Bundesrat gibt grünes Licht für Pflegereform und Rentenerhöhung
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© Wolfgang Kumm / dpa

Der Bundesrat hat die Pflegereform gebilligt. Danach müssen ab Juli höhere Beiträge zur Pflegeversicherung gezahlt werden. In einer begleitenden Entschließung fordert die Länderkammer weitere strukturelle Reformschritte. Zugestimmt hat sie zudem der Rentenanpassung Ost-West und einer Regierungsverordnung zum bargeldlosen Zahlen an Ladesäulen.

Beitragssatz zur Pflegeversicherung steigt

Das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz erhöht den Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung zum 01.07.2023 um 0,35 Punkte auf 3,4%. Dies soll zu Mehreinnahmen in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr führen. Der Arbeitgeberanteil soll paritätisch bei 1,7% liegen. Um die häusliche Pflege zu stärken, steigt das Pflegegeld zum 01.01.2024 um 5%. Gleiches gilt für die ambulanten Sachleistungsbeträge. Zum Jahresbeginn 2025 und 2028 werden die Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung dynamisiert. Das Pflegeunterstützungsgeld können Angehörige nach der Neuregelung künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je Pflegefall in Anspruch nehmen.

Reform sieht neuen Leistungstatbestand vor

Gestaffelt angehoben werden nach dem neuen Gesetz mit Jahresbeginn 2024 auch die Zuschläge der Pflegekassen an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Je länger die Verweildauer im Heim, desto höher der Zuschlag. Außerdem soll der Gesetzesbeschluss das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit strukturieren und systematisieren und die Möglichkeit erweitern, Pflegebedürftige in die stationäre Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung der jeweiligen Pflegeperson mit aufzunehmen. Hierfür gibt es einen neuen Leistungstatbestand im Pflegeversicherungsrecht. Die kürzlich eingeführten Leistungszuschläge, die die von den Pflegebedürftigen zu tragenden Eigenanteile in der vollstationären pflegerischen Versorgung reduzieren, sollen im Jahr 2024 nochmals ansteigen. 2025 und 2028 sollen die Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert werden.

Erziehungsaufwand im Beitragsrecht

In Umsetzung verfassungsgerichtlicher Vorgaben differenziert das Gesetz den Pflegebeitragssatz weiter nach der Zahl der Kinder. Der Beitragszuschlag für Kinderlose steigt zum 01.07. von derzeit 0,35 auf 0,6 Beitragssatzpunkte. Dazu soll ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entwickelt werden. Bis dahin gilt ein vereinfachtes Nachweisverfahren. Für Mitglieder ohne Kinder beträgt der Pflegebeitragssatz 4%.

Neues Kompetenzzentrum Digitalisierung

Ein neues Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege soll die Potentiale zur Verbesserung und Stärkung der pflegerischen Versorgung sowohl für die Betroffenen als auch die Pflegenden identifizieren und verbreiten. Das bestehende Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen zur Entlastung des Pflegepersonals wird nach der geplanten Reform ausgeweitet und entfristet. Die bisher weitgehend freiwillige Anbindung der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur ist künftig verpflichtend.

Zusammenführung von Kurzzeit- und Verhinderungspflege

Das sogenannte Entlastungsbudget wird nach der Reform zum 01.07.2025 wirksam. In der häuslichen Pflege können dann Leistungen der Verhinderungspflege (bisher bis zu 1.612 Euro) und Kurzzeitpflege (bisher bis zu 1.774 Euro) im Gesamtumfang von 3.539 Euro flexibel kombiniert werden. Für Eltern pflegebedürftiger Kinder mit Pflegegrad 4 oder 5 steht das Entlastungsbudget bereits ab Januar 2024 in Höhe von 3.386 Euro zur Verfügung und steigt bis Juli 2025 auf ebenfalls 3.539 Euro an.

