Bundeskabinett beschließt umstrittenen Gesetzentwurf zur Reform des Urheberrechts
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Das Bundeskabinett hat am 03.02.2021 den umstrittenen Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts beschlossen. Schwerpunkt der Reform ist das neue Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz, das die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen wie YouTube oder Facebook regelt. Verbände und Rechteinhaber kritisieren die Pläne der Bundesregierung.

Urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen

Der Gesetzentwurf ändert das geltende deutsche Urheberrecht an zahlreichen Stellen. Ein eigenständiges neues Gesetz regelt künftig die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen. Es enthält außerdem Vorschriften zu Nutzerrechten und zu Vergütungsansprüchen der Kreativen für Nutzungen auf Plattformen (Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz [UrhDaG-E], Art. 3 des Entwurfs).

Presseverleger-Leistungsschutzrecht wird eingeführt

Die geplante Neuregelung sieht zudem die Einführung eines Presseverleger-Leistungsschutzrechtes vor. Das neue Presse-Leistungsschutzrecht schützt die wirtschaftlich-organisatorische und technische Leistung der Presseverleger bei der Erstellung von Presseveröffentlichungen (§§ 87f bis 87k UrhG-E).

Anpassung des Urhebervertragsrechts

Die bereits bestehenden Vorschriften des Urhebervertragsrechts, also die Regeln für Verträge zwischen Kreativen und Verwertern, sollen angepasst (§§ 32 ff. UrhG-E) und der kollektive Rechtsschutz gestärkt (§ 36d UrhG-E) werden. Die europäischen Vorgaben beruhen weithin auf bereits geltendem deutschen Urhebervertragsrecht.

Regelungen zu gesetzlichen Nutzungserlaubnissen

Der Entwurf enthält außerdem Regelungen zu gesetzlichen Nutzungserlaubnissen für das Text und Data Mining, einer Schlüsseltechnologie für maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz (§§ 44b, 60d UrhG-E). Darüber hinaus beinhaltet der Entwurf Regelungen für den digitalen und grenzüberschreitenden Unterricht und die Lehre sowie für die Erhaltung des Kulturerbes (§§ 60e, 60f UrhG-E).

Reaktion auf EuGH-Urteil "Metall auf Metall"

Im Interesse der Nutzer sei die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zu den Zwecken der Karikatur, der Parodie und des Pastiches erlaubt (§ 51a UrhG-E), heißt es in der Mitteilung des Bundesjustizministeriums. Der Entwurf reagiere damit auch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Verfahren "Metall auf Metall", das Sampling zum Thema hatte.

Kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung

Künftig könnten Verwertungsgesellschaften kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung vergeben. Dies ist ein neues Element im deutschen Urheberrecht (Extended Collective Licences, ECL, siehe § 51 VGG-E). Die Sondervorschriften für die Online-Nutzung von vergriffenen Werken, insbesondere von nicht mehr erhältlichen Büchern, werden reformiert (§ 51b VGG-E).

Neuordnung der Verlegerbeteiligung

Auch die Verlegerbeteiligung werde neu geordnet: Verleger würden künftig wieder an der Vergütung für gesetzlich erlaubte Nutzungen (beispielsweise Privatkopie) beteiligt (§ 63a UrhG-E, §§ 27 bis 27b VGG-E). Dies gewährleiste insbesondere den Fortbestand der VG Wort als gemeinsamer Verwertungsgesellschaft von Autoren und Verlegern.

Gemeinfreie visuelle Werke

Vervielfältigungen eines gemeinfreien visuellen Werks, beispielsweise Fotos alter Gemälde, genießen nach der geplanten Neuregelung künftig keinen Leistungsschutz mehr. Dadurch werde der Zugang zum Kulturerbe verbessert (§ 68 UrhG-E), heißt es in der Mitteilung des Bundesjustizministeriums.

Online-Verbreitung von Fernseh- und Radioprogrammen

Neue Bestimmungen regeln laut Ministerium die Online-Verbreitung von Fernseh- und Radioprogrammen, beispielsweise per Livestream und über Mediatheken (§§ 20b bis 20d, 87 UrhG-E).

