Bundesnetzagentur nicht unabhängig genug: EU-Kommission verklagt Deutschland

Die Europäische Kommission hat beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen Deutschland erhoben, um sicherzustellen, dass die Stromrichtlinie und die Gasrichtlinie ordnungsgemäß umgesetzt werden und die Bundesnetzagentur dabei unabhängig agieren kann. Beide Richtlinien gehören zum Dritten Energiepaket. Außerdem fordert die Kommission Deutschland auf, Maßnahmen zum Schutz von Labortieren umzusetzen und seine Verwaltungspraxis bei der grenzüberschreitenden Mehrwertsteuererstattung an das EU-Recht anzupassen.

BNetzA unter anderem bei Tariffestlegung nicht unabhängig genug

Deutschland hat nach Ansicht der Kommission nicht dafür gesorgt, dass die Vorschriften zu den Befugnissen und zur Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde (Bundesnetzagentur) in vollem Umfang eingehalten werden. Insbesondere könne die Regulierungsbehörde nicht völlig unabhängig die Tarife und andere Vertragsbedingungen für den Netzzugang und Ausgleichsleistungen festlegen, da viele Elemente für die Festlegung dieser Tarife und Vertragsbedingungen in weiten Teilen in detaillierten Vorschriften der Bundesregierung geregelt sind.

Entflechtungsmodell für unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber fehlerhaft umgesetzt

Darüber hinaus habe Deutschland mehrere Anforderungen an das Entflechtungsmodell für den unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber (ITO) fehlerhaft umgesetzt. So entsprächen beispielsweise die Vorschriften für die Unabhängigkeit des Personals und der Unternehmensleitung des ITO nicht in vollem Umfang diesen Richtlinien; ferner schließe die Definition des "vertikal integrierten Unternehmens" fälschlicherweise Tätigkeiten außerhalb der EU aus. Im Februar 2015 sei ein Aufforderungsschreiben und im April 2016 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland übermittelt worden. Da die Einhaltung des EU-Rechts noch nicht gewährleistet sei, müsse die Kommission den Gerichtshof anrufen.

Deutschland setzt Tierschutz-Regeln nicht ordnungsgemäß um

Zudem hat die Kommission beschlossen, sechs Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, Aufforderungsschreiben zu übermitteln, weil sie die EU-Vorschriften über den Schutz von für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tieren (Richtlinie 2010/63/EU) unzureichend in innerstaatliches Recht umgesetzt haben. Die Richtlinie, die bis zum 10.11.2012 umgesetzt werden musste, sorgt laut Kommission für einen hohen Tierschutzstandard und gewährleistet gleichzeitig das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Außerdem solle die Zahl der für Versuche verwendeten Tiere auf ein Minimum reduziert und soweit möglich auf alternative Methoden zurückgegriffen werden. In allen sechs Mitgliedstaaten seien zahlreiche Unzulänglichkeiten ihres innerstaatlichen Rechts festgestellt worden.

Mehrwertsteuer-Erstattungen in einigen Fällen zu Unrecht verweigert

Die Kommission hat Deutschland zudem aufgefordert wird, seine Vorschriften zur Mehrwertsteuererstattung mit den EU-Rechtsvorschriften in Einklang zu bringen. In einigen Fällen lehne Deutschland derzeit die Erstattung der Mehrwertsteuer an in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige ab, weil die übermittelten Informationen seines Erachtens nicht vollständig sind; allerdings habe es den Antragsteller nicht aufgefordert, zusätzliche Informationen vorzulegen, heißt es in der mit Gründen versehenen Stellungnahme. Dies habe zur Folge, dass die Erstattung verweigert wird, obwohl die Antragsteller die im EU-Recht festgelegten materiellen Voraussetzungen erfüllen. Kommt Deutschland der Aufforderung nicht binnen zwei Monaten nach, kann die Kommission den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen.

Redaktion beck-aktuell, 20. Juli 2018.