Bayern kündigt Klage vor dem BVerfG an
Der Bundesrat hat die umstrittene Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages bestätigt. In der Länderkammer gab es am Freitag in Berlin keine Mehrheit für den Antrag Bayerns, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Damit kann das im Bundesrat nicht zustimmungspflichtige Vorhaben zwar in Kraft treten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte aber eine Klage des Freistaats vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an.
Zahl der Abgeordneten soll auf 630 begrenzt werden
Mit der Reform soll die Zahl der Abgeordneten im momentan auf 736 Abgeordnete angewachsenen Bundestag auf 630 begrenzt werden. Erreicht werden soll das durch die Abschaffung der Überhang- und Ausgleichsmandate und der Grundmandatsklausel. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über Erststimmen mehr Direktmandate gewinnt, als ihr Sitze nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Um das Kräfteverhältnis der Parteien nach Zweitstimmen wiederherzustellen, wurden diese Überhänge bisher mit Ausgleichsmandaten aufgefüllt. Das hat den Bundestag immer größer gemacht. Kommt es künftig dazu, dass eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr Sitze nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, soll laut Wahlrechtsreform bei den Direktkandidaten von hinten weggekürzt werden: Diejenigen mit dem schwächsten Ergebnis bekommen keinen Sitz im Bundestag mehr, damit entfiele anschließend das Auffüllen mit Ausgleichsmandaten, um das Kräfteverhältnis wieder herzustellen. Abgeschafft werden soll außerdem die sogenannte Grundmandatsklausel. Die ermöglicht es bisher Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einzuziehen, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde landen, aber mindestens drei Direktmandate gewinnen.
Bundesrat billigt Whistleblower-Gesetz
Einstimmig hat der Bundesrat das Gesetz zum Schutz von Whistleblowern verabschiedet. Hinweisgeber, die Missstände in Behörden und Unternehmen aufdecken, sollen durch das Maßnahmenpaket vor Entlassung und Schikanen bewahrt werden. Außerdem müssen in Behörden und Unternehmen Anlaufstellen geschaffen werden, die Meldungen zu Betrügereien, Korruption oder zu Verstößen gegen Tierschutz- oder Umweltschutzregeln entgegennehmen. Wer gegen das Gesetz verstößt, dem droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Kurz vor Weihnachten hatte der Bundestag einen ersten Entwurf für ein solches Gesetz beschlossen. Doch damals stoppte der Bundesrat das Vorhaben, weil die unionsregierten Länder eine übermäßige finanzielle Belastung von kleineren Unternehmen befürchteten. Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat wurde dann ein Kompromiss erarbeitet. Dieser sieht vor, dass sich Whistleblower bevorzugt an interne Meldestellen wenden müssen. Gestrichen wurde die Verpflichtung, einen Kanal für anonyme Meldungen anzubieten. Mit dem Gesetz wird eine EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt.
Länderkammer stimmt stärkerer Behindertenförderung auf Arbeitsmarkt zu
Der Bundesrat hat ferner beschlossen, mehr Menschen mit Behinderung in Arbeit zu bringen. Dem Gesetz nach müssen Arbeitgeber künftig eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen, wenn sie trotz Beschäftigungspflicht keinen schwerbehinderten Menschen beschäftigen. Für kleinere Arbeitgeber sind wie bisher Sonderregelungen vorgesehen. Schon bislang müssen Arbeitgeber auf wenigstens 5% der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Diese Regelung gilt für Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen. Für jeden nicht mit einem schwerbehinderten Menschen besetzten Pflichtarbeitsplatz wird eine Ausgleichsabgabe fällig.
Grünes Licht für Smart-Meter-Gesetz
In der Sitzung am Freitag hat der Bundesrat außerdem das vom Bundestag beschlossene Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende gebilligt. Ziele des Gesetzes sind die unbürokratische und schnellere Installation intelligenter Strommessgeräte – sogenannter Smart-Meter – und damit der Ausbau eines "intelligenten Stromnetzes". Anlass für die Neuregelungen ist, dass die Einführung der intelligenten Systeme nicht mit der erhofften Geschwindigkeit vorangeht, was laut Gesetzesbegründung unter anderem an aufwändigen Verwaltungsverfahren liege. Um die Verfahren zu vereinfachen, wird beispielsweise der Einbau intelligenter Strommesssysteme künftig keiner Freigabe mehr bedürfen. Vorteile der Smart-Meter sollen neben einer effizienteren Messung und Steuerung des Stromverbrauches und der Stromeinspeisung auch eine für die Stromanbieter besser zu überwachende Netzauslastung sein. Ab 2025 soll für jeden Abnehmer die Möglichkeit bestehen, mit einem variablen Strompreistarif dann Strom zu nutzen, wenn dieser preiswert und von erneuerbaren Energien bereitgestellt ist. Die Kosten eines Smart-Meters werden für Privathaushalte und Kleinanlagenbetreiber auf 20 Euro pro Jahr gedeckelt bei einer dafür höheren Beteiligung durch die Netzbetreiber.
