Schutzmaßnahmen und Ausnahmen gesetzlich definiert
Automatisch greifen dann ab dem übernächsten Tag bestimmte, im Gesetz dezidiert aufgezählte Schutzmaßnahmen, ohne dass die Länder noch Verordnungen beschließen müssten. Genannt sind unter anderem Kontakt- und nächtliche Ausgangsbeschränkungen von 22.00 bis 5.00 Uhr, Restriktionen für Einzelhandel, Gastronomie, Hotels, Kultur-, Dienstleistungs-, Sport- und Freizeiteinrichtungen. Auch Ausnahmetatbestände für die Schutzmaßnahmen sind gesetzlich definiert. So ist Joggen und Spazierengehen bis 24.00 Uhr erlaubt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch das Einkaufen mit Terminvergabe weiter stattfinden. Ab einer Inzidenz von 100 wird für Schulen und Hochschulen Wechselunterricht verpflichtend – ab einer Inzidenz von 165 Distanzunterricht. Arbeitgeber sind gehalten, ihren Beschäftigten soweit wie möglich Homeoffice anzubieten.
Weitergehende Landesregelungen bleiben möglich
Soweit Landesvorschriften bereits schärfere Maßnahmen vorsehen, bleiben diese bestehen. In Regionen mit stabilen Inzidenzen unter 100 können die Länder außerdem mit eigenen Verordnungen über Einschränkungen oder Lockerungen entscheiden. Die gesetzliche Notbremse ist bis zum 30.06.2021 befristet.
Verordnungsermächtigungen für Bundesregierung
Außerdem im Gesetz vorgesehen sind Verordnungsermächtigungen für die Bundesregierung, damit diese mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat weitere Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung des Corona-Virus und besondere Regelungen für geimpfte oder negativgetestete Personen erlassen kann.
Zusätzliche Kinderkrankentage
Flankierend wird das Kinderkrankengeld für gesetzlich versicherte Berufstätige um zehn zusätzliche Tage, für Alleinerziehende um 20 Tage ausgeweitet, damit diese ihre Kinder während pandemiebedingter Schul- oder Kita-Schließungen zuhause betreuen können. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob die Arbeitsleistung grundsätzlich auch im Homeoffice erbracht werden kann. Erst im Januar hatte der Bundesrat – ebenfalls in einer Sondersitzung – der Erhöhung auf 20 beziehungsweise 40 Tage für das Jahr 2021 zugestimmt.
Inkrafttreten am Freitag
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnete das Gesetz anschließend, auch im Bundesgesetzblatt wurde es noch am Donnerstag veröffentlicht. Es kann damit am Freitag in Kraft treten.
Zustimmung trotz Unmut
In der Aussprache äußerten alle sechs Ministerpräsidenten, die sich zu Wort meldeten, erheblichen Unmut. Sie sahen durch die Bank verfassungsrechtliche Bedenken - insbesondere wegen der starren Notbremse - und Probleme bei der praktischen Umsetzung. Dem Bund warfen sie zudem vor, nicht die Erfahrungen der Länder in der Pandemiebekämpfung berücksichtigt zu haben. Die Länderchefs erkannten aber wegen der anhaltenden Corona-Pandemie den Handlungsbedarf an und wollten das Gesetz daher nicht aufhalten. Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU) kritisierte in scharfer Form die Kompetenzverlagerung auf den Bund. "Der heutige Tag ist für mich ein Tiefpunkt in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland", sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Die Länderkammer berate über ein Gesetz, "dessen Entstehung, Ausgestaltung und Ergebnis unbefriedigend sind". Der saarländische Regierungschef Tobias Hans (CDU) betonte: "Ob diese Kompetenzverlagerung auf die Bundesebene eine wirkungsvollere Art der Pandemiebekämpfung darstellt, dieser Beweis, der ist noch nicht erbracht. Und der muss erbracht werden."
Spahn kritisiert Länder
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb in der Sitzung nochmals für das Gesetz und spielte den Ball ins Feld der Länder zurück. "Seit Anfang März sind die Instrumente ja alle benannt, aufgeschrieben, eigentlich vereinbart und geeint, inklusive der Ausgangsbeschränkungen", sagte er. "Und da müssen wir uns ehrlich machen: Obwohl Bund und Länder dasselbe wollen, ist bei vielen der Eindruck entstanden, wir würden nicht am selben Strang ziehen in den letzten Wochen." Das einheitliche Handeln, so der Eindruck, sei verloren gegangen. Das Gesetz sei "das Ergebnis all dieser Entwicklungen".
Bouffier und Weil kritisieren Ausgangsbeschränkungen
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier bezeichnete die starren Ausgangsbeschränkungen als "verfassungsrechtlich problematisch". Es stelle sich auch die Frage, wie zum Beispiel die vorgesehenen Schulschließungen umgesetzt werden sollten. Bouffier bedauerte es, "dass der Bundestag die Chance hat verstreichen lassen, viele Erfahrungen der Länder, die wir aus einem Jahr praktischem Krisenmanagement gesammelt haben, mehr und intensiver aufzunehmen". Das hätte die Akzeptanz in der Bevölkerung deutlich erhöhen können. Der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (SPD) sagte, die Neuregelungen seien für den Infektionsschutz "kein großer Wurf". Bei Ausgangsbeschränkungen sei die verfassungsrechtliche Zulässigkeit fraglich, er sei "sehr gespannt" auf die Rechtsprechung. Für sein Land bedeute das Gesetz sogar erhebliche Lockerungsmöglichkeiten. Weil fasste seine Bewertung so zusammen: "Für mein Land unnötig, aber ich füge hinzu: auch unschädlich."