Bundesrat gibt grünes Licht für Sondervermögen und Mindestlohnerhöhung
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© Wolfgang Kumm / dpa

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung zahlreiche Beschlüsse gefasst. So stimmte die Ländervertretung dem Sondervermögen für die Bundeswehr und der Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro ab Oktober zu. Außerdem bestätigte sie die Rentenerhöhung, den Bundesetat für 2022 und den geplanten Pflegebonus. Auch der Lärmschutz an Umleitungsstrecken und ein Anspruch auf schnellen Internetzugang wurden durchgewunken.

Sondervermögen für die Bundeswehr

Mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit haben die Länder am Freitag der vom Bundestag beschlossenen Verfassungsänderung zugestimmt, die die Voraussetzung für ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Ertüchtigung der Streitkräfte schafft. Gebilligt hat der Bundesrat auch das Bundeswehrfinanzierungs- und Sondervermögensgesetz (BwFinSVermG) zur Einrichtung dieses Sondersvermögens. Die Ermächtigung zur Einrichtung des geplanten Sondervermögens wird im Grundgesetz festgeschrieben, damit die Bindung an den Zweck der Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit auf Verfassungsebene verankert ist und das Sondervermögen von der Schuldenbremse ausgenommen ist. Das Sondervermögen soll insgesamt der Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit dienen, ist aber nach der beschlossenen Grundgesetzänderung ausdrücklich "für die Bundeswehr" bestimmt. Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Thüringen haben sich bei der Abstimmung über die Grundgesetzänderung enthalten. In den vier Bundesländern ist die Linke an der Regierung beteiligt.

12 Euro Mindestlohn ab Oktober

Zum 01.10.2022 gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro brutto pro Stunde. Der Bundesrat billigte am Freitag das Gesetz abschließend. Die Anhebung des Mindestlohns wirkt sich auch auf die geringfügig entlohnte Beschäftigung aus – die sogenannten Minijobs oder 450-Euro-Jobs. Damit eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zum Mindestlohn möglich ist, erhöht das Gesetz die Mini-Job-Grenze auf 520 Euro. Sie passt sich künftig gleitend an. Die Höchstgrenze für sogenannte Midi-Jobs im Übergangsbereich steigt von derzeit 1.300 Euro auf 1.600 Euro monatlich.

Bundesrat bestätigt Rentenerhöhung

Der Bundesrat hat am Freitag zudem die Erhöhung der Altersrenten und Verbesserungen für Erwerbsminderungsrenten gebilligt. Das Gesetz, das auf einen Entwurf der Bundesregierung zurückgeht, hebt zum 01.07.2022 den aktuellen Rentenwert auf 36,02 Euro und den aktuellen Rentenwert (Ost) auf 35,52 Euro an. Damit steigen die Renten im Westen um 5,35% und im Osten um 6,12%. Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner im Bestand, die von bisherigen Leistungsverbesserungen nicht erreicht wurden, sollen ab 01.07.2024 von einem pauschalen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten profitieren. Die Zuschlagshöhe richtet sich danach, wann erstmalig eine Erwerbsminderungsrente bezogen wurde. Die Künstlersozialversicherung erhält nochmals einen staatlichen Stabilisierungszuschuss in Höhe von knapp 59 Millionen Euro, um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern und eine Steigerung der Künstlersozialabgabe zu dämpfen. Diese Ergänzung des ursprünglichen Gesetzentwurfs wurde erst im Lauf der Bundestagsberatungen beschlossen.

Länder billigen Bundesetat für 2022

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung außerdem grünes Licht für den Etat für das laufende Haushaltsjahr gegeben. Dieser sieht für 2022 Ausgaben in Höhe von 495,8 Milliarden Euro vor – und damit mehr, als die Bundesregierung in ihrem Entwurf vom März sowie dem Ergänzungshaushalt vom April veranschlagt hatte. Insgesamt ist der Bundesregierung eine Nettokreditaufnahme von rund 138,9 Milliarden Euro erlaubt – diese fällt insbesondere aufgrund der notwendig gewordenen Finanzierung weiterer, erst nach dem ursprünglichen Haushaltsentwurf beschlossener Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine höher aus als ursprünglich geplant. Beschlossen hat der Bundestag auch ein weiteres Überschreiten der Kreditobergrenzen, die die grundgesetzlich verankerte "Schuldenbremse" eigentlich vorsieht. Teil des Bundeshaushalts ist auch der Etat des Bundesrates. Der so genannte Einzelplan 03 gehört mit 35,29 Millionen Euro zu den kleinsten Posten.

Bundesrat stimmt weiteren Corona-Steuerhilfen zu

Corona-bedingte Sonderleistungen der Arbeitgeber sind künftig bis zu 4.500 Euro steuerfrei. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, dass die Zahlung des Bonus aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen erfolgt: Auch freiwillige Leistungen des Arbeitgebers sind nun bis zur Höchstgrenze steuerfrei. Das Gesetz weitet zudem den begünstigten Personenkreis aus: Künftig gilt die Steuerfreiheit auch für Zahlungen an Beschäftigte in Einrichtungen für ambulantes Operieren, bestimmte Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Rettungsdienste. Außerdem beschloss der Bundesrat, dass die Steuerbefreiung von Arbeitgeberzuschüssen zum Kurzarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld bis Ende Juni 2022 verlängert wird, die Homeoffice-Pauschale bis Ende des Jahres. Das Gesetz sieht zudem erweiterte Möglichkeiten zur Inanspruchnahme der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und zur Verlustverrechnung über einen Zeitraum von zwei Jahren vor. Zudem verlängert es - wie schon in den Vorjahren - die Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen, um sowohl Steuerberaterinnen und Steuerberater als auch Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. 

