Bürgergeld-Gesetz gebilligt
Das jetzt vom Bundesrat bestätigte Bürgergeld-Gesetz war im Vermittlungsausschuss nachverhandelt worden. Der Bundestag hatte kurz vor dem Bundesrat den Kompromissvorschlag bestätigt. Die Neuregelung wandelt die Grundsicherung für Arbeitssuchende in ein Bürgergeld um. Der sogenannte Vermittlungsvorrang wird abgeschafft. Ziel ist nun eine möglichst langfristige Eingliederung in den Arbeitsmarkt und nicht mehr die schnellstmögliche Vermittlung in eine Arbeitsstelle. Die Reform gestaltet zudem die Berechnung der Regelbedarfe neu – sie werden künftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst. Ab 01.01.2023 wird etwa ein alleinstehender Erwachsener 502 Euro erhalten, 53 Euro mehr als bisher. Damit die Leistungsberechtigten sich auf die Arbeitsuche konzentrieren können, enthält das Gesetz eine Karenzzeit zu Beginn des Bürgergeldbezuges: Die Kosten für die Unterkunft werden in dieser Zeit in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen, die Heizkosten in angemessener Höhe. Vermögen wird nicht berücksichtigt, sofern es nicht erheblich ist.
Kompromiss sieht eine Karenzzeit von einem Jahr vor
Der durch den Vermittlungsausschuss erzielte Kompromiss sieht eine Karenzzeit von einem Jahr statt wie ursprünglich geplant zwei Jahren vor. Auch die Schonvermögen wurden durch das Vermittlungsergebnis verändert: Vermögen ist danach erheblich, wenn es in der Summe 40.000 Euro für die leistungsberechtigte Person und 15.000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person überschreitet. Der erste Bundestagsbeschluss hatte Grenzen von 60.000 Euro beziehungsweise 30.000 Euro vorgesehen. Auch nach der Karenzzeit gelten höhere Vermögens-Freibeträge als vor dem Bürgergeld-Gesetz. Außerdem findet eine entbürokratisierte Vermögensprüfung Anwendung. Die bisherige Eingliederungsvereinbarung soll im Bürgergeld-Gesetz durch einen Kooperationsplan abgelöst werden, den Leistungsberechtigte und Integrationsfachkräfte gemeinsam erarbeiten. Gänzlich entfallen wird nach dem Vermittlungsergebnis die vom Bundestag ursprünglich beschlossene Vertrauenszeit, in der auch bei Pflichtverletzungen keine Sanktionen verhängt worden wären. Pflichtverletzungen können also weiter von Anfang an sanktioniert werden.
Arbeitsmarktzugang Geringqualifizierter und höhere Freibeträge für Nebenjobs
Geringqualifizierte sollen nach der Neuregelung auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll Leistungsberechtigten helfen, die besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen. Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende können nach dem neuen Gesetz künftig mehr ihres selbstverdienten Geldes behalten, damit junge Menschen die Erfahrung machen, dass es sich lohnt, einen Schüler- oder Studentenjob aufzunehmen. Die großzügigeren Freibeträge für Minijob-Verdienste gelten bis zu drei Monate nach Schulabschluss.
Kohlendioxidabgabe bei Mietwohnungen wird künftig aufgeteilt
Mieterinnen und Mieter müssen künftig die CO2-Abgabe für das Heizen mit Öl oder Erdgas nicht mehr allein tragen: Der Bundesrat billigte am Freitag einen Bundestagsbeschluss zur Aufteilung der Kosten zwischen Vermieter- und Mieterseite nach einem Stufenmodell. Künftig werden die Kostenanteile entsprechend dem Kohlendioxidausstoß des Gebäudes pro Quadratmeter Wohnfläche berechnet – sie orientieren sich damit an der energetischen Qualität des Gebäudes. Je schlechter diese ist, desto höher ist der Anteil der Vermieterseite. In der untersten Stufe bei besonders emissionsreichen Gebäuden tragen Vermieter bis zu 95% der CO2-Abgabe. Das Gesetz sieht Ausnahmen für besondere Fallgestaltungen vor, zum Beispiel wenn Denkmalschutzvorgaben eine bessere Dämmung der Wohnungen verhindern. Bei Nichtwohngebäuden soll zunächst eine hälftige Teilung der Kohlendioxidkosten gelten. In einer begleitenden Entschließung weist der Bundesrat darauf hin, dass die Klimaziele des Gebäudesektors 2020 und 2021 verfehlt wurden. Mieterinnen und Mieter müssten daher weiterhin hohe Kohlendioxidkosten anteilig zahlen, während sie den energetischen Standard der Gebäude kaum beeinflussen können. Der Bundesrat fordert daher eine Überarbeitung der Gebäudepolitik und ambitioniertere, flankierende Maßnahmen, um soziale Härten zu vermeiden und dem Klimawandel zu begegnen.