Heizungstauschgesetz – Länder nehmen Stellung
Die Bundesregierung will den Umstieg auf erneuerbare Energien beim Heizen und bei der Warmwasserbereitung vorantreiben. Sie plant dazu, Eigentümer zur Nutzung von mindestens 65% erneuerbaren Energien bei neu einzubauenden Heizungen ab dem Jahr 2024 zu verpflichten. Am Freitag hat sich der Bundesrat zu den Plänen geäußert. In seiner Stellungnahme fordert er unter anderem, den Quartiersansatz im Gebäudeenergiegesetz umfassend zu verankern, weitere Anreize für die Nutzung von Geothermie zu schaffen und raumlufttechnische Anlagen zur Wärmerückgewinnung zuzulassen. Der Gesetzentwurf soll ausweislich der Begründung ein zentraler Schritt auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität in Deutschland im Jahr 2045 sein. Die Mindestquote an erneuerbaren Energien soll für Neubau- und Bestandsgebäude, Wohn- und Nichtwohngebäude gelten. Bestehende Heizungen können weiter genutzt und bei Defekt repariert werden. Das Enddatum für die Nutzung von Heizungen mit fossilen Brennstoffen ist der 31.12.2044.
Technologieoffene Regelung
Eigentümer könnten dann entweder eine individuelle Lösung umsetzen und den Anteil an Erneuerbaren Energien rechnerisch nachweisen oder zwischen verschiedenen pauschalen Erfüllungsoptionen frei wählen – Anschluss an ein Wärmenetz, elektrische Wärmepumpe, Stromdirektheizung, Hybridheizung, Heizung auf der Basis von Solarthermie oder sogenannte "H2-Ready"-Gasheizungen (Heizungen, die auf 100% Wasserstoff umrüstbar sind). Weitere Optionen für Bestandsgebäude sind eine Biomasseheizung oder eine Gasheizung, die nachweislich erneuerbare Gase nutzt.
Übergangsfristen und Ausnahmen
Bei einer Heizungshavarie sollen Übergangsfristen von drei Jahren greifen, bei Gasetagenheizungen von bis zu dreizehn Jahren. Soweit ein Anschluss an ein Wärmenetz absehbar ist, sind Übergangsfristen von bis zu 10 Jahren vorgesehen. Zudem ist eine Befreiung zur Umrüstung im Havariefall für Eigentümer geplant, die das 80. Lebensjahr vollendet haben und ein Gebäude mit bis zu sechs Wohnungen selbst bewohnen sowie beim Austausch von Etagenheizungen für Wohnungseigentümer, welche 80 Jahre und älter sind und die selbst im Gebäude wohnen. Im Einzelfall soll berücksichtigt werden, ob die notwendigen Investitionen in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag oder in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Gebäudes stehen. Fördermöglichkeiten und Preisentwicklungen sollen dabei einfließen. Diese Regelung kritisiert der Bundesrat in seiner Stellungnahme. Er fordert, die Altersschwelle von 80 Jahren durch eine einfach zu administrierende Härtefallklausel zu ersetzen, die auch konkrete Sachgründe einbezieht und insbesondere soziale Kriterien berücksichtigt oder auf eine sachlich begründbare Altersgrenze, wie zum Beispiel auf das Renteneintrittsalter abzusenken. Mieter sollen vor einer Belastung mit Mehrkosten besonders teurer Heizverfahren geschützt werden, indem der Vermieter Brennstoffkosten nicht auf seine Mieter umlegen kann, die den Betrag übersteigen, der zur Erzeugung derselben Menge an Heizwärme mit einer hinreichend effizienten Wärmepumpe anfiele.
Bessere Arbeitsbedingungen in der Paketbranche
Bei der Zustellung von Paketen sollen Werkverträge zukünftig verboten sein. Mit diesem Ziel fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, das "Paketboten-Schutz-Gesetz" zu ändern. Eine entsprechende Entschließung auf Initiative von Bremen, Niedersachsen, dem Saarland und Thüringen beschloss der Bundesrat in seiner Sitzung am Freitag. Zur Begründung verweist die Entschließung auf die rasante Zunahme von Paketsendungen und den hohen Wettbewerbsdruck unter den Paketdienstleistern. Häufig seien Paketzustellerinnen und Paketzusteller nicht direkt bei den Paketdienstleistern beschäftigt, sondern im Rahmen von Werkvertragskonstellationen bei deren Subunternehmen. Dort bestünden in aller Regel keine Tarifverträge und auch Betriebsräte seien selten. Kontrollen brächten immer wieder schlechte oder rechtswidrige Arbeitsbedingungen zutage, darunter Verstöße gegen das Mindestlohngesetz beziehungsweise das Arbeitnehmerentsendegesetz, ebenso Scheinselbständigkeit sowie die Missachtung notwendiger Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Ein Verbot von Werkverträgen in der Paketbranche – so heißt es in der Begründung für die Entschließung – würde die Verantwortung für die Einhaltung der arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Standards den großen Dienstleistern zuweisen.