Bundesrat billigt Energie-Gesetzespaket und weitere Neuregelungen
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Der Bundesrat hat am Freitag zahlreiche Bundestagsbeschlüsse gebilligt: Die Umsatzsteuer auf Gaslieferungen wird abgesenkt, es gibt Änderungen bei den Verbrauchssteuern und der vereinfachte Zugang zum Kurzarbeitergeld bleibt. Außerdem wird Bafög künftig auch für Notlagen geöffnet und die Freitestpflicht für Schüler nach Corona-Verdacht wird wieder gestrichen. Die Ländervertretung setzt sich zudem im Strafrecht für die Option längerer Verhandlungspausen bei höherer Gewalt ein.

Änderungen bei den Verbrauchsteuern bestätigt

Der Bundesrat hat zahlreichen Änderungen bei den Verbrauchsteuern zugestimmt. Bis Ende 2023 bleibt es beim reduzierten Umsatzsteuersatz von 7% auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen. Ausgenommen sind weiterhin Getränke. Eigentlich wäre die in der Corona-Pandemie eingeführte Stützungsmaßnahme für die Gastronomie Ende 2022 ausgelaufen. Die ebenfalls eigentlich nur temporär ermäßigten Sätze der Biersteuermengenstaffel werden dauerhaft entfristet. Außerdem befreit das Gesetz Bierwürze, die zur Herstellung von alkoholsteuerpflichtigen Waren verwendet wird, von der Biersteuer. Das Neuregelung schafft zudem die Grundlage, damit der während der Corona-Pandemie aufgestellte Wirtschaftsstabilisierungsfonds der KfW Darlehen zur Refinanzierung von sogenannten Zuweisungsgeschäften gewähren kann. Dazu gehören Transaktionen zur Stabilisierung der Energieversorgung, insbesondere zum Auffüllen der Gasspeicher und zum Ausbau der Infrastruktur für Flüssiggas. Gesetzliche Kreditermächtigungen sollen die Liquidität der KfW sichern und Sicherheitsanforderungen an Gas- und Strommärkten bedienen. Das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Gesetz soll eigentlich der Umsetzung von EU-Vorgaben im Biersteuerrecht dienen, wurde allerdings im Lauf des Bundestagsverfahrens um zahlreiche weitere Maßnahmen ergänzt – unter anderem die Absenkung der Vorsteuerpauschale für Landwirte ab 01.01.2023 von 9,5 auf 9%.

Reduzierte Umsatzsteuer auf Gas

Eine Woche nach dem Bundestag stimmte am 07.10.2022 auch der Bundesrat der befristeten Absenkung der Umsatzsteuer auf Gaslieferungen zu. Vom 01.10.2022 bis 31.03.2024 beträgt sie statt 19 nur 7%. Unternehmen sollen die Senkung vollständig an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben, um diese von den hohen Energiekosten zu entlasten. Das Gesetz befreit außerdem Zahlungen der Arbeitgeber zum Ausgleich der hohen Inflation bis zu einer Höhe von 3.000 Euro von der Steuer- und Sozialabgabenpflicht. Sie werden beim Bezug von Sozialleistungen nach dem SGB II nicht als Einkommen bewertet. Die Neuregelung soll rückwirkend zum 01.10.2022 in Kraft.

Begleitende Entschließung des Bundesrats

In einer begleitenden Entschließung fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, schnellstmöglich ein Modell zu schaffen, um die Preissteigerung für Gas, Strom und Wärme für Unternehmen und Haushalte zu begrenzen. Es müsse Anreiz zum Energiesparen beinhalten, sozial gerecht und praktikabel vollziehbar sein. Der Bundesrat betonte, dass auch der Umbau zu klimafreundlicher Energieversorgung in allen Sektoren weiter befördert werden muss. Die geplante Strom- und Gaspreisbremse unterstützt der Bundesrat – sie müsse jetzt schnellstmöglich eingeführt werden, fordert die Ländervertretung. Da Finanzierungsinstrumente wie die Abschöpfung von Übergewinnen am Strom-, Gas- und Ölmarkt nicht unmittelbar zur Verfügung stehen, müsse die Bremse anderweitig finanziert werden. Ein Impuls für den Ausbau der Sektorenkopplung könnte aus Sicht des Bundesrates die temporäre Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß sein.

Grünes Licht für neues Energierecht

Die Ländervertretung hat am Freitag außerdem zahlreichen Änderungen im Energierecht zugestimmt, die der Bundestag in der Woche zuvor beschlossen hatte. Sie dienen insbesondere dazu, die Energieversorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten und sollen zu einer weiteren Reduzierung des Gasverbrauchs in den kommenden Wintern führen. In einer begleitenden Entschließung regt der Bundesrat unter anderem an, zeitnah eine Weiterentwicklung des Gasspeichergesetzes vorzunehmen, dort marktbasierte Anreize für eine kostenoptimierte Gasspeicherung vorzusehen und den Umfang der erforderlichen Einspeichermengen zu konkretisieren. Außerdem erinnerte er daran, dass die Netzentgelte, die den Netzbetreibern durch die Einräumung individueller Netzentgelte entgehen, von den übrigen Netzkunden – namentlich Gewerbe- und Haushaltskunden – aufgefangen werden müssen. Diesen Kundengruppen, die aktuell unter massiv steigenden Energiepreisen leiden, dürfe man nicht weitere Belastungen auferlegen.

Neuregelungen in zahlreichen Gesetzen

Das Gesetz enthält Änderungen am Energiesicherungsgesetz, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, dem Energiewirtschaftsgesetz, dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz und dem LNG-Beschleunigungsgesetz sowie dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und dem Baugesetzbuch. Ziel sei es insbesondere, die Rahmenbedingungen für die Nutzung von Biogas und Photovoltaik sowie von Flüssigerdgas-Anlagen zu verbessern, zur Beschleunigung des Stromnetzausbaus sowie zur Erhöhung der Transportkapazitäten des bestehenden Stromnetzes beizutragen, die Möglichkeiten zur Lastflexibilität industrieller Großverbraucher zu erweitern und die effektivere Auslastung der Offshore-Anbindungsleitungen zu erleichtern. Zudem seien verfahrensrechtliche Erleichterungen bei Änderungen von Windenergieanlagen an Land und bei der unterjährigen Inbetriebnahme von Kraft-Wärme-Kopplungs-Projekten enthalten.

Vereinfachter Zugang zum Kurzarbeitergeld bleibt

Bis Mitte nächsten Jahres kann die Bundesregierung den vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld weiter per Verordnung ermöglichen – die vom Bundestag beschlossene Rechtsgrundlage dazu hat der Bundesrat am Freitag gebilligt. Die Sonderregeln waren 2020 wegen der Corona-Pandemie eingeführt und über Verordnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mehrfach verlängert worden. Dies ist nun auch über den 30.09.2022 hinaus möglich. Das vom Bundesrat gebilligte Gesetz enthält weitere Verordnungsermächtigungen. So kann die Bundesagentur für Arbeit künftig leichter die Anspruchsvoraussetzungen des Kurzarbeitergeldes prüfen. Dies betrifft zum Beispiel den Verzicht auf den Einsatz von Arbeitszeitguthaben und Urlaub zur Vermeidung der Kurzarbeit sowie die Möglichkeit für die Betriebe, die Anzeige von Kurzarbeit auch im Folgemonat noch vornehmen zu können. Bis zum 30.06.2023 ist der anrechnungsfreie Hinzuverdienst bei Aufnahme eines Minijobs während der Kurzarbeit möglich.

Bafög wird für Notlagen geöffnet

Studierende und Schüler sollen in künftigen Krisen finanziell besser abgesichert sein, wenn ihnen Nebenjobs wegbrechen. Am Freitag stimmte der Bundesrat abschließend einem Gesetz für einen sogenannten Notfallmechanismus zu. Damit wird die Regierung ermächtigt, in einer bundesweiten Notlage, "die den Arbeitsmarkt für ausbildungsbegleitende Nebentätigkeiten in erheblichem Ausmaß beeinträchtigt", per Verordnung das Bafög auch für Studierende und Schüler zu öffnen, die es sonst nicht bekommen würden. Allerdings muss dem Gesetz zufolge eine solche bundesweite Notlage vom Bundestag vorher durch Beschluss festgestellt worden sein. Hintergrund sind die Erfahrungen aus der Corona-Krise. Studentenjobs waren weggebrochen und Betroffene gerieten in finanzielle Schwierigkeiten.