Bundesrat stimmt Wohngeld-Reform zu
Am Freitag hat der Bundesrat außerdem in verkürzter Frist dem vom Bundestag beschlossenen Wohngeld-Plus-Gesetz zugestimmt. Es soll ab 2023 Haushalte mit niedrigeren Einkommen mit Blick auf die steigenden Wohnkosten stärker unterstützen. Das Vorhaben besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: Eine dauerhafte Heizkostenkomponente geht künftig als Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete oder Belastung in die Wohngeldberechnung ein, um die Empfänger bei den Energiekosten zu entlasten. Bemessungsgrundlage des Wohngeldes ist die Bruttokaltmiete. Kosten für Heizung und Warmwasser wurden bei den Belastungen bislang nicht berücksichtigt. Durch die Einführung einer Klimakomponente im Wohngeld erfolgt ein Zuschlag auf die Höchstbeträge der zu berücksichtigenden Miete oder Belastung in der Wohngeldberechnung. Sie ermöglicht einen über die bisherige Höchstgrenze hinausgehenden Zuschlag, wenn aufgrund energetischer Maßnahmen im Gebäudebereich im gesamten Wohnungsbestand die Miete erhöht wird. Überdies passt das Gesetz die Wohngeldformel an. Im Ergebnis sollen rund 1,4 Millionen Haushalte erstmalig oder erneut einen Wohngeldanspruch erhalten – bisher sind es rund 600.000 Haushalte. Zudem erhöht sich der Wohngeldbetrag von durchschnittlich rund 180 Euro auf rund 370 Euro pro Monat.
Inflationsausgleichsgesetz bestätigt
Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung außerdem dem Inflationsausgleichsgesetz zugestimmt. Das Gesetz ist Teil eines dritten Entlastungspakets, das Maßnahmen zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen umfasst. Um die mit der kalten Progression verbundenen schleichenden Steuererhöhungen zu dämpfen, soll das Inflationsausgleichsgesetz die Steuerlast von rund 48 Millionen Bürgerinnen und Bürgern an die Inflation anpassen. Durch eine Anhebung des Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags sowie die Erhöhung des Kindergeldes sollen zudem Familien unterstützt werden.
Triage-Gesetz: Schutz vor Diskriminierung bei intensiv-medizinischer Behandlung
Auch die vom Bundestag beschlossenen Änderungen am Infektionsschutzgesetz hat der Bundesrat gebilligt. Menschen mit Behinderung sollen durch die Änderungen im Fall knapper intensiv-medizinischer Kapazitäten vor Benachteiligung bewahrt werden. Das Gesetz geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem letzten Jahr zurück. Dieses hatte vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie entschieden, dass sich aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 GG für den Staat ein Auftrag ergibt, Menschen wirksam vor einer Benachteiligung wegen ihrer Behinderung durch Dritte zu schützen. Nach dem Gesetzesbeschluss ist künftig bei der ärztlichen Entscheidung ausschließlich die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patientinnen und Patienten relevant. Niemand darf benachteiligt werden, insbesondere nicht wegen einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Das Gesetz bestimmt, dass bereits zugeteilte überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten nicht mehr zur Disposition stehen, solange eine solche Behandlung noch indiziert ist und dem Patientenwillen entspricht.
Länder billigen Weiterbetrieb von drei Kernkraftwerken
Der Bundesrat hat schließlich noch grünes Licht für den befristeten Weiterbetrieb der drei Kernkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 gegeben und die entsprechenden Änderungen am Atomgesetz durch Verzicht auf ein Vermittlungsverfahren gebilligt. Das Gesetz sieht vor, dass die Kernkraftwerke spätestens mit Ablauf des 15.04.2023 endgültig den Leistungsbetrieb beenden.