Bundesrat stimmt Abwehrschirm gegen hohe Energiepreise zu
Eine Woche nach der Beschlussfassung im Bundestag hat der Bundesrat am Freitag der Finanzierung eines "Abwehrschirms" in Höhe von 200 Milliarden Euro zugestimmt, der die Folgen der gestiegenen Gas- und Strompreise abmildern soll. Die Finanzierung wesentlicher geplanter Maßnahmen soll durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds erfolgen. Dafür ist die jetzt beschlossene Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes erforderlich. Das Sondervermögen des Bundes, das zuletzt zur Krisenbewältigung während der Corona-Pandemie aktiviert worden war, schafft für das Jahr 2022 eine Kreditermächtigung für den Fonds in Höhe von 200 Milliarden Euro, um das Maßnahmenpaket in den Jahren 2022 bis 2024 zu finanzieren. Zu den geplanten Maßnahmen gehören eine "Gaspreisbremse", eine "Strompreisbremse" sowie Hilfen für aufgrund der Krise in Schwierigkeiten geratene Unternehmen. Diese Unterstützungsmaßnahmen sollen auch über die Kreditanstalt für Wiederaufbau abgewickelt werden und bis zum 30.06.2024 möglich sein.
Ausnahme von der Schuldenbremse beschlossen
Beschlossen hatte der Bundestag flankierend auch ein Überschreiten der Kreditobergrenzen, die die grundgesetzlich verankerte "Schuldenbremse" eigentlich vorsieht. Zulässig ist ein solcher Beschluss nach dem Grundgesetz in außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen.
Bundesrat fordert mehr Unterstützung für kleine Betriebe
Der Bundesrat setzt sich zudem dafür ein, die Unternehmenshilfen zur Bewältigung gestiegener Energiepreiskosten auszuweiten – und dabei insbesondere kleine und mittlere Betriebe wie zum Beispiel Bäckereien einzubeziehen. Am Freitag fasste er auf Anregung der Stadtstaaten Bremen und Berlin eine entsprechende Entschließung, die sich an die Bundesregierung richtet. Darin weist er auf einige Punkte bei der Überarbeitung der laufenden beziehungsweise angekündigten Unterstützungsprogramme hin. Erforderlich sei insbesondere, den Kreis der antragberechtigten Unternehmen im sogenannten Energiekostendämpfungsprogramm deutlich auszuweiten. Profitieren sollten künftig zum Beispiel produzierende Betriebe aus dem Backhandwerk, die bislang keine Wirtschaftshilfen nach dem Energiekostendämpfungsprogramm erhalten haben, aber auch Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich, dem Einzelhandel oder dem Gesundheitssektor. Auf EU-Ebene soll sich die Bundesregierung für die zeitnahe Verlängerung des bis Ende 2022 befristeten EU-Krisenrahmens bis mindestens zum Ende des nächsten Jahres einsetzen, so der Bundesrat.
Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner
Die Ländervertretung gab auch grünes Licht für die Zahlung einer Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende. In einer begleitenden Entschließung bittet der Bundesrat die Bundesregierung zu prüfen, welche Personengruppen bislang keinen Einmalbetrag zur Entlastung von den steigenden Energiepreisen erhalten haben und wie diese Personengruppen in weitere Entlastungspakete einbezogen werden könnten. Nach dem Gesetz erhalten Rentnerinnen und Rentner eine Energiepreispauschale als Einmalzahlung in Höhe von 300 Euro. Der Anspruch besteht nur bei einem Wohnsitz im Inland. Die Energiepreispauschale wird Anfang Dezember 2022 automatisch als Einmalzahlung durch die Rentenzahlstellen oder die die Versorgungsbezüge zahlenden Stellen überwiesen. Sie unterliegt nicht der Beitragspflicht in der Sozialversicherung. Das Gesetz hebt überdies die Obergrenze für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im sogenannten Übergangsbereich, in dem Arbeitnehmende lediglich einen reduzierten Beitragsanteil zahlen müssen, von 1.600 Euro auf 2.000 Euro im Monat an. Mit der Ausweitung des Übergangsbereichs sollen Beschäftigte bei den Sozialversicherungsbeiträgen in einer Größenordnung von rund 1,3 Milliarden Euro jährlich entlastet werden.