Freitestpflicht für Schüler bei Corona-Verdacht wieder gestrichen

Corona wird wieder aus einer Liste besonders ansteckender Infektionskrankheiten im Infektionsschutzgesetz gestrichen, für die ein Betretungsverbot etwa in Schulen oder Kitas gilt. Das beschloss der Bundesrat am Freitag in Berlin. Covid-19 war erst vor kurzem im Zuge der Verabschiedung der zum 01.10 in Kraft getretenen neuen Corona-Regeln in diese Liste aufgenommen worden. Dort stehen unter anderem auch die Pest, Cholera, Krätze, Masern, Röteln oder Keuchhusten. Rechtliche Folge wäre gewesen, dass Lehrkräfte, Erzieher, Schüler oder Kita-Kinder bei Verdacht auf eine Corona-Infektion oder nach einer Corona-Erkrankung nur mit einem negativen Test wieder in die Einrichtung dürfen. Das hatten Kinder- und Jugendärzte und mehrere Bundesländer kritisiert und als Benachteiligung im Vergleich zu Erwachsenen bezeichnet, da diese nach fünf Tagen Isolation auch ohne Test wieder am öffentlichen Leben teilnehmen dürfen und auch bei einem Corona-Verdacht, etwa bei Husten, niemandem per Test nachweisen müssten, dass es sich dabei nicht um Corona handelt. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte im September zugesagt, die umstrittene Regelung wieder aus dem Infektionsschutzgesetz zu streichen.

Strafprozesse: Bundesrat für längere Verhandlungspausen bei höherer Gewalt

Der Bundesrat will erreichen, dass Strafprozesse bei Katastrophen und Seuchen länger unterbrochen werden können. In einer am Freitag gefassten Entschließung fordert er die Bundesregierung dazu auf, einen Gesetzentwurf zur Änderung der Strafprozessordnung vorzulegen. Darin soll sie regeln, dass die Unterbrechungsfristen für Hauptverhandlungen auch in Fällen höherer Gewalt gehemmt werden. Damit Strafprozesse möglichst zügig zum Abschluss gebracht werden, bestimmt die Strafprozessordnung, wieviel Zeit zwischen den einzelnen Verhandlungstagen liegen darf – in der Regel drei Wochen und nach zehn Verhandlungstagen bis zu einem Monat. In bestimmten Fällen, z.B. bei Erkrankung von Richterinnen und Richtern, werden diese Fristen "gehemmt", das heißt, sie laufen nicht weiter, so lange die Krankheit besteht. Dies gilt jedoch längstens für zwei Monate. Ist eine Fortsetzung nach den vorgeschriebenen Abständen nicht möglich, muss die Hauptverhandlung ausgesetzt und wieder neu begonnen werden. Der Bundesrat fordert nun, dass die Unterbrechungsfristen auch in Fällen höherer Gewalt nicht laufen. Darunter sollen insbesondere Seuchen und Katastrophen fallen. Gelten soll dies unabhängig davon, ob die Hauptverhandlung bereits zehn Tage gedauert hat. Auch wenn die Fälle höherer Gewalt selten sein dürften, zeige die COVID-19-Pandemie, dass eine solche Regelung erforderlich ist. Anstelle einer zeitlich befristeten Regelung, die es für die Corona-Zeit gab und die sich bewährt habe, sei eine dauerhafte Lösung geboten.

Bundesrat fordert Maßnahmen gegen Versorgungsengpässe bei Medizinprodukten

Der Bundesrat sieht zudem dringenden Handlungsbedarf bei der Umsetzung der Europäischen Medizinprodukteverordnung. Dies macht er in einer am Freitag gefassten Entschließung deutlich. Darin bittet er die Bundesregierung, auf EU-Ebene auf Erleichterungen für versorgungsrelevante Nischen- und Bestandsprodukte hinzuwirken und somit die Versorgungssicherheit mit sicheren Medizinprodukten zu gewährleisten. Der Aufwand zur Zertifizierung von Medizinprodukten sei deutlich gestiegen, was zu erhöhten Kosten und Personalaufwand für die Hersteller führe. Deshalb zeichne sich für einige Produkte eine immer deutlichere Versorgungsproblematik ab. Es bestehe dringender Handlungsbedarf, um die Versorgung mit den notwendigen sicheren Medizinprodukten weiterhin zu gewährleisten.

Redaktion beck-aktuell, 7. Oktober 2022 (ergänzt durch Material der dpa).