Hartz-IV: Sanktionsmoratorium kommt

Die Sanktionsregelungen für Pflichtverstöße von Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern werden für ein Jahr ausgesetzt. Der Bundesrat hat entsprechende Änderungen des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches gebilligt, die der Bundestag beschlossen hatte. Grund für das Moratorium ist einerseits die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einführung eines Bürgergeldes, im Zuge derer auch das Sanktionsregime umfassend neu geregelt werden soll. Andererseits muss der Gesetzgeber eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 umsetzen. Dieses hatte die bisherigen Sanktionen teilweise für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Als Zwischenschritt zu einer gesetzlichen Neuregelung setzt das Gesetz die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen befristet für ein Jahr ab Inkrafttreten aus. Danach soll das Bürgergeld die Mitwirkungspflichten und die Folgen der Verstöße neu regeln. Durch die Aussetzung der Sanktionsvorschrift in § 31a SGB II sind im Zeitraum des Moratoriums Pflichtverletzungen nicht sanktionierbar. Verminderte Bezüge, die die Behörden vor Inkrafttreten des Gesetzes festgelegt haben, sind dann wieder in voller Höhe zu zahlen. Bei wiederholten Meldeversäumnisse oder Terminverletzungen erfolgen allerdings auch künftig Leistungskürzungen von bis zu 10% des Regelsatzes. 

BA-Chef kritisiert Moratorium

Der scheidende Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, hat in einem Interview die Änderung der Sanktionspraxis für Hartz-IV-Empfänger kritisiert. "Es wäre besser gewesen, wenn die Regierung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2019 in Gesetzesform gegossen hätte", sagte der BA-Chef dem "Handelsblatt" (Freitag). Scheele geht Ende Juli in den Ruhestand. Seine Nachfolgerin, die frühere Bundesarbeitsministerin und SPD-Vorsitzende Andrea Nahles, arbeitet sich bereits ein. Wenn im nächsten Jahr das neue Bürgergeld komme, sollen dann wieder Kürzungen um 30 Prozent möglich sein. "Das ist nur schwer verständlich", sagte Scheele. "Ich möchte kein Jobcenter-Berater sein, der das erklären muss."  97% der Leistungsbezieher kämen mit Sanktionen überhaupt nicht in Berührung, weil alle Auflagen befolgt würden. Dass nun wieder vor allem über Sanktionen diskutiert werde, bezeichnete Scheele als schade.

Bundesrat billigt Pflegebonus

Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen erhalten einen einmaligen Corona-Pflegebonus, um die besonderen Belastungen in der Corona-Zeit zu honorieren: Am Freitag hat auch der Bundesrat das Pflegebonusgesetz gebilligt. Die nach Qualifikation, Arbeitszeit und Nähe zur Versorgung gestaffelte Prämie kann bis zu 550 Euro betragen und ist steuer- sowie abgabenfrei. Den höchsten Bonus erhalten Personen, die Vollzeit in der unmittelbaren Patientenversorgung tätig sind. Bezugsberechtigt sind auch Auszubildende, Freiwilligendienstleistende, Helferinnen und Helfer im freiwilligen sozialen Jahr, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, DRK-Schwesternschaften, ebenso Beschäftigte von Servicegesellschaften - sowohl in Krankenhäusern als auch in der Alten- und Langzeitpflege. Insgesamt steht für den Corona-Pflegebonus eine Milliarde Euro bereit.

Lärmschutz an Umleitungsstrecken: Bund erstattet Kosten

Anrainer von Umleitungsstrecken, die wegen Baustellensperrungen von Fernstraßen entstehen, erhalten künftig eine Kostenerstattung für Lärmschutzmaßnahmen. Der Bundesrat stimmte heute einem entsprechenden Beschluss des Bundestags zu. Eigentümerinnen und Eigentümer von Gebäuden an Umleitungsstrecken erhalten künftig die Ausgaben für passive Schallschutzmaßnahmen, zum Beispiel den Einbau von besonders gedämmten Fenstern, vom Bund erstattet. Voraussetzung ist, dass der Lärmpegel um mindestens drei Dezibel ansteigt, der sogenannte Beurteilungspegel von 64 Dezibel am Tag oder 54 Dezibel in der Nacht überschritten wird und die Streckenumleitung voraussichtlich länger als zwei Jahre andauert.

Anspruch auf Internetzugang: Bundesrat stimmt Verordnung zu

Der Bundesrat hat am Freitag außerdem einer Verordnung der Bundesnetzagentur zugestimmt, die Mindestanforderungen für den Internetzugang festlegt. Bürgerinnen und Bürger, die bislang keinen ausreichenden Zugang zu Internet- oder Sprachkommunikationsdiensten hatten, erhalten damit erstmals einen individuellen rechtlichen Anspruch. Ziel ist die wirtschaftliche und soziale Teilhabe für alle durch ein "digitales Auffangnetz".

Redaktion beck-aktuell, 10. Juni 2022 (ergänzt durch Material der dpa).