Bundesrat beschließt in erster Sitzung 2022 den Nachtragshaushalt
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© Wolfgang Kumm / dpa
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Die erste reguläre Sitzung des Bundesrates im Jahr 2022 begann mit einem besonderen Gast: Bundeskanzler Olaf Scholz hielt seine Antrittsrede. Anschließend billigte der Bundesrat das 2. Nachtragshaushaltsgesetz, das der Bundestag Ende Januar beschlossen hatte. Er beriet zudem 12 Landesinitiativen, sieben EU-Vorlagen sowie mehrere Gesetz- bzw. Regierungsverordnungen des neuen Kabinetts.

Antrittsrede des Kanzlers

Für Scholz war es eine "Heimkehr", hatte er doch als Mitglied der Hamburger Landesregierung viele Jahre lang der Institution angehört, die er als "Herzkammer des Föderalismus" bezeichnete. Er betonte den föderalen Gedanken, der gebiete, dass Bund und Länder zum Wohle des Landes zusammenarbeiten - respektvoll im Umgang, orientiert an der Sache und immer mit dem Willen zu gemeinsamer Gestaltung. In diesem Sinne lieferte er in der über 20 Minuten langen Rede einen Überblick über die Vorhaben der Bundesregierung. Dieser reichte von der Bekämpfung der Pandemie und des Klimawandels, dem Wiederaufbau nach der Hochwasserkatastrophe bis zur Bildungs- Finanz-, Sozial- und Wirtschaftspolitik und von der Digitalisierung bis hin zu Europa sowie Außen- und Sicherheitspolitik - insbesondere zum Ukraine-Konflikt. Bundesratspräsident Bodo Ramelow bedankte sich für das mit "Leidenschaft" vorgetragene "Plädoyer zum Föderalismus" und bekundete die Bereitschaft der Länder, die "ausgestreckte Hand" der Bundesregierung zu ergreifen. Mit ihrem für die Länderkammer eigentlich unüblichen Beifall für die Rede hätten deren Mitglieder deutlich gemacht: "Bund und Land - wir stehen gemeinsam."

Bundesrat billigt 2. Nachtragshaushalt

Der Bundesrat verzichtete auf ein Vermittlungsverfahren zu dem Gesetz zum 2. Nachtragshaushalt, das der Deutsche Bundestag am 27.01.2022 verabschiedet hatte. Es ist dadurch gebilligt und kann nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und Verkündung im Bundesgesetzblatt rückwirkend in Kraft treten. Das Gesetz überträgt nicht genutzte Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro aus dem Kernhaushalt des vergangenen Haushaltsjahrs in eine Rücklage des Energie- und Klimafonds EKF, einem Sondervermögen des Bundes. Mit diesen Mitteln will die Bundesregierung in den kommenden Jahren klima- und transformationspolitische Vorhaben finanzieren und private Investitionen anreizen - und damit einen Beitrag zur Bekämpfung der Corona-Pandemie leisten.

Konkretisierung zur Mittelverwendung im Bundestagsverfahren

Im Laufe seiner Beratungen ergänzte der Bundestag den zugrundeliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung um verbindliche Erläuterungen zur Verwendung der an den EKF übertragenen Mittel. Sie stellen klar, dass die Mittel unter anderem für Investitionen zur besseren Energieeffizienz von Gebäuden und Förderung einer klimaneutralen Industrie zu nutzen sind; ebenso zur Stärkung der Nachfrage privater Verbraucher und des gewerblichen Mittelstands durch Abschaffung der EEG-Umlage. Eine weitere Ergänzung im Bundestagsverfahren: Der Gesetzesbeschluss schafft 148 neue Stellen für Bundesministerien und Bundestag.

Bundesrat will Bußgelder für Mietwucher verdoppeln

Mietwucher soll härter bestraft werden. Der Bundesrat beschloss auf Initiative von fünf Ländern, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen. Er schlägt vor, den Bußgeldrahmen für unangemessen hohe Mietforderungen auf 100.000 Euro zu verdoppeln. Das geltende Bußgeld von 50.000 Euro sei angesichts des anhaltend knappen Wohnungsmarktes nicht mehr zeitgemäß. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sollen außerdem dafür sorgen, dass Mietwucher leichter anerkannt wird. Danach würde es ausreichen, dass die vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um 20% übersteigt und das Angebot an günstigerem Wohnraum gering ist. Bislang müssen Mieter nachweisen, dass sie sich vergeblich um eine günstigere Wohnung bemüht haben und der Vermieter diese Zwangslage ausgenutzt hat. Dieses Ausnutzen lasse sich in der Praxis kaum nachweisen, weshalb die Vorschrift zum Mietwucher faktisch ins Leere laufe, heißt es in der Entwurfsbegründung. 

