Privater Studienkredit schließt Zahlung von Alg II nicht aus
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Ein Privatdarlehen stellt als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar und schließt daher einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II) nicht aus. Denn die Hilfebedürftigkeit entfalle nur dann dauerhaft, wenn ein wertmäßiger Zuwachs zur endgültigen Verwendung verbleibe, erläutert das Bundessozialgericht. Im konkreten Fall ging es um einen privat bei einer Bank aufgenommenen Studienkredit.

Kredit zur Finanzierung von Studiengebühren aufgenommen

Die Klägerin war vom 01.11.2010 bis zum 04.05.2012 als Rechtsreferendarin, danach bis zum 31.05.2013 als wissenschaftliche Hilfskraft tätig und trat zum 01.08.2013 erneut in den juristischen Vorbereitungsdienst ein. Von Januar 2012 bis zum 31.12.2013 absolvierte sie ein berufsbegleitend konzipiertes postgraduales Fernstudium (Masterstudiengang "Kriminologie und Polizeiwissenschaft"). Im März 2012 hatte die Klägerin bei einer privaten Bank einen Kredit zur Finanzierung von Studiengebühren und des Lebensunterhalts aufgenommen. Daraus zahlte die Bank von April 2012 bis Dezember 2013 monatlich 800 Euro aus. Das Gesamtdarlehen war am 30.12.2014 zur Rückzahlung fällig.

LSG: Zahlungen als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Mittel nicht anzurechnen

Den Leistungsantrag der Klägerin für die Monate Juni und Juli 2013 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Bedarf der Klägerin sei durch die als Einkommen zu berücksichtigenden monatlichen Zahlungen aus dem Studienkredit vollständig gedeckt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage blieb zunächst erfolglos. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von Alg II verurteilt. Die Zahlungen aus dem Darlehensvertrag seien als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Mittel nicht anzurechnen. § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. sehe allein die Berücksichtigung darlehensweise gewährter Sozialleistungen, nicht aber Kredite einer Privatbank als Einkommen vor.

Revision eingelegt

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die förderungsrechtlichen Grundlagen des Kredits, bedingt durch die Vergabe mittels der KfW-Richtlinien, fußten im öffentlichen Recht. Es habe sich auch nicht um einen Kredit zur Überbrückung einer Notsituation gehandelt. Eine entscheidungserhebliche Relevanz komme zudem der Zweckbestimmung des Kredits zu, wie sie in § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II explizit für öffentlich-rechtliche Leistungen normiert sei und zur Berücksichtigung als Einkommen führe.

BSG verneint Einkommen

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Ein Darlehen stelle nach der ständigen Rechtsprechung des BSG als lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar. Dem Leistungsberechtigten müsse ein wertmäßiger Zuwachs zur endgültigen Verwendung verbleiben, da nur dann die Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfalle, so das BSG.

Zweckbestimmung des Darlehens nicht entscheidend

Nach § 11 Ab.s 1 Satz 2 SGB II a.F. (jetzt § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II) seien zwar "auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen", als Einkommen zu berücksichtigen. An einer entsprechenden Regelung für Privatdarlehen fehle es indessen. Die der Klägerin hier zugeflossenen Darlehenszahlungen seien schon keine öffentlich-rechtlichen Leistungen, also auch keine darlehensweise gewährte Sozialleistungen. § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II bestimme ebenfalls allein für öffentlich-rechtliche Leistungen, dass diese bei einer vom Zweck der Leistungen nach dem SGB II abweichenden Zweckbestimmung nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Deshalb komme auch der Zweckbestimmung des Darlehens entgegen der Auffassung des Beklagten keine Bedeutung zu.

Darlehen für Leistungsbezieher sonst sinnlos

Träfe diese Auffassung des Beklagten zu, wäre für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II ein Verbraucherkredit in der Regel wirtschaftlich sinnlos. Sie setzten sich, ohne mehr Mittel zur Verfügung zu haben, persönlich einer Rückzahlungspflicht aus, und ein Darlehen würde letztlich nur eine Entlastung des Grundsicherungsträgers bewirken, unterstreicht das BSG. Im Rahmen der Eigenverantwortung (§§ 1 Abs. 2 Satz 1, 20 Abs 1 Satz 4 SGB II) sei es jedoch auch für Hilfebedürftige nicht ausgeschlossen, ihren Lebensstandard für die Übergangszeit des Leistungsbezugs durch Darlehen, für die sie später selbst einzustehen hätten, auf einem Niveau zu erhalten, das unabhängig von der Höhe der Grundsicherungsleistungen sei.

BSG, Urteil vom 08.12.2020 - B 4 AS 30/20 R

Redaktion beck-aktuell, 9. Dezember 2020.