliche Erkenntnisse über mögliche Gefährdungspotenziale abfragen. Zudem können sie leichter um Unterstützung durch die polizeilichen Vollzugsorgane nachsuchen. Das Gesetz hebt zudem die Pfändungsfreigrenzen deutlich an und passt die Liste der unpfändbaren Sachen an die heutigen Lebensumstände und Bedürfnisse an. So erstreckt sich der Pfändungsschutz auch auf Eigentum von Personen, die mit dem Schuldner oder der Schuldnerin zusammen im gemeinsamen Haushalt leben. Das Gesetz tritt überwiegend zum 01.01.2022 in Kraft, einige Regelungen jedoch bereits am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt bzw. rückwirkend zum 23.04.2021.

Längere Verträge für Saison-Arbeitskräfte möglich

Der Bundesrat hat eine Ausnahmeregelung für Saisonbeschäftigungen gebilligt, die der Bundestag am 22.04.2021 verabschiedet hatte, um die Landwirtschaft in der Corona-Pandemie zu unterstützen. Das Gesetz verlängert die zulässige Dauer kurzfristiger sozialversicherungsfreier Beschäftigung ausnahmsweise auf eine Höchstdauer von vier Monaten oder 102 Arbeitstagen. Nach geltendem Recht sind höchstens Verträge über drei Monate zulässig. Die Ausnahmeregel gilt bis 31.10.2021. Hintergrund ist, dass die Fluktuation ausländischer Saisonarbeitskräfte coronabedingt geringer ist als sonst.

Bundesrat stimmt Gesetz gegen Share Deals zu

Die so genannten Share Deals, mit denen Immobilieninvestoren bislang die Grunderwerbsteuer umgehen konnten, werden erschwert: Nach dem Bundestag hat heute auch der Bundesrat einem entsprechenden Gesetz zugestimmt. Im Fokus stehen missbräuchliche Steuergestaltungen insbesondere im Bereich hochpreisiger Immobilientransaktionen, bei denen bewusst nur bestimmte prozentuale Geschäftsanteile veräußert werden, um die Grundsteuer zu umgehen. Investoren kaufen nicht direkt ein Grundstück einschließlich Gebäude, sondern die Anteilsmehrheit eines Unternehmens, die kleiner als 95% sein muss. Häufig werden zu diesem Zweck eigens Unternehmen gegründet. Hierdurch entstehen den Ländern erhebliche Steuerausfälle. Um solche Share Deals einzudämmen, senkt der Bundestag die bisherige Grenze in den Ergänzungstatbeständen des Grundsteuergesetzes auf 90% ab. Zudem führt er einen neuen Ergänzungstatbestand zur Erfassung von Anteilseignerwechseln von mindestens 90% bei Kapitalgesellschaften ein und verlängert die Haltefristen von fünf auf zehn Jahre. Die Ersatzbemessungsgrundlage auf Grundstücksverkäufe wird auch im Rückwirkungszeitraum von Umwandlungsfällen angewendet. Die so genannte Vorbehaltsfrist wird auf 15 Jahre verlängert. Das Gesetz soll am 01.07.2021 in Kraft.

Telekommunikationsmodernisierungsgesetz verabschiedet

Heute hat der Bundesrat dem Telekommunikationsmodernisierungsgesetz zugestimmt. Das Gesetz schafft einen maßgeschneiderten und zukunftsorientierten Rechtsrahmen für den deutschen Telekommunikationsmarkt und die Endkunden. Dafür wurde das Telekommunikationsgesetz (TKG) vollständig überarbeitet und neu gefasst. Laut Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wird das Gesetz den schnellen und flächendeckenden Ausbau von Gigabitnetzen vorantreiben. Hierfür würden gezielt Anreize für Investitionen und Innovationen gesetzt. Außerdem würden die Verbraucherrechte gestärkt. Bandbreiten, die nicht eingehalten werden, seien nicht nur ärgerlich für den einzelnen, sondern in Zeiten des Home Offices auch ein echter wirtschaftlicher Hemmschuh. Das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz setzt den Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation um, der Ende 2018 in Kraft getreten ist. Die neuen Regelungen sollen zum 01.12.2021 in Kraft treten.