Bundesrat fordert in begleitender Entschließung weitere Änderungen

Dem Bundesrat geht die geplante Pflegereform nicht weit genug. Er fordert in einer begleitenden Entschließung weitere strukturelle Reformschritte, um die Pflegeversicherung zukunftsfest zu machen. Zudem setzt er sich für eine Reform der Notfallversorgung mit dem Ziel ein, Patientinnen und Patienten in die geeignete und medizinisch richtige Versorgungsebene zu steuern und die Krankenhäuser zu entlasten. Personen ohne sofortigen medizinischen Handlungsbedarf sollten die ambulante vertragsärztliche Versorgung in Anspruch nehmen, die für die Sicherstellung der Notfallversorgung in diesen Fällen verantwortlich sei, so die Länderkammer. In dem Gesetz sei eine Regelung enthalten, die diesen Zielen entgegenlaufe, kritisiert der Bundesrat. Es werde sogar ein Anreiz geschaffen, die Notfallstrukturen der Krankenhäuser jederzeit in Anspruch zu nehmen, obwohl kein sofortiger Behandlungsbedarf bestehe. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, diese Regelung im Rahmen einer Gesamtreform der Notfallversorgung zu revidieren und die Verantwortung des vertragsärztlichen Bereichs für ambulant behandelbare Notfälle zu stärken.

Rentner bekommen mehr Geld

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am Freitag zudem einer Verordnung der Bundesregierung zur Rentenanpassung Ost-West zugestimmt. Zum 01.07. erhalten Rentnerinnen und Rentner danach mehr Geld. Die Erhöhung beträgt 4,39% im Westen und 5,86% im Osten. Damit gilt künftig ein einheitlicher Rentenwert von 37,60 Euro in ganz Deutschland. Bisher gab es noch unterschiedliche Rentenwerte – sie wurden seit Juli 2018 schrittweise angeglichen. Ursprünglich sollte es erst ab Juli 2024 einen einheitlichen Rentenwert geben. Aufgrund der gestiegenen Löhne und der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird die Angleichung nun schon ein Jahr früher als gesetzlich geplant erreicht. Auch für Landwirtinnen und Landwirte verändern sich die Rentenbezüge. Der allgemeine Rentenwert (West) beträgt 17,36 Euro beziehungsweise 17,33 Euro (Ost).

Europäisches Entsenderecht gilt auch für den Straßenverkehr

Das grenzüberschreitende Entsenderecht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt künftig auch im Straßenverkehrssektor. Dies hatte der Bundestag gestern beschlossen, der Bundesrat stimmte heute zu. Hintergrund sind unter anderem die europäische Entsenderichtlinie und die Straßenverkehrsrichtlinie, die nun in nationales Recht umgesetzt werden. Betroffen sind Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen, die im Inland arbeiten, aber von einem im EU-Ausland ansässigen Unternehmen beschäftigt werden. Das Entsenderecht regelt Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und Ruhepausenzeiten. Die EU-Richtlinie legt zudem fest, dass entsendete Kraftfahrer während ihrer Arbeit im EU-Ausland nach den dortigen Lohnregelungen vergütet werden. Von den Regelungen ausgenommen sind Personen, die EU-Länder nur durchfahren oder rein bilaterale Transporte durchführen. Unternehmen müssen spätestens bei Beginn der Entsendung eine Entsendemeldung übermitteln. Dafür steht künftig ein neues mehrsprachiges Portal zur Verfügung. Außerdem müssen sie ihren Fahrern für die Zeit im Ausland bestimmte Unterlagen mitgeben, die auf Verlangen vorzuzeigen sind. Hierzu zählten unter anderem die Identität des Unternehmens sowie Beginn und Ende der Beschäftigung. Die Kontrolle der Vorgaben übernimmt der deutsche Zoll. Bei Verstößen drohen Geldbußen.

Mehr Verbraucherschutz für Bahnreisende

Nur einen Tag nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat einem Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes zugestimmt. Verbraucherinnen und Verbraucher können künftig Erstattungs- und Entschädigungsanträge wegen Verspätung oder Zugausfällen barrierefrei elektronisch einreichen - zum Beispiel per Email oder in einer App. Eisenbahnverkehrsunternehmen und Bahnhofsbetreiber sind verpflichtet, eine zentrale Anlaufstelle für Fahrgäste mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität einzurichten, so dass Reisende bei der Planung und Organisation nur einen einzigen Ansprechpartner kontaktieren müssen. Um die Möglichkeiten zur Mitnahme von Fahrrädern nachhaltig zu verbessern, verpflichtet das Gesetz die Eisenbahnverkehrsunternehmen , Pläne für die verstärkte und verbesserte Beförderung von Fahrrädern aufzustellen und eine angemessene Zahl von Stellplätzen festzulegen.