Höhere Strafen für Verkehrsdelikte mit Todesfolge

Mit einem heute auf Initiative von Bayern und Nordrhein-Westfalen beschlossenen Gesetzentwurf fordert der Bundesrat zudem höhere Strafen für Verkehrsdelikte mit Todesfolge: Wer die Sicherheit des Bahn-, Schiffs-, Luft- oder Straßenverkehrs gemäß § 315 StGB beeinträchtigt und dadurch den Tod einer Person verursacht, soll mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft werden. Die Tat wäre damit automatisch als Verbrechen einzustufen. Die gleiche Qualifizierung soll für den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB gelten. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung soll Wertungswidersprüche beseitigen, die durch frühere Änderungen des Strafgesetzbuchs entstanden sind, als man zum Beispiel die Strafbarkeit für verbotene Kraftfahrzeugrennen verschärft hat. Außerdem weist der Bundesrat darauf hin, dass nach geltendem Recht eine fahrlässige Gesundheitsbeschädigung in bestimmten Fällen härter bestraft wird als eine fahrlässige Todesverursachung. Auch diese Ungereimtheit möchten die Länder beseitigen lassen. 

Fristverlängerung für Umtausch alter Führerschein-Dokumente    

Führerscheininhaber und -inhaberinnen der Jahrgänge 1953 bis 1958 sollen mehr Zeit zum Umtausch ihrer alten Papier-Dokumente erhalten: Nur unter dieser sowie weiteren Bedingungen stimmte der Bundesrat einer Regierungsverordnung zu, die diverse Regelungen zu Erwerb, Geltung und Umschreibung von Führerscheinen enthält. Setzt die Bundesregierung die so genannten Maßgaben der Länder um, kann sie die Verordnung in Kraft setzen. Hintergrund ist eine EU-Vorgabe, die spätestens zum Jahr 2033 den Umtausch sämtlicher Führerscheindokumente in europaweit einheitlich lesbare und fälschungssichere Kartenformate bestimmt. Damit nicht alle Führerscheine zum Ende der Frist gleichzeitig umzutauschen sind und lange Wartezeiten entstehen, gelten in Deutschland gestaffelte Umtauschfristen. In der ersten Stufe müssen Führerscheinbesitzer der Jahrgänge 1953 bis 1958 ihre alten Papierführerscheine, die bis zum 31.12.1998 ausgestellt wurden, umtauschen. Diese Frist möchte der Bundesrat aufgrund der aktuellen Belastungen der Corona-Pandemie um ein halbes Jahr auf den 19.07.2022 verschieben.

Bundesrat fordert Ausweiskontrollen beim Boarding          

Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass Fluggesellschaften die Identität ihrer Passagiere beim Boarding kontrollieren und mit den Buchungsdaten der Tickets abgleichen müssen. Dies ist bisher gesetzlich nicht vorgeschrieben. Auf Initiative von Niedersachsen hat der Bundesrat beschlossen, eine entsprechende Ergänzung im Luftsicherheitsgesetz beim Bundestag einzubringen. 

Bundesrat begrüßt EU-Antisemitismusstrategie     

Der Bundesrat unterstützt die EU-Kommission bei ihrer Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus. Eine entsprechende Stellungnahme hat die Länderkammer beschlossen. Darin betont sie, dass die Kultur des Judentums ein integraler Bestandteil der europäischen Kultur ist, und dass das jüdische kulturelle Erbe in den Mitgliedstaaten einerseits geschützt, andererseits auch so bekannt gemacht werden muss, dass es von Europäerinnen und Europäern als lebendiger Teil europäischer Kultur und Lebensweise wahrgenommen und geschätzt wird.

Redaktion beck-aktuell, 11. Februar 2022.