Bundes-Notbremse mit Bremsspur
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Nach langen Diskussionen ist es vollbracht – im Kampf gegen die dritte Corona-Welle soll Schluss sein mit dem föderalen Flickenteppich. Doch kommt die Bundes-Notbremse rechtzeitig? Denn die Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat stehen noch aus. Intensivmediziner warnen: Es gehe um sehr viele schwere Erkrankungen und viele Menschen, die das nicht überleben würden.

Hoffnungsbekundung à la Meister Yoda

Eigentlich hat Angela Merkel schon alles zur Notwendigkeit der gerade in ihrem Kabinett beschlossenen Bundes-Corona-Notbremse gesagt. Da wird sie noch gefragt, ob es auch schnell genug gehe mit den bundesweit verpflichtenden Einschränkungen. "Ich kann aus meiner Perspektive nur sagen, dass je schneller es geht, umso besser das natürlich ist", meint sie da noch. Die eigenwillige Grammatik dieser Hoffnungsbekundung erinnert ein wenig an Meister Yoda aus "Star Wars" – ob ihr Wort Gehör findet, darf in diesem Moment am Dienstag im Kanzleramt aber bereits bezweifelt werden.

Ärzte und Epidemiologen drängen auf effektiveres Durchgreifen

Dabei wird der Ruf von Ärzten und Epidemiologen nach einem effektiveren Durchgreifen gegen die Pandemie und besonders die Ausbreitung von Virusmutanten schon seit Wochen lauter. "Wir müssen mit den Corona-Infektionszahlen weiter deutlich nach unten. Andernfalls droht uns eine neue dritte Pandemiewelle, die unser Gesundheitssystem überfordern könnte", sagte die Vorsitzende des Bundesverbands der deutschen Amtsärzte, Ute Teichert, schon am 09.02.2021.

Merkel kündigte bundeseinheitliche Regelungen an

Sechs Wochen, unzählige Bund-Länder-Diskussionen und eine Entschuldigung der Kanzlerin über verpatzte Osterruhetage später schlug Merkel Ende März andere Töne an. Einige Länder ließen es an geeigneten Maßnahmen fehlen – wenn das nicht "in sehr absehbarer Zeit" anders werde, müsse sie sich bundeseinheitliche Regelungen überlegen, sagte die Kanzlerin am 28.03.2021 in einer Talkshow.

Ständiger Streit zwischen Bund und Ländern

Acht weitere Tage vergingen, bis CDU-Chef Armin Laschet auf den Verschärfungskurs einschwenkte und an Ostermontag einen "Brücken-Lockdown" vorschlug. Die Lage erfordere es, "dass wir noch mal in vielen Bereichen nachlegen und uns Richtung Lockdown bewegen". Doch das Gezänk und die unterschiedlichen Positionen zwischen Bund und Ländern und zwischen SPD- und Unions-Ministerpräsidenten ging erst einmal weiter, während der Anstieg der Infektionszahlen wegen der Osterferien auch erstmal weniger dramatisch aussah. Eine Hauptfrage war über Tage: Wann sollte eine geplante Ministerpräsidentenkonferenz stattfinden?

Bundes-Notbremse wird weite Teile Deutschlands treffen

Vier weitere Tage später kam am vergangenen Freitag die Wende. Die Ministerpräsidentenkonferenz wurde abgesagt, stattdessen sollte nun eilig das Infektionsschutzgesetz nachgeschärft werden. Nach vier weiteren Tagen – die Sieben-Tages-Inzidenz hatte inzwischen den höchsten Wert seit dem 15.01.2021 erreicht – beschloss das Bundeskabinett nun die Bundes-Notbremse, die weite Teile Deutschlands demnächst treffen dürfte.

Kein langes Diskutieren und keine Öffnungsexperimente mehr

Darin vorgesehen: Abendliche Ausgangsbeschränkungen ab einer Sieben-Tages-Inzidenz von 100, Zusammenkünfte nur mit zwei Hausständen, geschlossene Läden, Restaurants, Kinos. Präsenzunterricht soll nur mit Tests zweimal die Woche möglich sein – und ab 200 Neuinfektionen pro Kreis und 100.000 Einwohnern in sieben Tagen dann gar nicht mehr. Und das alles ohne langes Diskutieren, ohne Öffnungsexperimente und ohne Ausnahmen – so der Plan.

Bundestag und Bundesrat müssen Notbremse noch absegnen

Eines zeichnet sich am Dienstag deutlich ab: So schnell, wie es mit einer Verkürzung von Beratungszeiten möglich wäre, kommt die Bundes-Notbremse nicht. Opposition und Regierungsfraktionen scheinen sich im Bundestag weitgehend einig, dass sie ausführlich beraten wollen. Den Parlamentsbeschluss soll es in einer Woche, am Mittwoch, geben. Der Bundesrat könnte dann allerdings auf die Tube drücken und am Tag drauf Ja sagen – oder die Länder rufen den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat für Nachverhandlungen an, was auch noch einmal dauern würde.

Wirkung der Bundesbremse für Ende April erwartet

In Kraft treten sollen die neuen Regeln dann einen Tag nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten. Es dürften allerdings fünf weitere Tage vergehen, bis die bundesweite Notbremse in Landkreisen oder kreisfreien Städten zum ersten Mal greift. Denn Voraussetzung ist, dass dort an drei aufeinander folgenden Tage eine Sieben-Tage-Inzidenz von mindestens 100 gemeldet wird. "Ab dem übernächsten Tag", also wiederum zwei Tage später, sollen dann die bundeseinheitlich geregelten Verschärfungen dort wirksam werden. Kurzum: Die Wirkung der Bundesbremse dürfte Ende April eintreten.

Intensivmediziner warnt vor vielen schweren Erkrankungen

Vor eben diesem Szenario hat die Intensivmediziner-Vereinigung DIVI just vor dem Kabinettsbeschluss gewarnt. "Wir müssen davon ausgehen, dass wir deutschlandweit jetzt jeden Tag zwischen 50 und 100 neue Covid-Intensivpatienten aufnehmen müssen", sagte DIVI-Präsident Gernot Marx in einem Interview. Wenn das Gesetz erst Ende April beschlossen werde, werde die Patientenzahl auf 7.000 steigen. "Wir reden über sehr viele schwere Erkrankungen und über viele Menschen, die das nicht überleben werden."

Redaktion beck-aktuell, Basil Wegener, Martina Herzog und Jörg Blank, 14. April 2021 (dpa).