Nach psychiatrischer Notfall-Behandlung: Asylbewerber erhält Kosten erstattet

Ein afghanischer Asylsuchender, der nach dem Suizidversuch seines Mitbewohners in der Flüchtlingsunterkunft wegen akuter psychischer Erkrankungen stationär ins Krankenhaus aufgenommen wurde, bleibt nicht auf den Behandlungskosten sitzen, entschied das BSG.

Die zuständige Behörde hatte die Übernahme der Kosten in Höhe von knapp 9.000 Euro mit der Begründung abgelehnt, es fehle an einer ärztlichen Einweisung und einer Einweisungsdiagnose. Die Erforderlichkeit der vierwöchigen stationären Behandlung erschließe sich nicht.

Das BSG (Urteil vom 29.02.2024 - B 8 AY 3/23 R) erläuterte dagegen, der Afghane sei zu Recht als Notfall wegen des Verdachts auf eine schwere depressive Episode sowie eine Posttraumatische Belastungsstörung stationär aufgenommen worden. Beide Verdachtsdiagnosen zusammen mit den festgestellten Symptomen indizierten eine vollstationäre Behandlung. Dies sei unter anderem bei schweren psychosozialen Belastungen und fehlenden Bezugspersonen der Fall, wenn keine weitere Möglichkeit sozialer Unterstützung im ambulanten Setting zur Verfügung steht. Ambulante Unterstützungsangebote habe der Mann nicht in Anspruch nehmen können, schon weil die Behörde zuvor die hierfür notwendigen Fahrtkosten abgelehnt hatte. Auch sei die vierwöchige stationäre Behandlung notwendig gewesen, um den Eintritt eines kritischen Stadiums der Erkrankung zu verhindern und eine Eigengefährdung auszuschließen.

Die Vorinstanz hatte noch offen gelassen, ob der Kostenübernahmeanspruch aus § 4 Abs. 1 S. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) folge, der akute Erkrankungen betreffe, oder aus § 6 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AsylbLG, der bei chronischen Erkrankungen anwendbar sei. Eine Abgrenzung erübrige sich, da die stationäre Behandlung in jedem Fall unerlässlich war und somit beide Normen erfüllt seien. Das BSG stellte sich nun auf den Standpunkt, dass eine akute Erkrankung gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG vorgelegen hat.

Vom dem Begriff sei auch ein Gesundheitszustand erfasst, der bei bereits bestehenden, gegebenenfalls chronischen Erkrankungen eine Behandlung aus medizinischen Gründen unaufschiebbar werden lässt, um eine unumkehrbare oder akute Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ein kritisches Stadium zu verhindern. Voraussetzung sei, dass die Behandlung im Einzelfall in der perspektivisch verbleibenden Zeit des Aufenthalts in Deutschland abgeschlossen werden kann oder - im Fall einer dauerhaften Therapie - zur Abwendung einer unumkehrbaren oder akuten Verschlechterung notwendig bleibt.

BSG, Urteil vom 18.04.2024 - B 2 U 14/21 R

Redaktion beck-aktuell, mm, 1. März 2024.