Gesellschafter-Geschäftsführer ohne umfassende Sperrminorität
So ging für den Gesellschafter-Geschäftsführer eines EDV-Anbieters für Zahnärzte sein Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, ihm den Status eines Selbstständigen zu bescheinigen, negativ aus: Zwar könne er nach dem Gesellschaftsvertrag und seinem "Geschäftsführervertrag" bestimmte Beschlüsse verhindern, doch räume ihm die Satzung keine umfassende Sperrminorität ein. So sei er nicht in der Lage, sich gegenüber Weisungen zu Zeit, Ort und Dauer seiner Tätigkeit, die ihm nicht genehm seien, zu wehren. Selbst durch ein Fernbleiben von Gesellschafterversammlungen könne er Beschlüsse lediglich verzögern, nicht aber verhindern. Seine grüne "Cheftinte" konnte ihn also nicht retten. Das SG Leipzig und das LSG stimmten zu: Die freie Gestaltung von Arbeitszeit und -ort stehe der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen, sondern sei gerade für leitende Angestellte typisch. Gewichtiges, gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechendes Indiz sei, dass der Mann kein wesentliches Unternehmerrisiko trage: Er setze seine Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg ein, sondern erhalte eine monatlich gleichbleibende Vergütung.
"Unrechts"-Macht reichte nicht
Dem schlossen sich nun die obersten Sozialrichter an. Geschäftsführer einer GmbH übten nur dann eine selbstständige Tätigkeit aus, wenn sie aufgrund ihrer Gesellschafterstellung die Rechtsmacht besitzen, einen maßgeblichen Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse zu nehmen und dadurch die Geschicke der Gesellschaft umfassend mitzubestimmen, schreibt der 12. Senat in seiner Pressemitteilung. Der Kläger sei aber lediglich mit 49% am Kapital der Firma beteiligt. Die für einen Minderheitsgesellschafter erforderliche "echte", die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassende Sperrminorität räume ihm der Gesellschaftsvertrag nicht ein. Denn dieser sehe nur für bestimmte Beschlüsse ein Mehrheitserfordernis von 75% vor. Daran ändere auch das dem Geschäftsführer eingeräumte Sonderrecht zur Geschäftsführung nichts, schreiben die Kasseler Richter. Denn es verhindere zwar seine jederzeitige Abberufung als Geschäftsführer und schränke womöglich Weisungen im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung ein. Aber es übertrage ihm nicht eine Gestaltungsmacht, "kraft derer er auf alle Gesellschafterentscheidungen und damit auf die gesamte Unternehmenspolitik Einfluss nehmen könnte". Selbst wenn aus dem Sonderrecht abgeleitet würde, ein Geschäftsführer könne sich deshalb sanktionslos weisungswidrig verhalten, wäre eine derartige "Unrechts"-Macht nicht geeignet, die satzungsrechtlichen Mehrheitsverhältnisse innerhalb der GmbH zu verschieben. "Der auf wichtige Gründe beschränkte Widerruf der Geschäftsführerbestellung vermag eine durch den Gesellschaftsvertrag bereits eingeräumte Rechtsmacht zwar nicht infrage zu stellen, kann diese aber auch nicht begründen", schließt der sogenannte Terminsbericht.
Keine umfassende Sperrminorität
Pech in der letzten Instanz hatte auch die Gesellschafter-Geschäftsführerin einer auf dem Immobiliensektor tätigen (inzwischen insolventen) Unternehmensberatung. Das SG und das LSG Hamburg hatte sie noch zumindest für jenen Zeitraum von ihrem Status als Unternehmerin überzeugen können, in dem sie seit einer Änderung der Abstimmungsregeln im GmbH-Vertrag praktisch alle unliebsamen Beschlüsse vereiteln konnte. Aber selbst da machten die Richter in Kassel ihr einen Strich durch die Rechnung und gaben der DRV Bund recht. Die Frau sei auch da noch angestellt und somit versicherungspflichtig gewesen. Der nur für bestimmte Angelegenheiten ein Mehrheitserfordernis von 76% regelnde Gesellschafterbeschluss habe sie mit ihrer Kapitalbeteiligung von 25% nicht in die Lage versetzt, "die Geschicke der Gesellschaft im Sinne einer Einflussnahme auf alle Gesellschafterentscheidungen und damit die gesamte Unternehmenspolitik mitzubestimmen". Ihr sei gegenüber dem vorherigen Zustand nur eine erweiterte Rechtsmacht, nicht aber eine die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassende Sperrminorität eingeräumt worden.
Kontrolle durch Aufsichtsrat ändert nichts
Den Daumen senkte der Senat schließlich auch über gleich drei Geschäftsführer einer Softwareberatungsfirma. Sie müssen sich ihren jeweiligen Anteil von 20% mit zwei Mitinhabern teilen. Das SG Mannheim stellte sich auf deren Seite: Mit der Einrichtung eines Aufsichtsrats habe die GmbH ihr Weisungsrecht "aus der Hand" gegeben, so dass das Trio nicht persönlich von der Gesellschafterversammlung, sondern nur von dem Kontrollgremium abhängig sei. Eine Sichtweise, der sich das LSG Baden-Württemberg allerdings nicht anschloss, weil die Drei beispielsweise ihre eigene Abberufung nicht verhindern könnten. So auch das BSG: Auch als Gesellschafter-Geschäftsführer verfügten sie nicht über eine solche Rechtsmacht, dass keine abhängige Beschäftigung vorläge. Daran ändere auch das ihnen jeweils eingeräumte Sonderrecht zur Geschäftsführung nichts. Die Einrichtung eines Aufsichtsrats und die ihm übertragene Überwachung der Geschäftsführung führt demnach zu einem Weniger und nicht zu einem Mehr an Rechtsmacht aufgrund der Gesellschafterstellung. Auch mit dem in den Geschäftsführer-Dienstverträgen erklärten Verzicht des Kontrollgremiums auf "Gesellschafterweisungen" ist den Klägern dem Urteil zufolge noch keine umfassende Einflussmöglichkeit auf die gesamte Unternehmenspolitik der GmbH eingeräumt: "Die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats zu einzelnen Maßnahmen eines Geschäftsführers bedingt nicht die hinreichende Rechtsmacht der anderen Geschäftsführer." Schließlich sei den Dreien nach der vom Aufsichtsorgan erlassenen Geschäftsordnung nur jeweils ein bestimmter Geschäftsbereich zur eigenverantwortlichen Leitung zugewiesen.