Bund und Länder wollen Klinik-Nothilfen und Seuchenschutz nachbessern

Nach heftiger Kritik der Krankenhäuser bessern Bund und Länder das geplante Milliardenpaket für die Kliniken in der Corona-Krise nach. Der Bund soll zudem erweiterte Befugnisse im Seuchenschutz bekommen. Das Recht von Gesundheitsbehörden zur Handyortung soll anders als ursprünglich geplant allerdings zunächst nicht dazugehören. Mit anderen umfangreichen Hilfs- und Rettungsgesetzen sollen auch zwei entsprechende Entwürfe von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am 23.03.2020 das Kabinett passieren.

Kliniken bekommen mehr Geld für verschobene geplante Behandlungen

Die Einrichtungen sollen für jedes Bett, das wegen der Verschiebung planbarer Behandlungen erst einmal frei bleibt, 560 Euro pro Tag erhalten, wie es am 22.03.2020 in Regierungskreisen hieß. Ursprünglich waren 410 bis 540 Euro je nach Klinikgröße geplant gewesen. Für jede neue intensivmedizinische Einheit mit Beatmungsmaschine sollen die Kliniken 50.000 Euro statt wie zunächst geplant 30.000 Euro erhalten. Befristet für acht Wochen soll ein Zuschlag je Patient in Höhe von 50 Euro gezahlt werden. Ausgesetzt wird eine Verordnung zu Untergrenzen beim Pflegepersonal. Reha-Einrichtungen sollen auch Nicht-Corona-Patienten zur akutstationären Krankenhausversorgung aufnehmen können. Die jeweiligen Summen sollen je nach Entwicklung kurzfristig angepasst werden können. Klinikkonzerne und -verbände hatten ursprüngliche Pläne als gebrochene Versprechen kritisiert. Die Kliniken sehen sich in der Krise mit dem Rücken zur Wand. Spahn hatte dann mit den Gesundheitsministern der Länder die Änderungen vereinbart.

Honorareinbußen niedergelassener Ärzte sollen abgefedert werden

Honorareinbußen der niedergelassenen Ärzte sollen abgefedert werden. Der überwiegende Teil der Verdachts- und Erkrankungsfälle müsse im ambulanten Bereich versorgt werden, so der Entwurf. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollten Ärzten die zusätzlichen Kosten erstatten. Andere Ärzte, zu denen nun weniger Patienten gingen, sollten vor zu hohen Honorarminderungen geschützt werden. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sagte, Spahn habe schnell reagiert. Die Maßnahmen müssten nun auch in die Tat umgesetzt werden. "Ich erwarte, dass dies Bundesfinanzminister Olaf Scholz genauso sieht", sagte Gassen. "In diesen Zeiten müssen wir uns alle auf das Wort der Politik verlassen können."

Finanzielle Unterstützung für Pflegeeinrichtungen

Pflegeeinrichtungen sollen befristet von Bürokratie entlastet und finanziell unterstützt werden. Persönliche Kontakte von Prüfern, Gutachtern und Mitarbeitern von Pflegekassen mit Pflegebedürftigen sollen soweit wie möglich vermieden werden. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte Bund und Länder auf, "überzeugende Maßnahmen" zum Schutz von Pflegebedürftigen gegen das Coronavirus einzuleiten.

Infektionsschutz: Übertragung von Länderkompetenzen auf Bund geplant

Für Diskussionen sorgt auch eine geplante Novelle des Infektionsschutzgesetzes. Der Bund soll weitgehende Kompetenzen im Epidemiefall von den Ländern bekommen. Das Bundesgesundheitsministerium soll Schritte zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln gehen können. Einreisende sollen gesetzlich verpflichtet werden können, über ihre Reiseroute und ihren Gesundheitszustand Auskunft zu geben.

Zunächst keine Handyortung von Kontaktpersonen Erkrankter

Den Plan, den zuständigen Gesundheitsbehörden die Befugnis einzuräumen, den Aufenthaltsort von Kontaktpersonen Erkrankter anhand von Handy-Standortdaten zu ermitteln, wollte Spahn zunächst fallen lassen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen. Zunächst hatte das "Handelsblatt" darüber berichtet. Durch die Standortdaten sollten die Bewegungen Betroffener verfolgt werden können, sodass sie im Verdachtsfall kontaktierbar sind. SPD-Politiker und Datenschützer sahen diesen Passus laut "Handelsblatt" äußerst kritisch.

Wirtschaft soll Produktion von Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln aufnehmen

Das Hilfspaket für Kliniken, Ärzte und Pfleger des Bundes sollte zunächst rund 3,3 Milliarden Euro umfassen. Zusammen mit Mitteln der Kranken- und Pflegekassen sollten dem ursprünglichen Entwurf zufolge 7,8 Milliarden Euro fließen. Stefanie Stoff-Ahnis vom Vorstand des GKV-Spitzenverbandes versicherte: "Die gesetzliche Krankenversicherung ist eine starke Solidargemeinschaft und steht dafür ein, dass die Kliniken die Finanzmittel bekommen, die sie für die Behandlung der Corona-Patienten brauchen." FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte, Schutzkleidung und Desinfektionsmittel seien in vielen Kliniken noch nicht angekommen. "Deshalb muss die Bundesregierung unverzüglich veranlassen, dass die Wirtschaft in Deutschland sofort die Produktion von Mundschutzen, Ganzkörper-Schutzanzügen und Desinfektionsmitteln im großen Stil aufnimmt."

Redaktion beck-aktuell, 23. März 2020 (dpa).

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