Gesetz für mehr Sicherheit für informationstechnische Systeme trotz Kritik gebilligt

Auch das vom Bundestag am 23.04.2021 beschlossene zweite Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme hat der Bundesrat, indem er auf ein Vermittlungsverfahren verzichtete, gebilligt. In einer begleitenden Entschließung üben die Länder allerdings deutliche Kritik daran, dass der Bund der Forderung nach einer stärkeren Einbindung der Länder nicht nachgekommen ist. Zudem monieren sie, dass der Bund gegenüber den Ländern keine Unterrichtungspflicht eingeführt hat. Das Gesetz sieht eine Verbesserung des Schutzes der IT der Bundesverwaltung unter anderem durch weitere Prüf- und Kontrollbefugnisse des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und Festlegung von Mindeststandards vor. Auch werden Befugnisse zur Detektion von Schadprogrammen geschaffen. Zugelassen wird zudem die Abfrage von Bestandsdaten bei Anbietern von Telekommunikationsdiensten, um Betroffene über Sicherheitslücken und Angriffe zu informieren. Die Pflichten für Betreiber kritischer Infrastrukturen und weiterer Unternehmen im besonderen öffentlichen Interesse werden ausgeweitet. Darüber hinaus wurden die Voraussetzungen für ein einheitliches IT-Sicherheitskennzeichen geschaffen, das die IT-Sicherheit der Produkte sichtbar macht, und das Bußgeldregime überarbeitet.

Mehr Rückgabestellen für alte Elektronikgeräte

Die Rückgabe alter oder defekter Elektrogeräte wird vereinfacht: Nach dem Bundestag hat am 07.05.2021 auch der Bundesrat ein entsprechendes Gesetz gebilligt. Dessen Ziel ist es, das Netz an Rückgabestellen auszuweiten, um die Sammelquote von Elektroschrott, aber auch wiederverwendbaren Geräten zu erhöhen. Dazu werden unter anderem größere Lebensmittelhändler in die Rücknahmepflicht einbezogen, die regelmäßig Elektrogeräte anbieten. Für Hersteller gelten verschärfte Abholpflichten: Sie dürfen nur noch kleinere Sammelcontainer auf Wertstoffhöfen aufstellen, damit möglichst wenig Altgeräte beim Sammeln und Abholen zerstört werden. Außerdem sieht das Gesetz neue Informationspflichten vor. Die neuen Regeln sollen am 01.01.2022 in Kraft treten und nach 5 Jahren evaluiert werden. Grundlage für das Gesetz ist die europäische WWE-Richtlinie für Elektro- und Elektronikgeräte-Abfall, deren Quoten Deutschland bislang verfehlt.

Stellungnahmen zu Gerichtsvollziehern und Kammern für Handelssachen

Der Bundesrat setzt sich dafür ein, die Gebühren für Gerichtsvollzieher bundesweit linear um 10% zu erhöhen. Er hat daher beschlossen, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen. Die letzte Gebührenerhöhung war 2013 erfolgt. Seitdem seien die Kosten für den Bürobetrieb der Gerichtsvollzieher erheblich gestiegen, begründet der Bundesrat seinen Vorschlag. Auch zur Anpassung an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung sei eine Anhebung der Gebührensätze erforderlich. Der Bundesrat möchte Deutschland außerdem als Gerichtsstandort für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten stärken: Er schlägt daher vor, an den Zivilgerichten besondere Kammern für internationale Handelssachen einzurichten, die Prozesse auch auf Englisch führen können. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll in den Deutschen Bundestag eingebracht werden. Die speziellen Senate der Oberlandesgerichte sollen künftig Wirtschaftsstreitigkeiten mit internationalem Bezug und einem Streitwert ab zwei Millionen Euro verhandeln – sogar erstinstanzlich, wenn die Parteien dies vereinbaren. Um die Effizienz der Justiz in diesem Bereich zu steigern und für internationale Unternehmen ein übersichtliches Angebot in Deutschland zu schaffen, soll jedes Bundesland nur an einem Oberlandesgericht Commercial Courts einrichten. Gleichzeitig sollen länderübergreifend per Staatsvertrag gemeinsame Commercial Courts möglich sein.

Redaktion beck-aktuell, 7. Mai 2021.