Länder billigen neues Einwanderungsrecht und weitere Neuregelungen
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© photothek / Thomas Trutschel

Kurz vor der Sommerpause hat der Bundesrat der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zugestimmt. Gebilligt hat die Länderkammer zudem die Arzneimittelreform zur Verhinderung von Lieferengpässen, neue Kennzeichen für Frischfleisch sowie Änderungen am LNG-Beschleunigungsgesetz und am Tabakerzeugnisgesetz. Grünes Licht gab es auch für ein Revival der Sperrklausel bei Europawahlen.

Reform der Fachkräfteeinwanderung kommt

Die Fachkräfteeinwanderung baut künftig auf drei Säulen auf – der Fachkräftesäule, der Erfahrungssäule und der Potenzialsäule. Die Fachkräftesäule bildet dabei das zentrale Element. Im Mittelpunkt steht der Fachkräftebegriff, der eine Gleichwertigkeit der ausländischen Berufsqualifikation verlangt. Zukünftig kann eine Fachkraft jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. Das Gesetz senkt die bestehenden Gehaltsschwellen der Blauen Karte EU ab und erleichtert die Bedingungen für Berufsanfänger. Erleichtert werden soll auch der Familiennachzug. Die Neuregelung setzt die erforderliche Voraufenthaltsdauer für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis für Inhaber einer Blauen Karte EU-, sowie für Fachkräfte und deren Familienangehörige herab. Ausländische Studierende erhalten erweiterte Nebenbeschäftigungsmöglichkeiten. Das Gesetz soll zudem den Wechsel zwischen Aufenthalten zu Bildungs- und zu Erwerbszwecken vereinfachen.

"Chancenkarte" als neuer Aufenthaltstitel

Die Einreise und die Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung ohne einen in Deutschland formal anerkannten Abschluss sollen für alle Berufsgruppen geöffnet werden. Voraussetzung ist nach der Reform eine zweijährige einschlägige Berufserfahrung, ein Mindestgehalt sowie eine im Herkunftsland staatlich anerkannte mindestens zweijährige Ausbildung. Das Gesetz führt die sogenannte "Chancenkarte" als neuen Aufenthaltstitel ein, der auf einem Punktesystem basiert und Arbeitskräften zur Arbeitsplatzsuche einen gesteuerten Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht. Dafür müssen Arbeitskräfte zunächst eine Vorqualifikation nachweisen und über deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau A 2 oder englische Sprachkenntnisse auf dem Niveau B 2 verfügen. Das Potenzial für eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration soll anhand festgelegter Kriterien wie unter anderem Qualifikation, deutsche Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug ermittelt werden. Der Bundesrat hat in der Plenarsitzung auch einer Verordnung zugestimmt, die das Gesetz ergänzt und umsetzt.

Lieferengpässe bei Arzneimitteln – Bundesrat billigt Gegenmaßnahmen

Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz soll die Zahl der Produktions-und Lieferengpässe bei Arzneimitteln verringern. Weil die Versorgung mit Arzneimitteln in Deutschland zeitweise nicht hinreichend sichergestellt gewesen sei, sieht das Gesetz ein Frühwarnsystem im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vor. Darüber hinaus enthält es strukturelle Maßnahmen im Bereich der Festbeträge, Rabattverträge und der Versorgung mit Kinderarzneimitteln. Zur Kompensation kurzfristiger und kurzzeitiger Störungen in der Lieferkette oder kurzzeitig gesteigerter Mehrbedarfe bei patentfreien Arzneimitteln wird zudem eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung eingeführt. Um eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung in Krankenhäusern zu sichern, sind erhöhte Bevorratungsverpflichtungen für Krankenhausapotheken für bestimmte Arzneimittel in der intensivmedizinischen Versorgung enthalten. Auch bei Krebsmedikamenten soll eine stärkere Bevorratung erfolgen. Für anerkannte Reserveantibiotika mit neuen Wirkstoffen können Hersteller den bei Markteinführung gewählten Abgabepreis auch über den Zeitraum von sechs Monaten beibehalten.

Drug Checking und telefonische Krankschreibung

Neben Vorschriften zur Arzneimittelversorgung enthält das Gesetz auch rechtliche Rahmenbedingungen für Modellvorhaben zum sogenannten Drug-Checking in den Ländern. Beim Drug-Checking werden Drogen auf ihre Inhaltsstoffe hin untersucht. Konsumenten sollen so vor gefährlichen Substanzen, die Drogen beigemischt sein könnten, besser geschützt werden. Außerdem führt das Gesetz die in der Corona-Pandemie geschaffene Sonderregelung zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nach telefonischer Anamnese fort. Für Apotheken werden einige bürokratische Vorschriften gelockert, das gilt etwa für Austauschregelungen bei nicht verfügbaren Medikamenten. Die sogenannte Retaxation, die bei Formfehlern auf Rezepten dazu führt, dass Krankenkassen nicht zahlen, wird zugunsten der Apotheken angepasst.

