Ausschöpfung anderer Therapieformen vor Magenverkleinerung nicht zwingend

Der Satz, dass eine operative Magenverkleinerung nur ultima ratio sein darf, bedeutet nicht zwingend, dass zuvor alle anderen Therapiemöglichkeiten tatsächlich ausgeschöpft worden sein müssen. Das Bundessozialgericht hat eine entsprechende Klarstellung vorgenommen. Entscheidend sei allein, dass der Eingriff medizinisch erforderlich und den anderen Optionen eindeutig überlegen sei.

Krankenkasse verweigert Kostenübernahme einer operativen Magenverkleinerung

Ein Klinikum lag im Streit mit der AOK Bayern über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung in Höhe von 7.204 Euro. Die Assekuranz hatte sich nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) geweigert, die Kosten eines stark übergewichtigen Versicherten für eine operative Magenverkleinerung (Body-Mass-Index: 55) zu übernehmen. Eine konservative Therapie zur Behandlung der Fettleibigkeit sei nicht dokumentiert, die OP damit nicht ultima ratio. Den Widerspruch wies die Kasse zurück. Das Hospital behandelte ihn vollstationär und führte eine Schlauchmagen-OP durch. Die Beklagte verweigerte die Bezahlung der Rechnung ohne Durchführung einer förmlichen Abrechnungsprüfung unter Verweis auf das MDK-Gutachten. Sowohl beim SG Stuttgart als auch beim LSG Baden-Württemberg bekam das Spital Recht. Ob die vollstationäre Behandlung erforderlich gewesen sei, lasse sich nicht feststellen. Mangels eingeleiteten Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sei der Einwand fehlender Erforderlichkeit ausgeschlossen. Die nur im Verhältnis zum Versicherten bestandskräftig ergangene Leistungsablehnung berühre den Vergütungsanspruch des Klinikums nicht. Die Revision der Krankenkasse beim BSG hatte zunächst Erfolg.

Medizinische Erforderlichkeit ist klärungsbedürftig

Den Kasseler Richtern zufolge konnte auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entschieden werden, ob dem Krankenhaus der Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse zusteht. Eine operative Magenverkleinerung bei Fettleibigkeit dürfe nur die ultima ratio sein. Allerdings stellte das Gericht klar: Es ist nicht zwingend, dass sämtliche andere Therapieoptionen zuvor tatsächlich ausgeschöpft sind. Die voraussichtlichen Ergebnisse der Operation am gesunden Organ müssten den zu erwartenden Resultaten anderer Behandlungsmöglichkeiten eindeutig überlegen sein. Das BSG verwies die Sache daher zur Prüfung der medizinischen Erforderlichkeit an das LSG zurück. Ihre Einwände gegen den Vergütungsanspruch dürfe die Versicherung trotz des fehlenden Prüfverfahrens vorbringen. Die Ermittlungspflicht des Gerichts sei aber beschränkt. Erhebung und Verwertung solcher Daten, die nur der MDK im Prüfverfahren hätte erheben können, seien nicht erlaubt. Insoweit muss das LSG ein Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot beachten, wie die obersten Sozialrichter betonten.

BSG, Urteil vom 22.06.2022 - B 1 KR 19/21 R

Redaktion beck-aktuell, 24. Juni 2022.