Kritik von vzbv und DJV

"Erst versprach die große Koalition im Koalitionsvertrag, keine Uploadfilter einzuführen, jetzt kommen sie doch", kritisierte Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Die Politik habe zwar versucht, die negativen Auswirkungen von Uploadfiltern auf die Nutzer zu begrenzen. Dass starke Nutzerrechte dafür aber das wichtigste Instrument seien, blende sie dabei immer weiter aus. Stattdessen säge die Politik weiter an den Nutzerrechten, sagte Müller. Die sogenannte geringfügige Nutzung sei "ein fauler Kompromiss", von dem zwar die Nutzer, Facebook und Google profitieren, nicht jedoch die Urheber, monierte auch DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Unter anderem sei vorgesehen, dass Texte nur noch bis zu 160 Zeichen ohne Zustimmung des Rechteinhabers auf Plattformen verwendet werden dürften. Vorher sei von bis zu 1.000 Zeichen die Rede gewesen. Bei Videos, Audios und vor allem für Fotos und Grafiken seien die Grenzen aber noch viel zu hoch. "Die ‚geringfügige Nutzung‘ führt die Absicht der EU-Urheberrechtsrichtlinie, die Kreativen an der digitalen Nutzung ihrer Werke fair und angemessen zu beteiligen, ad absurdum", sagte Überall.

Verleger für schnelle Umsetzung

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) fordern dagegen eine zügige Umsetzung und wirksame Schutzrechte für journalistische Inhalte: "Die EU-Urheberrechtsrichtlinie gibt den Mitgliedsstaaten einen besseren Schutz der Urheber und Rechteinhaber gegenüber den Megaplattformen vor. Das muss auch Maxime der weiteren Umsetzung in Deutschland bleiben", hieß es dazu von den Verbänden. Der Regierungsentwurf sehe unter anderem ein Leistungsschutzrecht für journalistische Produkte vor. Dies sei ein Schlüssel, um die Ausbeutung journalistischer Inhalte durch kommerzielle Plattformen künftig einzudämmen. Darüber hinaus gelte es im weiteren Gesetzgebungsverfahren darauf zu achten, dass dem Journalismus in der digitalen Ära nicht durch zu weiche Vorgaben für die Haftung der großen Plattformen durch die Hintertür wichtige Erlöse entzogen würden. Der Beschluss dürfe keinesfalls hinter den europäischen Vorgaben zurückbleiben. "Wir vertrauen darauf, dass der Bundestag den Journalismus mit dem neuen Urheberrecht nicht schwächen, sondern stärken will," so die Verbände.

Branchenvertreter bestürzt

Mit Blick auf den verabschiedeten Entwurf seien Verbände und Institutionen von Rechteinhabern verschiedener Branchen bestürzt, heißt es dagegen in einer Pressemitteilung von Vaunet, dem Spitzenverband der privaten audiovisuellen Medien. Ihre in den vergangenen Wochen und Monaten vielfach vorgetragenen praxisbezogenen und rechtlichen Kritikpunkte am Text des BMJV seien – in der Essenz – nicht berücksichtigt worden. Damit würden die Branchenrealitäten von der Politik ignoriert.

Praxisferne Ausgestaltung von Ansprüchen und Lizenzverhältnissen

Zu den immer wieder geäußerten Kritikpunkten gehöre eine praxisferne Ausgestaltung von Ansprüchen und Lizenzverhältnissen sowie massive Eingriffe in etablierte und zukünftige Lizenzmärkte. Vor allem die sogenannte Bagatellschranke sei von vielen Seiten zu Recht scharf kritisiert worden. Auch wenn diese nun einer anderen Regelung unterliege, werde den Rechteinhabern mit dem Entwurf weiterhin faktisch die Herrschaft über wesentliche Teile ihrer Inhalte ohne entsprechende Rechtfertigung durch die Richtlinie entzogen, heißt es in der Pressemitteilung von Vaunet. Die Rechteinhaber könnten also nicht mehr primär darüber bestimmen, wie und wo die Nutzung ihrer Werke stattfindet.

Akzeptierte Branchenlösungen gefährdet

Darüber hinaus gefährde der Entwurf auch im Urhebervertragsrecht weithin akzeptierte Branchenlösungen und schaffe durch neuartige Berichtspflichten unverhältnismäßige Bürokratiekosten. All dies stelle die deutsche Kreativbranche gegenüber den globalen Mitbewerbern schlechter und werde dem Kreativstandort Deutschland nachhaltigen Schaden zufügen. Hier müsse im parlamentarischen Verfahren dringend nachgebessert und Kompromissbereitschaft signalisiert werden, um die drohende Benachteiligung Deutschlands im digitalen Binnenmarkt abzuwenden, betonte Vaunet im Namen verschiedener Vertreter aus dem Kreis der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Richtlinien bis Juni 2021 umzusetzen

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag weitergeleitet und dort beraten. Die Richtlinien sind bis zum 07.06.2021 in deutsches Recht umzusetzen.

Redaktion beck-aktuell, 3. Februar 2021.