Reaktionen auf das BND-Urteil: Zustimmung, aber auch Kritik

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat das BND-Urteil des Bundesverfassungsgerichts begrüßt. Es sei gut, dass Karlsruhe die Einhaltung der Grundrechte anmahne und den Schutz des Fernmeldegeheimnisses und der Pressefreiheit bei Überwachungsmaßnahmen auch auf Ausländer im Ausland erstreckt habe, sagte sie am 20.05.2020. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die vor einer Schwächung der Terrorabwehr warnen.

Röttgen warnt

CDU-Außenexperte Norbert Röttgen etwa sieht durch das Urteil die Arbeit des Auslands-Nachrichtendienstes eingeschränkt. " Mit der Entscheidung, die Geltung deutscher Grundrechte auch im Ausland anzunehmen und den BND bei seiner strategischen Auslandsaufklärung daran zu binden, wird Neuland betreten“, sagte er am 20.05.2020 dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". "Ob und wie der BND unter diesen Bedingungen noch arbeiten kann, ist ungewiss.“

BVerfG fordert klare Regeln und Grenzen für die BND-Befugnisse

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 19.05.2020 entschieden, dass sich der BND bei seinen weltweiten Überwachungsaktivitäten an deutsche Grundrechte halten muss. Die Politik soll nun das BND-Gesetz bis spätestens Ende 2021 grundlegend überarbeiten. Konkret geht es um die Vorschriften für die sogenannte strategische Fernmeldeaufklärung im Ausland. Dabei durchforstet der BND ohne bestimmten Verdacht große Datenströme auf interessante Informationen. Laut dem Urteil muss der Gesetzgeber die BND-Befugnisse viel genauer regeln und begrenzen.

Bestimmte Berufsgruppen besonders schutzwürdig

Das betrifft laut Urteil eine Vielzahl an Einzelpunkten: Zum Beispiel muss die vertrauliche Kommunikation bestimmter Berufsgruppen wie von Anwälten und Journalisten besonders geschützt werden. Sehr private und intime Inhalte sind unverzüglich zu löschen, wenn sie BND-Mitarbeitern ins Netz gehen. "Das Bundesverfassungsgericht hat explizit erklärt, dass dieses Instrument bei verhältnismäßiger Ausgestaltung mit den Grundrechten vereinbar ist“, hob Lambrecht hervor. "Das kann man hinbekommen. Man muss aber insbesondere die Überwachungszwecke klarer bestimmen und die Kontrollmöglichkeiten verbessern.“

Terrorismusexperte: Unnötige Schwächung des BND

Der Londoner Terrorismusexperte Peter Neumann sieht etwa in Kriegsgebieten "eine absurd hohe Hürde“ darin, Grundrechte auch für Ausländer im Ausland gelten zu lassen. "Ich weiß nicht, wie man das umsetzen soll", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der deutsche Auslandsgeheimdienst werde so noch abhängiger von Partnerdiensten in den USA und Großbritannien. "Das Urteil führt zu einer unnötigen Schwächung des BND.“

Stimmen nach Nachrichtendienstbeauftragten des Bundestags werden laut

Infolge des Urteils forderte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle, einen Nachrichtendienstbeauftragten des Bundestags. Das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, "dass wir eine effektivere parlamentarische Kontrolle unserer Nachrichtendienste brauchen", sagte er der Rheinischen Post am 20.05.2020. Angelehnt an den Wehrbeauftragten solle dieser nach Kuhles Vorstellung Informationen über die nachrichtendienstliche Tätigkeit einholen und die Abgeordneten in Berichten darüber informieren. Zudem forderte Kuhle, das Parlamentarische Kontrollgremium zu stärken. Rückendeckung bekam er vom CDU-Politiker Patrick Sensburg. "Er wäre Teil der Exekutiven und könnte nicht nur BND-eigene Dokumente einsehen, sondern auch die Daten, die ausländische Nachrichtendienste zuliefern.“

Snowden: BND-Urteil "Schritt in die richtige Richtung“

Der US-Geheimdienstenthüller Edward Snowden hat das Karlsruher Urteil zu den Überwachungsbefugnissen des Bundesnachrichtendienstes (BND) als "Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet. Er habe mit seinen Enthüllungen 2013 "auch eine Beweisgrundlage für Gerichte schaffen" wollen, sagte Snowden laut einer Mitteilung, die sein deutscher Anwalt Wolfgang Kaleck am 19.05.2020 verbreitete. "Ich hoffe, dass sich andere Staaten am heutigen Gerichtsurteil ein Beispiel nehmen und dass auch internationale Standards entwickelt werden, um den Aufbau solcher Systeme zu verbieten.“ Kaleck ist auch Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR).

Redaktion beck-aktuell, 20. Mai 2020 (dpa).