Zweiter Heizkostenzuschuss bestätigt
Der Bundesrat hat am Freitag außerdem Änderungen am Heizkostenzuschussgesetz gebilligt, die der Bundestag eine Woche zuvor beschlossen hatte. Das Gesetz ermöglicht wegen der im Jahr 2022 zu erwartenden Mehrbelastungen einen zweiten Heizkostenzuschuss an bedürftige Haushalte auszuzahlen, die beim ersten Heizkostenzuschuss noch nicht berücksichtigt werden konnten. Den Heizkostenzuschuss erhalten der Gesetzesbegründung zufolge alle Haushalte, die in mindestens einem Monat im Zeitraum vom 01.09.2022 bis zum 31.12.2022 wohngeldberechtigt sind. Sie bekommen den Zuschuss gestaffelt nach Haushaltsgröße. Darüber hinaus sollen wie beim ersten Heizkostenzuschuss auch Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen nach dem BAföG sowie von Ausbildungs- und Berufsausbildungsbeihilfen profitieren, wenn die Leistungsberechtigung für mindestens einen Monat im maßgeblichen Zeitraum bestand. Für sie sieht das Gesetz einen pauschalen Zuschuss vor. Die Bundesregierung plant, dass die Zuschüsse noch in diesem Jahr ausgezahlt werden. Das Gesetz sieht außerdem eine Konkretisierung von § 85 Abs. 7 SGB XI vor. Sie ermöglicht es den Leistungserbringern in der Pflege, zügig Verhandlungen mit den Pflegekassen aufzunehmen, wenn sich die Energiekosten in unvorhergesehenem Ausmaß ändern.
Grünes Licht für Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung
Auch das Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat der Bundesrat abschließend gebilligt. Der Bundestag hatte es eine Woche zuvor verabschiedet. Hintergrund für das Ziel, die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen zu stabilisieren, sei vor allem, dass für 2023 mit einem Milliardendefizit für die Kassen gerechnet wird und sich die Versicherten im nächsten Jahr auf höhere Zusatzbeiträge einstellen müssen. Gerechnet werde derzeit mit 0,3%. Zudem soll das Gesetz mit strukturellen Maßnahmen eine Grundlage zur mittel- und langfristigen Sicherung einer solidarischen und nachhaltigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung legen. Vorgesehen ist insbesondere, dass der Bund im Jahr 2023 einen weiteren Zuschuss an den Gesundheitsfonds in Höhe von 2 Milliarden Euro zahlt. Nach dem Entwurf des Haushaltsgesetzes 2023 gewährt der Bund für das Jahr 2023 zudem ein Darlehen in Höhe von 1 Milliarde Euro an den Gesundheitsfonds. Zur Reduzierung der Finanzierungslücke 2023 verteilt das Gesetz die finanziellen Lasten der GKV durch einen kassenübergreifenden Solidarausgleich gleichmäßiger auf die Mitglieder der GKV, indem die Finanzreserven der Krankenkassen in zwei Stufen anteilig herangezogen werden und den Gesundheitsfonds verstärken. Darüber hinaus soll die gesetzliche Obergrenze für die Finanzreserven der Krankenkassen von aktuell dem 0,8-fachen auf das 0,5-fache einer durchschnittlichen Monatsausgabe sinken.
Verlängerung des Preismoratoriums für Medikamente
Zur Stabilisierung der Arzneimittelausgaben der GKV soll das Preismoratorium bei Arzneimitteln bis Ende 2026 verlängert werden. Diese Maßnahme soll über die Vermeidung von zu erwartenden Preissteigerungen wesentlich zur Stabilisierung der Ausgaben für Arzneimittel in Höhe von mindestens 1,8 Milliarden Euro pro Jahr beitragen. Zudem soll sich der Apothekenabschlag für einen Zeitraum von zwei Jahren auf 2 Euro erhöhen. Die Regelung zur extrabudgetären Vergütung vertragsärztlicher Leistungen bei sogenannten Neupatienten wird – anders als im Regierungsentwurf geplant – nicht abgeschafft, sondern reformiert. Vorgesehen ist ein zielgenaueres Anreizsystem für Vermittlung und schnelle Behandlung von Patienten. Den ursprünglich vorgesehenen Entfall der Vergütung hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf kritisiert.
Peter Tschentscher neuer Bundesratspräsident
Peter Tschentscher (SPD) wird neuer Präsident des Bundesrates: Einstimmig wählte die Länderkammer den Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg am Freitag zu ihrem Vorsitzenden. Tschentscher tritt sein Amt am 01.11.2022 an. Er löst Bodo Ramelow (Linke) ab, der im kommenden Jahr als erster Vizepräsident weiterhin Teil des Präsidiums bleibt. Zur zweiten Vizepräsidentin wurde Manuela Schwesig (SPD) gewählt, die Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern.