Private Pflegeversicherung: Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren aus Analogie

Bietet die private Pflegeversicherung freiwillig ein Vorverfahren an, in dem der Versicherungsnehmer Einwendungen gegen eine Pflegeeinstufung darlegen kann, muss sie auch die Kosten für das erfolgreiche Vorverfahren erstatten. Das BSG sieht die planwidrige Regelungslücke mit einer vergleichbaren Interessenlage gegeben. 

Ein Mann verlangte Leistungen der privaten Pflegeversicherung für seine mitversicherte Ehefrau. Die Versicherung ließ ein Gutachten erstellen und lehnte dann die geforderte Einstufung in die Pflegestufe 1 ab. Im Ablehnungsschreiben wies sie aber auf die Möglichkeit hin, Einwendungen geltend zu machen. Daraufhin beauftragte der Mann eine Rechtsanwältin, die erfolgreich arbeitete: Die Versicherung ließ ein Zweitgutachten erstellen, das das Vorbringen des Versicherungsnehmers bestätigte. Sie hob ihre Ablehnung auf und zahlte rückwirkend die begehrten Leistungen. Die Rechtsanwaltskosten allerdings wollte sie den Erben des Paars – beide Eltern waren zwischenzeitlich verstorben – nicht erstatten. Das SG verurteilte die Versicherung zur Erstattung. Das LSG wies die Berufung zurück, auch das BSG ließ das Urteil des SG bestehen.

Das BSG (Urteil vom 22.2.2024 - B 3 P 8/22 R) wendet § 63 SGB X hier analog an. Die Norm regelt die Kostenerstattung im obligatorischen Widerspruchsverfahren gegen Verwaltungsakte einer Pflegekasse. Im Bereich der privaten Pflegeversicherung sei die Norm nicht anwendbar, wenn keine Verwaltungsakte erlassen würden. Dann sei auch kein Vorverfahren vorgesehen und entsprechend gebe es keine Regelungen dazu. Wenn die Versicherung ein solches Vorverfahren aber freiwillig anbiete, müsse sie auch die Kostenregelung dazu anwenden. Insoweit liege eine planwidrige Regelungslücke vor, die wegen der identischen Interessenlage eine analoge Anwendung des § 63 SGB X erlaube.

Gleichlauf von privater und gesetzlicher Versicherung

Die Kasseler Richterinnen und Richter argumentierten auch mit § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI, der Privatversicherten mindestens den Leistungsstandard garantiert, den die gesetzlich Versicherten erhalten. Beide Verfahren ermöglichten die vorgerichtliche Überprüfung von Ablehnungsentscheidungen und trügen zur Entlastung der Sozialgerichte bei, weshalb Rechtsanwaltskosten im erfolgreichen isolierten Einwendungsverfahren in gleicher Weise wie im isolierten Widerspruchsverfahren erstattungsfähig seien. Gebe es einen verfahrensrechtlichen Gleichlauf der Vorverfahren, folge auch die gleiche Handhabung in den kostenrechtlichen Angelegenheiten.

BSG, Urteil vom 22.02.2024 - B 3 P 8/22 R

Redaktion beck-aktuell, rw, 23. Februar 2024.