Bargeldloses Zahlen an Ladesäulen per Karte

Öffentlich zugängliche Ladesäulen für Elektrofahrzeuge, die ab Juli nächsten Jahres in Betrieb gehen, müssen mindestens eine kontaktlose Bezahlart mit Debit- und Kreditkarten anbieten. Der Bundesrat hat am Freitag einer entsprechenden Regierungsverordnung zugestimmt. Eigentlich war die Ausstattung zum kontaktlosen Bezahlen per Karte bereits ab 01.07.2023 für neue Ladesäulen verpflichtend vorgesehen, um das spontane Adhoc-Laden unterwegs zu erleichtern. Allerdings gibt es nach Angaben der Bundesregierung auf dem Markt noch kein ausreichendes Angebot an Ladesäulen, die diese Vorgaben erfüllen. Die Umsetzungsfrist zur kontaktlosen Kartenzahlmöglichkeit wird daher um ein Jahr auf den 01.07.2024 verlängert. Der Bundesrat wies am Freitag darauf hin, dass mit Inkrafttreten der geplanten europäischen AFIR-Verordnung (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) eine weitere Überprüfung der bestehenden nationalen Regelungen notwendig werde. Er bittet die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene weiterhin für verbraucherfreundliche Regelungen beim Laden von Elektroautos einzusetzen – hierzu gehöre insbesondere auch eine Steigerung der Preistransparenz.

Gedenktag zur deutschen Demokratie

Der Bundesrat setzt sich für einen nationalen Gedenktag ein, der an die Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland erinnern soll. Die Revolution von 1848/49 ist zentral für die deutsche Demokratie- und Nationalstaatsgeschichte. Mit der Deutschen Nationalversammlung am 18.05.1848 in der Frankfurter Paulskirche fand sich im Zuge der Revolution erstmals ein Parlament für den entstehenden deutschen Staat zusammen. Der Bundesrat sieht im 175. Jahrestag einen guten Anlass, die Ereignisse zu würdigen. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier setzte sich bereits zuvor dafür ein, einen Gedenktag für die Vielfalt demokratischer Traditionen ins Leben zu rufen. Eine Historikerkommission soll aus Sicht der Länderkammer ein geeignetes Datum vorschlagen.

Gesetzentwurf gegen Umgehung der Mietpreisbremse

Der Bundesrat will eine Ergänzung der Mietpreisbremse erreichen und den Mieterschutz bei der Kurzzeitvermietung von Wohnraum stärken. Er hat daher beschlossen, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen. Bei möbliertem Wohnraum bestehe derzeit die Möglichkeit, die Mietpreisbremse zu umgehen. Dies resultiere daraus, dass der Möblierungszuschlag, der zusätzlich auf die Nettokaltmiete addiert wird, gesetzlich nicht geregelt ist. Er müsse aufgrund dessen auch nicht gesondert ausgewiesen werden. Über diesen Weg könnten dann hohe Mieten verlangt werden. Um dies zukünftig zu vermeiden, will der Bundesrat den Möblierungszuschlag im Bürgerlichen Gesetzbuch explizit regeln – und die zulässige Höhe definieren. Bei der Vermietung von Wohnraum nur zu einem vorübergehenden Gebrauch würden zahlreiche Mieterschutzvorschriften nicht gelten. Dies habe zur Folge, dass die große Nachfrage nach langfristig zu vermietenden Wohnungen einem immer kleiner werdenden Angebot gegenüberstehe. Für Wohnraum, der sich in einem Gebiet mit einer angespannten Wohnraumsituation befindet, sollen sich Vermieterinnen und Vermieter nach dem Gesetzesentwurf daher nur noch in Ausnahmekonstellationen auf den Geltungsausschluss von Mieterschutzregelungen berufen können.

Redaktion beck-aktuell, 16. Juni 2023.