Länder billigen staatliches Label zu Tierhaltungsform

Das vom Bundestag beschlossene neue Kennzeichen für Frischfleisch vom Schwein kommt: Der Bundesrat hat das entsprechende Gesetz durch Verzicht auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses gebilligt. Das staatliche Label informiert künftig Verbraucherinnen und Verbraucher darüber, aus welcher Haltungsform das Tier stammt. Das Gesetz definiert dafür fünf Stufen: Stall, Stall + Platz, Frischluftstall, Auslauf/Weide und Bio. Zunächst ist das Siegel verpflichtend nur für frisches Fleisch von Mastschweinen, das im Lebensmittelhandel, in Fleischereifachgeschäften und im Online-Handel angeboten wird. In einer begleitenden Entschließung fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, ein langfristiges Finanzierungskonzept für den gewollten Transformationsprozess vorzulegen, zeitnah die Haltungskennzeichnung auf die Produktionsstufen Ferkelproduktion und Ferkelaufzucht auszuweiten und Regelungen für weitere Tierarten neben Schweinen in das Gesetz aufzunehmen.

Grünes Licht für LNG-Beschleunigung und mehr Windenergie

Der Bundesrat hat zudem Änderungen am LNG-Beschleunigungsgesetz und am Energiewirtschaftsgesetz gebilligt – und damit ein kurzes parlamentarisches Verfahren abgeschlossen. Das bereits seit 2022 geltende Beschleunigungsgesetz wird um den Standort Mukran auf Rügen ergänzt. Ziel ist es, den Bau eines schwimmenden LNG-Terminals im dortigen Hafen zu vereinfachen, so dass es noch im Winter 2023/24 in Betrieb gehen kann. Das Gesetz konkretisiert zudem die Vorgaben für die klimaneutrale Nachnutzung stationärer landgebundener Anlagen mit Wasserstoff und Derivaten nach dem Jahr 2043, die einen langen zeitlichen Vorlauf haben: Entsprechende Genehmigungsverfahren sollen bereits im Sommer 2023 beginnen. Ziel ist es, kosten- und zeitintensive Umrüstungen für den späteren Betrieb mit Wasserstoffderivaten zu vermeiden und den Investoren Planungssicherheit zu geben. Außerdem erhalten Kommunen künftig mehr Spielraum, um kurzfristig zusätzliche Flächen für die Windenergienutzung auszuweisen. Das Gesetz erweitert dazu den planungsrechtlichen Spielraum der Behörden im Baugesetzbuch.

Bundesrat macht den Weg frei für Sperrklausel bei Europawahlen

Der Bundesrat hat am Freitag zudem mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit einem Gesetz zugestimmt, das den Weg für die Einführung einer Sperrklausel bei Wahlen zum Europäischen Parlament freimacht. Das Gesetz sieht die Zustimmung Deutschlands zu einem EU-Beschluss vor, mit dessen Inkrafttreten Deutschland verpflichtet wurde, eine Mindestschwelle für die Sitzvergabe von nicht weniger als 2% festzulegen. Weitere Regelungen in dem Beschluss betreffen die Frist für die Einreichung von Bewerbungen für die Wahl zum Europäischen Parlament. Zudem bestimmt er, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit der vorzeitigen Stimmabgabe, der Briefwahl, sowie der elektronischen Stimmabgabe im Internet vorsehen können. Die Mitgliedstaaten sollen außerdem dafür Sorge tragen, dass eine doppelte Stimmabgabe verhindert wird. Eine Sperrklausel gab es im deutschen Europawahlrecht nicht mehr, seit das Bundesverfassungsgericht 2014 die damals vorgesehene Sperrklausel mangels verbindlicher europarechtlicher Vorgaben für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hat.

Bundesrat stimmt Verbot von Aroma in Tabakerhitzern zu

Vanille, Schokolade, Kirsche, Apfel und andere charakteristische Aromen und Aromastoffe sind künftig nicht mehr für Tabakerhitzer erhältlich. Dieser vom Bundestag beschlossenen Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes hat der Bundesrat ebenfalls am Freitag zugestimmt. Damit wird das bisher nur für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen geltende Verbot auch auf Erhitzer ausgedehnt. Hersteller von erhitzten Tabakerzeugnissen müssen zudem Text-Bild-Warnhinweise und sogenannte Informationsbotschaften auf den Verpackungen anbringen. Flankierend hat die Bundesregierung Details in einer Verordnung zur Änderung der Tabakerzeugnisverordnung festgelegt, der der Bundesrat ebenfalls zugestimmt hat.

Redaktion beck-aktuell, Esther Wiemann, 7. Juli 2023.